Eine gelungene Teamarbeit ist heute im Gesundheitswesen im Allgemeinen sowie im Pflegebereich im Besonderen nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Eine gelungene Teamarbeit zählt zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren. Eine Vielzahl von Studien und Fachartikeln bestätigt immer wieder, dass Menschen, die in einem funktionierenden Team arbeiten, verantwortungsvoller, motivierter und kreativer sind. Sie erleben die Vorteile einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit. Ob in Krankenhäusern, in Praxen, in ambulanten Einrichtungen, auf Stationen im Operationssaal oder in einzelnen Projekten – ein reibungsloser Ablauf und eine gute Teamarbeit sind von außerordentlich hohem Wert. Wir treffen dabei sowohl professionelle als auch inter- bzw. multiprofessionelle Teams an – Teams, die auf längere Dauer angelegt sind oder sich kurzfristig bilden (z.B. OP-Teams). Oft treffen wir in der Praxis jedoch auch auf Personenmehrheiten und Gruppen, die sich etikettenartig als Teams bezeichnen, jedoch nicht wie Teams agieren („Pseudo-Teams“). Was macht eine gelungene Teamarbeit im Pflegebereich aus, welche Rolle spielt dabei die/der Vorgesetzte, die Teamleitung, die Stationsleitung? Was kann jedes einzelne Teammitglied dazu beitragen? Welche wichtigen Kräfte, Spannungen und Dynamiken sind für eine gute Zusammenarbeit und somit für die Zielerreichung zu meistern?
Effektive Leitung und Führung im Pflege-Team
Professionelle Führungskräfte von Pflegeteams versuchen aus gruppendynamischer Sicht, zielorientiert die oft herausfordernden Wechselwirkungen zwischen Leitung, informeller Führung und Rangdynamik in dynamischer Balance zu halten.
Die Leitung (die formelle Führung)
Ein oft heikler Punkt bezüglich eines Teams und seiner Struktur ist die Frage nach der Leitung. Ein völlig autonomes Team gibt es gegenwärtig in der Praxis (noch) vergleichsweise selten. Sowohl Entstehung als auch Aufgabe des Teams werden initiiert und begleitet. Irgendeine Form der Dominanz herrscht immer vor, und irgendwo gibt es immer einen formal berufenen „Kapitän“, der die Initiative ergreift. Die Frage nach der Leitung ist im Team deshalb so herausfordernd, da eine Leitung eigentlich kaum in die Struktur eines Team passt, ja scheinbar im Widerspruch zum Teamgedanken zu stehen scheint. Dennoch ist ein Team ohne Leitung nicht nur wirtschaftlich betrachtet ein Risiko. Die Frage sollte daher nicht lauten: „Gibt es eine Leitung im Team?“ sondern „Wie lässt sich eine Leitung mit den Teamstrukturen verbinden und was muss sie leisten?“.
Das radikal-demokratische Modell, welches eine permanent wechselnde Leitung vorsieht, dürfte das seltenste Konzept der Praxis sein. Es verlangt von allen Teammitgliedern ein sehr höchstes Maß an Sozialkompetenz, Toleranz, Teamfähigkeit und Konfliktkompetenz. Das Gegenteil davon wäre ein Team, welches einen Vorgesetzten – häufig von außen – zugewiesen bekommt. Diese Variante birgt das Risiko, dass das Team die Person in dieser Funktion schlichtweg ablehnt oder nicht als Führung anerkennt, wenn sie sich nicht bemüht, die Teamstrukturen und das Team mit seinen Eigenheiten und Arbeitsweisen als bestehendes anzunehmen. Zudem kann ein Vorgesetzter, der sich hierarchisch über dem Team ansiedelt und nicht dauerhaft mit dem Team zusammen arbeitet, nicht als Teammitglied, und somit nicht als integrierter Teil des Teams bezeichnet werden. Das Gegenteil davon wäre ein Team, welches einen Vorgesetzten – häufig von außen – zugewiesen bekommt. Diese Variante birgt das Risiko, dass das Team die Person in dieser Funktion schlichtweg ablehnt oder nicht als Führung anerkennt, wenn sie sich nicht bemüht, die Teamstrukturen und das Team mit seinen Eigenheiten und Arbeitsweisen als bestehendes anzunehmen. Zudem kann ein Vorgesetzter, der sich hierarchisch über dem Team ansiedelt und nicht dauerhaft mit dem Team zusammen arbeitet, nicht als Teammitglied, und somit nicht als integrierter Teil des Teams bezeichnet werden.
• alle Teammitglieder akzeptieren die Leitung als Leitung
• die Leitung ist im Team integriert und nimmt keine Sonderstellung bei der Aufgabenverteilung ein
• die vereinbarten Kommunikations- und Verhaltensregeln gelten selbstredend auch für die Leitung
• Entscheidungen und Vereinbarungen werden weiterhin vom ganzen Team getroffen
• die Leitung wurde unter anderem wegen besonderer sozialer Kompetenzen und einem „guten Händchen“ für gruppendynamische Prozesse ausgewählt
• die Teamleitung ist mehr „organisatorische Achse“ „als hierarchische Peitsche“
• das Interesse des Teamleiters ist die Effektivität und der Zusammenhalt des Teams, nicht jedoch persönliche Macht
• die Teamleitung ist sich der Rolle als Vorbild und motivierende Kraft für alle Mitglieder bewusst und vermag diesem Anspruch zu genügen
• Die Leitung eines Teams ist mit vielfältigen Aufgaben im sozialen und gruppendynamischen Bereich verbunden
Die wichtigsten dieser sozialen bzw. gruppendynamischen Aufgaben hat Vopel, einer der Pioniere moderner Didaktik, folgendermaßen zusammengefasst:
1. Die Teamleitung sorgt für Transparenz bezüglich zentraler Aufgaben, Strategien und Ziele. Sie ist für die Übersicht der genannten Bereiche im Team zuständig und sorgt dafür, dass diese nicht aus den Augen verloren werden. Dabei ist einerseits Geduld und innere Ruhe von großer Bedeutung, damit das Team sich selbständig entfalten kann, jedoch darf die Leitung nicht völlig im Team aufgehen, sondern muss als permanenter Beobachter eine zusätzliche Position einnehmen.
2. Die Leitung fördert Engagement und Zuversicht im Team. Durch positives Feedback und Motivationshilfen schafft sie ein positives Arbeitsklima und sorgt für die
Identifikation aller Teammitglieder mit
3. Die Leitung sorgt dafür, dass sich alle Mitglieder ideal entfalten und ergänzen können. Sie gewährleistet, dass die Teammitglieder zwar besonders im Bereich ihrer Stärken und Kompetenzen wirken, jedoch durch Übernahme fremder oder neuer Aufgaben ständig dazulernen.
4. Der Teamleitung kümmert sich um die Außenkontakte des Teams. Sie hält Kontakt zu anderen Teams und der Organisationsleitung und sorgt so für Schutz und Aktualität des Teams.
5. Der Teamleitung sorgt für ideale Entfaltungsmöglichkeiten aller Teammitglieder. Sie versucht, die Führungsqualitäten und individuellen Qualitäten der Teammitglieder zu fördern und verzichtet auf überflüssige Autorität. Eine harmonische und ausgewogene Atmosphäre ist permanentes Ziel.
6. Die Teamleitung beteiligt sich an der täglichen Arbeit. Als Teil des Teams ist die Leitung an allen Aktivitäten des Teams gleichermaßen beteiligt wie alle anderen Mitglieder und übernimmt die gleichen Aufgaben. Teamleitung ist quasi „Management von innen“
7. Die Teamleitung bearbeitet grundsätzlich Konflikte, bevor sie aufkommen. Regelmäßige Teamsitzungen, Sozialmanagement und der generelle Überblick über die Stimmungen im Team gehören zu den wichtigsten Aufgabenbereichen der Teamleitung. Die Schwierigkeit besteht darin, zu initiieren ohne aufzudrängen, zu führen ohne zu leiten.
„Die besten Leitungen bzw. Führer in einem Pflegeteam sind diejenigen, die als Führer gar nicht bemerkt werden. Die nächstbesten Führer sind diejenigen, die von ihren Leuten geehrt und gepriesen werden. Die nächstbesten Führer werden gefürchtet und die nächstbesten Führer werden gehasst. Wenn die besten Leitungen bzw. Führer ihre Aufgabe erledigt haben, dann sagen die Leute: „Wir haben es selbst getan.“
Der informelle Führer
Der informelle Gruppenführer ist jenes Mitglied eines Teams, das die Gruppe sozial anführt. Im Gegensatz zum formellen Führer der Gruppe, der in einer Organisation als Gruppen-Leiter berufen und dafür mit Kompetenzen ausgestattet wird, gewinnt der informelle Führer seine Rolle aufgrund der gruppenspezifischen Rollenverteilung bzw. aufgrund seiner Persönlichkeit. (Er wird in der Sozialpsychologie bzw. in der Gruppendynamik häufig auch als Gruppenstar oder als Gruppensprecher bezeichnet). Weil seine Meinungen die Einstellungen der übrigen Gruppenmitglieder stark beeinflussen, wird er zumeist als informeller Führer benannt. Die Verantwortlichen in einer Organisation wie Leitungen sollten u.a. den Weg über den informellen Führer wählen, um dadurch auf das Leistungsvermögen einer Gruppe positiv einwirken zu können. Um den informellen Führer als „verlängerten Arm“ konstruktiv einsetzen zu können, muss diese Person der Leitung zuerst einmal bekannt sein. Wenn die Leitung die Gruppe bereits länger kennt, dann fällt es ihr meistens nicht schwer, den informellen Führer aus den Gegebenheiten und den Verhaltensweisen der Gruppenmitglieder heraus zu erkennen. Kennt der Vorgesetzte die Gruppe überhaupt nicht oder nur oberflächlich, dann bietet sich der Weg über die soziometrische Methode des Soziogramms an. Auf Fragen wie z.B. „Mit wem möchten Sie zusammenarbeiten?“ oder „Wen würden Sie zu einer Party einladen?“ antworten die befragten Gruppenmitglieder und der Leiter wertet die Ergebnisse aus. Der informelle Führer ist derjenige, der von der Gruppe in den meisten bzw. zentralen Fragekategorien die meisten Stimmen erhält.
In vielen Teams existiert nur ein informeller Gruppenführer. In Einzelfällen können sich aber auch zwei Personen die Rolle des informellen Führers teilen. Dann besteht ein Führungsdual:
• Der Tätigkeitsführer, welcher sich intensiv für die Erreichung der vorgegebenen Leistungsziele einsetzt und alles dafür tut, damit alle Gruppenmitglieder zur Zielerreichung Beiträge bringen. Deshalb sollte ihn der Gruppenleiter als ›verlängerten Arm‹ einsetzen.
• Der Beliebtheitsführer, welcher überall gern gesehen ist und sich ebenfalls für die Gruppe engagiert. Er setzt sich vor allem für das Erreichen der Gruppenerhaltungsziele (z.B. Zusammenhalt) bzw. für das Erreichen der Individualziele (z.B. individuelle Zufriedenheit) ein. Er pflegt die Gruppenbeziehungen, hört gut zu und ermutigt die Kameraden.
Beide informelle Führer biedern sich nicht an und treten nicht als „Schleimer“ auf. Die Gruppe billigt dem informellen Führer seinen hohen Rang auf Grund der vom Team anerkannten Autorität zu.
Merkmale des informellen Führers
Ein informeller Führer hat die Fähigkeit, stärker als andere auf die von der Organisation gesetzten Leistungsziele positiv hinzuwirken, die Harmonie im Team zu fördern, Spannungen in der Gruppe auszugleichen, zu interner Kommunikation und verstärkter Meinungsbildung beizutragen. Außerdem bringt er die Bereitschaft mit, über die Wahrung der Gruppennormen zu wachen und ihre Einhaltung in der Gruppe sicherzustellen. Es ist für ihn typisch, dass er sich in der Gruppe engagiert. Informelle Führer haben eine vergleichsweise hohe soziale Kompetenz, hohes Selbstvertrauen bzw. stark ausgeprägte Extrovertiertheit. Sie pflegen zu allen Gruppenmitgliedern Kontakte, auch zu den Außenseitern der Gruppe. Sie zeigen in jeder Situation Hilfsbereitschaft und sind i.d.R. nicht auf formelle Führerschaft bedacht. Sie setzen sich intensiv für das Gruppenleben ein und wirken bei Konflikten in der Gruppe zumeist ausgleichend. Grundsätzlich werden in der Pflegeliteratur folgende fünf Beziehungsmuster zwischen Leiter und informellem Führer beschrieben (vgl. Leutzinger, Luterbacher, S.117):
1. Die Leitung (formale Vor¬gesetzte) und der informelle Führer (Meinungsbildner) sind in ein und derselben Person vereint, was allerdings nur in etwa 10- 15% aller Fälle vorkommen soll. Dies ist grundsätzlich der beste Fall.
2. Die Leitung und der informelle Führer verstehen sich gut. Die Gruppe „funktioniert“ auch gut.
3. Die Leitung fühlt sich in ihrer Position durch den informalen Führer bedroht, der informelle Führer ist ihr jedoch positiv eingestellt. Da der informelle Führer sich ihr gegenüber wohlwollend verhält, sollte der formale Vorgesetzte versuchen, dessen Rolle zu akzeptieren.
4. Die Leitung ist aufgrund ihrer positiven Einstellung dem informellen Führer gegenüber blind geworden ist und realisiert gar nicht, dass der informelle Führer die Gruppe gegen sie beeinflusst. Diese Situation kann für sie „gefährlich“ werden.
5. Die Leitung und der informelle Führer kommen nicht miteinander aus, wodurch die Dynamik der Gruppe nachhaltig negativ beeinflusst wird. In dieser Situation hilft häufig nur eine Vorgangsweise, dass nämlich entweder der formale Vorgesetzte oder der informelle Führer die Gruppe verlässt.
Inhaber der Alpha-Position (gemäß dem Rangdynamik-Modell)
In den 50er Jahren entwickelte der Psychotherapeut, Psychoanalytiker und Psychiater Raoul Schindler zum noch besseren Verständnis von Dynamik in Gruppen ein Modell, nämlich das Rangdynamik-Modell, in dem es u.a. um den Inhaber der Alpha-Position in einer Gruppe geht, der wie der informelle Führer von der Leitung abweichen kann. Dieses anerkannte Modell lässt sich auch sehr gut auf den Krankenhaus- bzw. Pflegebereich anwenden. Schindler beschreibt darin unterschiedliche psychodynamische Positionen (nicht soziologische – eine in der Praxis häufige Verwechslung), die von den einzelnen Gruppenmitgliedern einer Gruppe besetzt werden und mit deren Hilfe Handlungen und Interaktionen in der Gruppe besser beschrieben und verstanden werden können.
Die Rangdynamik von Schindler beschreibt innerhalb der Gruppe vier Positionen, nämlich Alpha, Beta und Omega sowie das der Gruppe gegenüberstehende „G“. Das „G“ steht für das „Gegenüber“ der Gruppe, in gruppenpsychoanalytischer Sichtweise auch für Gegner. Es ist die Position außerhalb der Gruppe, der ihre Initiative gilt, zu diesem Zeitpunkt ihr Ziel ausmacht und über die sich die Gruppe definiert. Dieses „G“ kann real (zum Beispiel: Erarbeitung neuer Pflegestandards, …), eine abstrakte Figur (zum Beispiel: „die Patienten“, …), eine Erwartung oder eine Vision/Idee/eine herausfordernde Aufgabe sein. Die Positionen Alpha, Gamma
und Omega sind in jeder Gruppe zu jeder Zeit besetzt, nicht zwingend, findet sich aber in Krankenhaus-Teams bzw. Pflegeteams die Beta-Position. Diese Positionen sind zumeist unabhängig von Funktionen und eingenommenen Rollen. Weiter hat die Position Alpha in diesem Modell nichts mit den „Alpha-Tieren“ in der Verhaltungsforschung oder der „Alpha-Persönlichkeit“, mit der beispielsweise Herzinfarktrisikopatienten identifiziert werden, zu tun.
Die einzelnen Positionen des Rangdynamikmodells lassen sich folgendermaßen beschreiben:
• Alpha ist die Position des Initiativeträgers, dessen Anerkennung durch die Gruppenmitglieder (Gammas) eine gemeinsame Initiative in Richtung „G“ ausgelöst hat.
• Beta ist die Position dessen/derer, die mitmachen und persönlich unabhängig bleiben, ohne sich mit Alpha zu identifizieren oder zu opponieren. Meist sind sie in einer sachlich-beratenden Funktion tätig. Durch ihre Unabhängigkeit sind sie aber für die Gruppe auch Alpha-geeignet und dadurch potenziell dessen Rivalen.
• Gamma ist die Position derer, die sich Alpha angeschlossen haben, sich mit seiner Initiative identifizieren und sie auch ausführen und/oder mittragen. Die Gammas stehen zu diesem Zeitpunkt in einer positiven emotionellen Abhängigkeit zu Alpha.
• Omega ist die Position des Zurückhaltenden, der sich nur oft widerwillig der Initiative anschließt. Sein Mitmachen ist sehr zögerlich und drückt damit die (immer vorhandene) Ambivalenz der Gruppe (also auch der Gammas) zu Alpha und dieser Initiative aus.
Die Positionen sind in funktionierenden Krankenhaus-/Pflege-Teams flexibel (dynamisch) und je nach Ziel bzw. Aufgabe von unterschiedlichen Personen besetzt. So ist es in Krankenhausabteilungen durchaus möglich, dass im Krankenhausbereich Initiativen von Turnusärzten, Assistenten oder Oberärzten ausgehen und getragen werden (Alpha) und die anderen Mitarbeiter, inklusive des Chefs, „mitarbeiten“ (Gamma). Im Pflegeteam wären dies analog Initiativen der Pflegehelfer/innen, der Diplomierten Gesunden- und Krankenpfleger/innen inklusive der Stationsleitung, die in der Gamma-Position „mitarbeitet“. Die Leitungsfunktion der Abteilung und damit die Letztverantwortung bleiben dadurch unverändert. Häufig ist in der Praxis die Leitung (formelle Führung) in der Beta-Funktion (als Berater/in) zu finden.
Zusammenhänge
Jede formelle Funktion kann prinzipiell aus jeder Rang-Position ausgeübt werden, doch gibt es soziale und thematische Zuordnungen. Die eingenommen Rollen erscheinen anders, je nachdem aus welcher Rang-Position (Alpha, Gamma, Beta, Omega) die entsprechenden Funktion ausgeübt wird. Die Leitungsfunktion erscheint zum Beispiel aus der Alpha-Position mitreißend, aus Beta funktionell, aus Omega aber despotisch und dem Team aufgezwungen. In einem funktionierenden Team werden die Positionen je nach Thema oder aktuellen Stand der Gruppe „dynamisch“ wechseln. Gruppen und Organisationen, in denen eine Person die Alpha-Position – unabhängig von der Funktion – quasi „gepachtet“ hat, sind in ihrer Entwicklung und Dynamik eher gehemmt und erleben Stagnation oder Rückschritte. Für die Gruppendynamik ist die Omega-Position besonders interessant. Sie ist meist schnell diagnostizierbar („der Außenseiter“, „der Buhmann“, usw.). Alpha ist hingegen nicht immer leicht zu identifizieren, da er manchmal leise im Hintergrund agiert. Er schafft dann die Unterstützung und Atmosphäre, dass die Gammas für das Ziel „G“ arbeiten.
Die positive Auseinandersetzung mit dem Außenseiter (Omega)
Wenn sich eine Gruppe/ein Team mit ihrem Außenseiter offen und tolerant auseinandersetzt, so kann sie einiges für sich gewinnen:
• Auseinandersetzung bringt Diskussion und damit mehr Kontakt zwischen den Gruppenmitgliedern. Ist man sich dagegen allzu einig, so erübrigt sich das Gespräch und die Intensität des Kontaktes nimmt ab.
• Gruppen, die lange bestehen, verlieren manchmal den nötigen Kontakt zur „Außenwelt“. Man ist unter sich, man hat ähnliche Neigungen, Ansichten und Überzeugungen. Man lebt in einer Ei¬genwelt. Die Auseinandersetzung mit dem Außenseiter kann für eine solche Gruppe ein Stück Realitätsanpassung bedeuten.
• Durch die Auseinandersetzung mit dem Außenseiter kann die Gruppe sich ihrer Normen, Werte und Ziele erst recht bewusst werden. Sie muss ihre Grundsichten überdenken, formulieren und vielleicht sogar verteidigen. Dadurch gewinnt sie an Lebendigkeit und Stärke.
Das Rangpositionsmodell kann von der Leitung in mehrfacher Weise genutzt werden, wie z.B.:
• Um zu erkennen, in welcher Rangposition sie sich als Leitung zum Betrachtungszeitpunkt befindet und demgemäß konstruktiv agieren kann.
• Wenn Sie selbst nicht die rangdynamische Alpha-Position einnimmt, dies nicht persönlich zu nehmen.
• Aus Ihrer jeweiligen rangdynamischen Position die übrigen Teammitglieder bei der Zielerreichung zu unterstützen.
• Die Auseinanderersetzung mit dem Omega konstruktiv gestalten und dessen Informationen für das Gelingen der Zielerreichung zu unterstützen.
Daher ist die oben ausgeführte soziometrische Methode mit der Rolle des informellen Führers „streng“ von der Rangdynamik zu unterscheiden. Soziometrische Gesichtspunkte bzw. Fragen können auch an ein willkürlich zusammen gesetztes Kollektiv gestellt werden, das nicht unbedingt einer Gruppe bzw. ein Team entsprechen muss. Das gemeinsame Ziel/das Gegenüber, findet in der Soziometrie keine Repräsentanz. Bei der Soziometrie steht die Erfahrung der sozialen Kontakte der Gruppenmitglieder untereinander im Mittelpunkt. Der nach der soziometrischen Befragung Beliebteste wird zwar häufig mit der rangdynamischen Alpha-Position gleichgesetzt sowie der Unbeliebteste in der Omega- Position gesehen. Das mag oft stimmen, muss aber aus genannten Gründen nicht so nicht sein.
Leitungen, die in der Praxis mit der Rangdynamik umgehen, haben immer wieder die Tendenz, die Rangpositionen (Alpha, Beta, Gamma, Omega und Gegenüber/Gegner) durch Rollen (Führer, Fachmann, Mittläufer, Prügelknabe, Feind) anschaulich zum machen. Dies ist gut verständlich, weil sie
dadurch oft erst anschaulich werden. Es kann aber sein, dass sich die Funktion dieser Rollengestaltung mit den entsprechenden Rangpositionen treffen, es muss aber nicht sein. Die Rollengestaltung ist nicht ident mit der Rangposition. Die Funktionen wie z.B. die der Leitung bzw. Führung, die sich in der Rollengestaltung ausdrückt, kann im Grunde in jeder Rangposition eingenommen werden.
Praxis-Empfehlung:
Für eine Leitung im Pflegebereich ist es daher von sehr großer Bedeutung, den/die informellen Führer des Teams zu kennen und mit ihr/ihnen eine besonders gute Zusammenarbeit finden. Weiter ist es sehr vorteilhaft, die dem jeweiligen Ziel entsprechende eigene Rangposition zu kennen und demgemäß zu agieren. Im Falle, dass ein anderes Gruppenmitglied die Alpha-Position einnimmt, wäre es sinnvoll, dies nicht persönlich zu nehmen; imGegenteil wäre es angezeigt, dieses Gruppenmitglied entsprechend – z.B. aus der Beta-Position – zu unterstützen.
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