Dieses Buch hat das Zeug, unterschätzt zu werden. Die Cover-Gestaltung zeigt sich reduziert. Der Buch-Titel eignet sich kaum dazu, die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser zu erwecken. Erst der Blick in das Buch „Wirksamkeit und Grenzen des therapeutischen Humors“ zeigt, welcher Erkenntnisgewinn auf die Leserinnen und Leser wartet. Denn es wird nicht nur deutlich, wie kenntnisreich die Breite des therapeutischen Humors dargestellt werden kann. An einer konkreten Begleitung einer Frau, die in ihrem Alltag die eine oder andere Hürde erlebt, veranschaulicht die logotherapeutische Beraterin Mirjam Christen die Potentiale der Begleitung mit Humorkonzepten.
Erfrischend ist es für die Leserinnen und Leser, dass Christen nicht-appellativ schreibt und den Nutzen humorvollen Arbeitens irgendwie im Nebel beschreibt. Bei ihrer Spurensuche mit dem Humordrama von Michael Titze, der paradoxen Intention von Viktor E. Frankl und der provokativen Therapie von Frank Farrelly wird nachvollziehbar, wie das humorvolle Arbeiten Menschen in Krisen anrühren kann.
„Mit dem Einsatz von Humor sollte Andrea befähigt werden, rasch Distanz zu sich, aber auch zu belastenden Situationen und Menschen einzunehmen. Es gelang ihr tatsächlich, nicht nur Distanz von einem schwierigen Außen zu schaffen, sondern zugleich die Distanz zu dem, was ihr am Herzen liegt, zu verringern: Andrea kam sich und ihren Bedürfnissen, ihren Werten und ihrer Berufung näher, indem sie Distanz zu anderem gewann“, schreibt Christen im Resümee des Buchs. Solche Gedanken zeigen, dass die Arbeit mit humorvollen Elementen in der Begleitung von Menschen in Krisen geeignet ist, Balancen zu erarbeiten.
Damit dies gelingt, erscheint es natürlich nötig, Inhalte und auch Gefühle zu durchdringen. Christen ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass Autorinnen oder Autoren ihre Ideen inhaltlich wie emotional durchdringen müssen. Wenn sie Frankls paradoxe Intention darstellt, zeigt sich eine große Reflexionsbereitschaft Christens. Christen unterstreicht, dass eine tragende Beziehung zwischen einem Betroffenen und einem Begleiter Gewähr bietet, „dass sich der Patient durch die theatralische Darbietung des Therapeuten nicht verspottet fühlt“ (S. 39). In der Auseinandersetzung mit dem Humordrama von Michael Titze formuliert Christen die Frage: „Und wie könnte man jemanden, der sich vor Lachen fürchtet und starren, selbstschädigenden Denkmustern verhaftet ist, besser lehren, welch wunderbare befreiende Kraft im Humor steckt, als durch die Demonstration von wohlwollendem und heilsamem Humor in einer tragenden Gemeinschaft?“ (S. 43 / 44).
Die Hülle ist asketisch. Auf den Geschmack kommen die Leserinnen und Leser erst, wenn sie sich mit der Humorberaterin Christen auf den Weg machen. Von Seite zu Seite baut sich die eigentliche Überzeugungskraft des Buchs „Wirksamkeit und Grenzen des therapeutischen Humors“ auf. Christen vermeidet es, Leere entstehen zu lassen. Vielmehr gewinnen die Leserinnen und Leser, dass aus der Zurückhaltung des Auftakts eine Buntheit erwachsen kann. So ist es sicher nicht falsch, dass Christen damit überzeugt, dass sie letztendlich das Arbeiten mit dem therapeutischen Humor vielfältig gestalten kann.
Krisen sind aus der Sicht Christens Momente, in denen das Leben Fragen stellt. Diese Fragen müssen offenbar den Menschen bewegen, den Alltag auf das Wesentliche zu reduzieren. Und aus diesem Rückzug heraus können Menschen wohl wieder Kraft für das Danach finden. Insofern ist Christens Buch „Wirksamkeit und Grenzen des therapeutischen Humors“ sicher auch eine hilfreiche Orientierung in Pandemie-Zeiten.
Mirjam Christen: Wirksamkeit und Grenzen des therapeutischen Humors – Ein Fallbeispiel, HCD-Verlag, Tuttlingen 2020, ISBN 978-3-938089-33-0, 118 Seiten, 12.80 Euro.