Durch den Fortschritt in der Medizin überleben Betroffene immer öfter schwere Erkrankungen und Verletzungen. Ist die akute Situation überstanden, kommt es manchmal vor, dass die eigene Atmung eingeschränkt ist oder völlig ausfällt. Dies kann vorübergehend aber auch dauernd von Nöten sein, man spricht hier von beatmungspflichtigen Patienten. Die Entwöhnung von der Beatmung (Weaning) ist ein sehr komplexer und langwieriger Prozess. Trotz aller Bemühungen, kann dies nicht immer gleich auf der Intensivstation erfolgen und sollte durch Profis zu Hause weitergeführt werden.
Man unterscheidet zwischen Beatmung mit einer Maske (nicht-invasiv) bzw. einer Kanüle (invasiv). Für die Beatmung über eine Kanüle wird operativ ein Loch angelegt, in welches dann ein starrer Kunststoffschlauch, mit oder ohne abdichtendem Ballon, eingeführt werden kann. Dies ist deutlich komfortabler als der Atemwegszugang über den Mund (Tubus) und erleichtert die Pflege sowie die Entwöhnung vom Beatmungsgerät.
Auf Grund der modernen Intensivmedizin und Technik ist es heutzutage deutlich einfacher ein Leben mit Beatmung UND guter Lebensqualität zu führen. Die Geräte dazu sind kaum größer als eine Handtasche, sind mit einem Akku ausgestattet und verfügen trotzdem über beinahe alle Funktionen eines Beatmungsgerätes auf einer Intensivstation.
Angehörige stehen vor vielen Herausforderungen!
Dennoch fühlen sich Angehörige in dieser Situation oftmals alleine gelassen und sind überfordert. Abgesehen vom menschlichen Schicksal, scheint die Bewerkstelligung der Pflege und Betreuung mit Beatmung ein kaum überwindbares Hindernis zu sein.
Mit einem Auszug der Fragen, die sehr häufig an uns gestellt werden und die die meisten Betroffenen und Angehörigen sehr beschäftigen, versuche ich für Sie hier mit diesem Artikel etwas „Licht ins Dunkel“ zu bringen:
Muss ich mein Haus/meine Wohnung umbauen? Wie muss diese beschaffen sein?
Sie brauchen zu Hause keine Intensivstation!
Ein eigener Raum (mind. 15m²) für die Pflege, ein paar Steckdosen sowie ein paar günstige Kästen oder Abstellflächen sind die Grundvoraussetzung für die Unterbringung eines Betroffenen zu Hause.
Idealerweise ist die Wohnung/das Haus ebenerdig zugängig oder mit einem Aufzug erreichbar. Für mobile KlientInnen ist eine Durchfahrtsbreite bei Türen von 80cm meist ausreichend.
Jeder Fall ist individuell. Daher ist die häusliche Umgebung im Vorfeld immer von einem erfahrenen Fachmann zu begutachten. Dies ist auch ein Merkmal, ob Sie es mit einem professionellen Pflegedienst zu tun haben oder nicht.
Ich kann die Pflege zu Hause nicht (nicht größtenteils) übernehmen!
Das können, sollen und müssen Sie nicht!
Die Pflege von beatmeten Menschen ist eine 24 stündige-Herausforderung. Lassen Sie sich nicht in eine Situation drängen, die Sie nicht wollen. Niemand muss und darf entlassen werden ohne dass ein funktionierendes Unterstützungs- und Pflegekonzept vorliegt.
Die fälschlicherweise 24h-Pflege genannte Personenbetreuung durch meist unqualifizierte und angelernte Hilfskräfte ist KEINE OPTION! Betreuung (Personenbetreuung) ist Hilfe bei Tätigkeiten aber keinesfalls die Übernahme der Pflege eines beatmeten Menschen. Dies ist weder aus fachlicher noch aus rechtlicher Sicht zulässig. Bestehen Sie darauf, dass die Agentur in Österreich anerkannte Diplome (Gesundheits- und Krankenpflege) von den Betreuenden vorlegt. Ich möchte Ihnen keine Illusion machen, dies gibt es in den wenigsten Fällen.
Sie benötigen auf alle Fälle zumindest stundenweise Unterstützung von Intensivpflegepersonal. Die Finanzierung derselben ist ein Rechtsanspruch, den jeder Betroffene hat und sollte Ihnen daher auch nichts kosten.
LASSEN SIE SICH NICHT AUF HALBGARE LÖSUNGEN EIN!
Wo bekomme ich Informationen, Ratschläge und Hilfe bei allen nötigen Schritten?
Welche Behördenwege sind nötig und wie soll ich diese bewerkstelligen?
Ein professioneller Fachpflegedienst kann Ihnen auf die meisten Fragen schlüssige und nachvollziehbare Antworten geben. Meist finden Sie Informationen über den Internetauftritt. Beauftragen Sie einen mit der Pflege von beatmeten Menschen spezialisierten Pflegedienst, machen sie dies ihrem Angehörigen zu Liebe.
Wo kann mein Angehöriger zur Rehabilitation untergebracht werden?
Derzeit (Stand 10/2017) gibt es in Österreich keine Möglichkeit der Rehabilitation für über Kanüle beatmete Betroffene (Kinder und Erwachsene!). Dieser Missstand wurde von mir schon mehrmals aufgezeigt und urgiert. Ab 2020 soll es eine erste Einrichtung für Erwachsene in Österreich geben.
Wer übernimmt die ärztliche und therapeutische Betreuung?
Die Zusammenstellung eines Behandlungsteams für das häusliche Umfeld ist einer der Kernpunkte. Der behandelnde Arzt/Ärztin muss sich der Aufgabe gewachsen fühlen und eine Zusammenarbeit mit der behandelnden Klinik eingehen.
Dasselbe gilt für alle Therapieberufe und die Pflege: Physiotherapie und Logopädie sind wesentlich bei der Betreuung zu Hause. Im Idealfall AtemphysiotherapeutInnen und LogopädInnen mit Erfahrung bei beatmeten Menschen.
Das koordinierte und akkordierte Zusammenspiel PFLEGE-MEDIZIN-THERAPIEBERUFE ist für die häusliche Versorgung bei Heimbeatmung unumgänglich und sollte immer das Ziel sein!
Kann man mit Beatmung in den Urlaub fahren?
JA! Auch mit dem Flugzeug!
Mit einem gewissen Voraufwand und Kenntnissen der „special aviation“ (Sondertransporte im Flugverkehr) ist auch das kein Problem. Wir führten zuletzt eine Flugbegleitung von Salzburg nach Johannesburg (Südafrika) eines beatmungspflichtigen Patienten durch bzw. betreuen auch PatientInnen aus dem Ausland während Ihres Urlaubsaufenthaltes in Österreich. Auch Barrierefreie Hotels im DACH-Raum finden Sie zum Beispiel auf www.holidaysonwheels.com.
Werden auch Kinder und Jugendliche beatmet?
JA, natürlich!
Auch bei unseren Kleinsten kann die Atmung eingeschränkt sein oder ausfallen. Gerade bei der Pflege von Kindern sind eine hervorragende Qualifikation und überdurchschnittliche Kenntnisse in der Intensivpflege erforderlich. Vertrauen Sie keinen Amateuren und fragen Sie das Personal, wie lange es auf einer (Kinder-)Intensivstation gearbeitet hat!
Mindestens ein Viertel der in Österreich Betroffenen sind Kinder und Jugendliche!
Wie erkenne ich einen professionellen Pflegedienst?
Jemand der Ihnen all diese Fragen kompetent und zuverlässig erklären kann und qualifiziertes Fachpersonal (diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger mit Intensivdiplom) statt Personenbetreuer einsetzt. Lassen Sie sich die Qualifikation in der Beatmungspflege von der Einsatzleitung vorlegen.
Personenbetreuung (24h-Pflege (sic!)) ist nicht empfehlenswert, sofern die eingesetzten BetreuerInnen kein in Österreich anerkanntes Pflegediplom vorweisen können – dh. Finger weg!
Letzten Endes: Wer bezahlt die Pflege zu Hause und welches Personal ist dafür geeignet und erforderlich?
Die Pflege von über Kanüle beatmeten Kindern und Erwachsenen zu Hause ist von öffentlicher Hand zu finanzieren. Da es sich um eine doch sehr beträchtliche Summen handelt, versuchen öffentliche Stellen sich aus dieser Verantwortung zu ziehen. Wenn ihr Pflegedienst Ihnen nicht ausreichend Informationen geben kann (was natürlich nicht sein sollte!), wenden Sie sich an die Volksanwaltschaft oder Pflege- bzw. Behindertenanwaltschaft in Ihrem Bundesland.
Für Angehörige wesentlich:
- Ansprechpartner – Übersetzer- Troubleshooter
- Unterstützung bei organisatorischen und finanziellen Belangen
- Interdisziplinäres Team
- Heil und Hilfsmittel
- Umbau zu Hause
- Reha
- Zwerchfellschrittmacher
- Urlaub mit Beatmung
- Rechtsanspruch auf Finanzierung der Pflege zu Hause