Was ist Ko-Kompetenz

8. November 2016 | Bildung | 0 Kommentare

„Sie hat die Kompetenz auf diesem Themengebiet!“, „Das ist alleine sein Kompetenzbereich!“, „Wir werden Sie an ein Kompetenzzentrum überweisen!“. Solchen und ähnlichen Sätzen begegnen wir täglich. Sei es als Kunden oder aber auch dort, wo wir selber mit unserem eigenen Fachwissen mitmischen.

Als Kompetenz generell, bezeichnen wir die Eignung oder die Fähigkeit einer Person. Also das auf der individuellen Ebene verankerte Können. Seitdem wir uns mehr und mehr zu einer Wissens- und Kreativgesellschaft verändern, nehmen auch die Differenzierungen stetig zu. Dabei fällt auf, dass synonym Begriffe wie Befähigung, Eignung oder Intelligenz verwendet werden. Deshalb lohnt es sich ein bisschen in die Literatur zu blicken. Und da wird vor allem eines deutlich: Die Kompetenz als solche gibt es nicht. Die Zeit des IQ als das Maß von Verstand und Können ist vorbei.

Da die Fähigkeiten der Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sind und keine Einigkeit darüber besteht, wie diese zu bestimmen und zu unterscheiden sind, gibt es auch keine allgemeingültige Definition von Fähigkeit und Intelligenz. Fest steht: Es braucht die Differenzierung. Der amerikanische Erziehungswissenschaftler Howard Gardner beispielsweise, unterscheidet in seiner Theorie der multiplen Intelligenzen folgende neun Formen:

• sprachlich
• musikalisch
• logisch-mathematisch
• visuell-räumlich
• körperlich-kinästhetisch
• intrapersonal
• sozial-interpersonal
• naturalistisch
• existenziell-spirituell

Damit ist aber nicht das multitalentierte Genie gemeint. Kaum vorstellbar, dass ein einzelnes Individuum alle neun Begabungen in höchster Ausprägung mitbringt. Auch in der Organisationslehre kennt man den Begriff der „Kompetenz“. Es sind neben den Fähigkeiten damit auch die Rechte und Pflichten der Mitarbeitenden gemeint. Kompetenz als Legitimation bestimmte Handlungen und Aufgaben zu übernehmen. Eine Besonderheit sind in diesem Zusammenhang jene Organisationen, die dementsprechenden rechtlichen Regulativen unterliegen. Dann wird aus der Aufgabe die Vorbehalts-Aufgabe. Jene Tätigkeit, die zu tun, nur ganz bestimmten Berufsgruppen vorbehalten ist.

Die Explosion des Wissens führt dazu, dass Experten vermehrt dazu gezwungen sind, sich auf immer kleinere Fachgebiete zu konzentrieren. Idealerweise orientieren sie sich dabei an ihren Kompetenzen und Fähigkeiten. Das ist wichtig und notwendig. Vor allem aber unvermeidbar. Vertiefung heißt aber auch Verzicht. Verzicht darauf in mehreren Expertenfeldern ganz vorne mit dabei zu sein. Experte zu sein in einem Fachgebiet, bedeutet nämlich in tausenden anderen Bereichen Nicht-Experte zu sein. Wenn wir es also mit einem „Experten für …“ zu tun haben, muss uns bewusst sein, dass wir es gleichzeitig mit einem „NICHT-Experten für …“ zu tun haben. Und das stellt uns zusehends vor ganz besondere Herausforderungen.

Diese Herausforderungen sind per se noch keine Katastrophe. Sie verlangen aber nach zwei Dingen: Die geeigneten Experten zu kennen. Die richtigen Experten zusammenzuführen. Anders formuliert: Je mehr wir uns vertiefen umso mehr bedarf es der Zusammenarbeit. Allein agieren nur mehr die Dummen! Bestimmt haben Sie schon von den Panama-Papers gehört. Die Aufdeckung der kriminellen Machenschaften eines auf Briefkastenfirmen und Steueroasen spezialisierten Finanzberaters mit Sitz in Panama-Stadt. Kennen Sie aber auch ihre Enthüller? Nein? Frederik Obermaier und Bastian Obermayer. In der Redaktion der Süddeutschen Zeitung launig „Gebrüder Obermeier“ genannt. Ihre Enthüllungen haben weltweit eine Debatte über Steuerschlupflöcher, Briefkastenfirmen, Steueroasen, Steuerdelikte und Steuermoral ausgelöst. In Island führten die Enthüllungen sogar zum Rücktritt von Ministerpräsident Gunnlaugsson.

Zusammenarbeit. Allein agieren nur mehr die Dummen!
Bestimmt haben Sie schon von den Panama-Papers gehört. Die Aufdeckung der kriminellen Machenschaften eines auf Briefkastenfirmen und Steueroasen spezialisierten Finanzberaters mit Sitz in Panama-Stadt. Kennen Sie aber auch ihre Enthüller? Nein? Frederik Obermaier und Bastian Obermayer. In der Redaktion der Süddeutschen Zeitung launig „Gebrüder Obermeier“ genannt. Ihre Enthüllungen haben weltweit eine Debatte über Steuerschlupflöcher, Briefkastenfirmen, Steueroasen, Steuerdelikte und Steuermoral ausgelöst. In Island führten die Enthüllungen sogar zum Rücktritt von Ministerpräsident Gunnlaugsson.

Warum Ko-Kompetenz? Ko-Kompetenz ist eine Verknüpfung der Begriffe Kompetenz und Kooperation. Was Kompetenz bedeutet wissen wir. Aber was heißt Kooperation? Sprachlich bedeutet es „Zusammen-Wirkung“. Wunderbar: Es soll das was wir tun also eine Wirkung haben. Eine zielgerichtete Wirkung. Nun! Dies kann einerseits so passieren, dass den Kooperierenden eine steuernde bzw. anweisende Person vorsteht und dafür sorgt, dass die angestrebte Wirkung erzielt wird. Das ist die herkömmliche Form von Kooperation. So wie wir sie auch von Unternehmen kennen.

Was aber, wenn sich der Prozess als enorm dynamisch oder ungewöhnlich komplex darstellt? Wenn aus zwei plötzlich hundert oder vierhundert werden? Was, wenn es gar nicht zu schaffen ist ein konventionelles Management zu organisieren? Was, wenn die Entwicklung zeigt, dass es schneller Reaktionen und laufender Anpassungen bedarf. Was, wenn zwar das Ziel klar aber der Ausgang offen ist?

Dann gilt es Ko-Kompetenz zu entwickeln. Dabei organisieren sich die Kollaborierenden selber. Bilden ein aufgabenspezifisches System um auf schnellem und unkonventionellem Weg zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen. Ko-kompetent Agierende zeichnen sich unter anderem durch folgende Merkmale aus:

• sie konzentrieren sich ungestört auf ihr eigenes Expertenfeld
• sie bringen die eigenen Ergebnisse in ein ko-kompetente System ein
• sie teilen die gewonnenen Erkenntnisse in einem ko-kompetenten System
• sie imaginieren die nächsten Schritte und entscheiden selbststeuernd

Immer öfter finden wir solche Systeme. Weil es notwendig ist. Auf den ersten Blick ist uns oft gar nicht bewusst, dass es sich um ko-kompetente Systeme handelt. Was auffällt ist, dass sie uns begeistern, weil sie in der Lage sind ihr Zusammenwirken zu imaginieren und bei uns den Eindruck hinterlassen, als würden sie sich blind verstehen. Beispiele ko-kompetent agierender Systeme finden sich unter anderem bei erfolgreichen Mannschaften im Spitzensport, bei OP-Teams, bei Seilschaften der Bergrettung oder bei Forschergruppen, um nur einige zu nennen.
Werfen Sie einmal einen kritischen Blick auf Ihre eigene Organisation. Je mehr der folgenden Kriterien zutreffen, umso eher sind Sie gefordert Ko-Kompetenz zu entwickeln. Diese Form der Kollaboration wird vor allem Know-how-getriebene Unternehmen in den nächsten Jahren beschäftigen. Und darauf dürfen wir uns freuen. Als Mitarbeitenden gleichermaßen wie als Unternehmen.

Sechs kritische Fragen führen zu einer guten Einschätzung, ob ein System Ko-Kompetenz braucht:

  1. Ist die Anzahl der notwendigen Experten hoch?
  2. Ist die Unterschiedlichkeit der Expertisen groß?
  3. Ist die zu erledigende Aufgabe komplex?
  4. Ist die Vorhersehbarkeit des Ausgangs gering?
  5. Ist der Synchronisationsbedarf beim Ablauf groß?
  6. Ist die Standardisierbarkeit des Ablaufes gering?

Quellen
Gardner, H. (1991): Intelligence: Multiple Perspectives. Zus. mit Mindy Kornhaber und Warren Wake. Holt, Rinehart and Winston inc., USA
Gardner, H. (2010): Multiple Intelligences. New Horizons. Newcastle upon Tyne, Cambridge Scholars Publishing, USA
Marland, S. P. (1973): Career Education: Off the Drawing Board, USA
Reimann-Höhn, U. (2007): Welche Talente und Begabungen hat Ihr Kind? Herder Verlag, Freiburg, Deutschland
Stern, E.; Neubauer, A. (2013): Intelligenz – Große Unterschiede und ihre Folgen, Deutsche Verlags-Anstalt, München, Deutschland
Zulehner, C. (2016): Her mit Impulsen – Wie neue Bildungsformate zu Ko-Kompetenz führen, Innovator, Nr. 29, Juli 2016, S. 15 – 17
Zulehner, C. (2016): Ko-Kompetenz – Die Zukunft der Zusammenarbeit, Pflege Professionell – Das Fachmagazin, 04-2016, S. 3 – 6
https://panamapapers.sueddeutsche.de

Autor:in

  • Christoph Zulehner

    Speaker und Strategieberater, Autor mehrerer Managementfachbücher, promovierter Wirtschafts- und Sozialwissenschafter, Diplomkaufmann für Betriebswirtschaftslehre in Gesundheitsunternehmen, Gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Management von Gesundheitseinrichtungen, Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger