In der Praxis wird häufig, insbesondere dann, wenn es zu Problemen in der Interaktion zwischen Pflegepersonen und Patientinnen oder Patienten mit einer Mobilitäts- beziehungsweise Migrationserfahrung kommt, auf den klassischen Kulturenbegriff rekurriert (vgl. Tylor, 1871, S. 1) Dieser Begriff diente ursprünglich dazu, sogenannt fremde Völker oder eben Kulturen in den damaligen Kolonien, meist in abgelegenen Dörfern, zu beschreiben (Domenig, 2020c). Doch im Zuge der Migrationsbewegungen wurde dieser Kulturenbegriff für das Gesundheitswesen übernommen, um Verhalten und Wertvorstellungen der eingewanderten Menschen zu erklären, und zwar auf der Basis stereotyper Bilder beziehungsweise von „Kulturenrezepten“. Auch wenn das Klassifizieren von Menschen insbesondere in schwierigen, komplexen Situationen nachvollziehbar ist, bringt es doch nur in einem ersten Schritt vermeintlich Sicherheit. Problematisch wird es dann, wenn diese Zuordnungen nicht hinterfragt und deren Funktion nicht reflektiert wird. In den 1970er-Jahren war es beispielsweise üblich, mobile Menschen bei aus Sicht der Medizin unverständlichem Verhalten wie lautstarker Schmerzausdruck oder auch undefinierbare Schmerzen gar bestimmte Syndrome zuzuschreiben, wie Mittelmeersyndrom, Mamma-mia-Syndrom oder Morbus Bosporus. Noch heute werden solche jeglicher Grundlage entbehrenden, (rassistisch) diskriminierenden Syndrome in der medizinischen Literatur aber auch in der Praxis verwendet (Castañeda, 2012, S. 823).
Anfangs des letzten Jahrhunderts entstanden vor allem in den USA auf der Basis des klassischen Kulturbegriffs die Assimiliationstheorien. Diese gingen davon aus, dass sich die eingewanderten „Fremden“ beziehungsweise „fremden Kulturen“ automatisch über mehrere Generationen hinweg der „Mehrheitskultur“ anpassen würden. Der Blick richtete sich dabei primär auf die eingewanderten „traditionellen Kulturen“, deren Kultur nach einer Phase der Marginalität (marginal man) sich der urbanen, „zivilisierten Kultur“ anpassen beziehungsweise sich mit der „Mehrheitskultur“ vermischen würde (melting pot) (vgl. Park, 1928). Dahinter stand die Angst vor dem das Eigene bedrohenden „Fremden“, das man durch dessen Assimilation überwinden will (Wicker, 2003, S. 12). In den 1960er-Jahren gewinnt dann der Multikulturalismus zunehmend an Bedeutung, ausgelöst durch diverse Bürgerrechtsbewegungen in den USA, die sich für gleiche Rechte von Minoritäten einsetzen. Der Multikulturalismus geht im Unterschied zu den Assimilationstheorien davon aus, bestehende Unterschiede seien nicht zu assimilieren, sondern anzuerkennen. Es entsteht eine Politik der Differenz als Gegenstück zur bisher gültigen Assimiliationspolitik und zwar in dem Sinne, dass nun jeder und jede mit der eigenen, einzigartigen Identität anerkannt werden muss (Taylor, 1994, S.38). Stand die Assimilationspolitik dafür, dass Nichtdiskriminierung bedeutete, Ungleiches gleich zu behandeln, so führt eine Politik der Differenz nun dazu, dass unterschiedliche Behandlungen mit der vorhandenen Differenz begründet werden (Taylor, 1994, S. 39).
Der multikulturelle Diskurs hat seitdem auch in der Praxis Einzug erhalten, jedoch weniger mit dem Ziel, andere „Kulturen“ anzuerkennen, als vielmehr mit der Absicht komplexe Situationen, mit denen Fachpersonen täglich konfrontiert werden, anhand von „Kulturenrezepten“ möglichst zu vereinfachen. Teilweise verbirgt sich dahinter jedoch auch eine Art der Diskriminierung: Indem konkrete Personen fremden Kulturen zugeordnet werden, verschwinden diese hinter einem alles erklärenden Kulturschleier, der somit auch den Blick auf das Subjektive, Persönliche in den Hintergrund rückt.
Viele der migrationsspezifischen Weiterbildungen stützen sich nach wie vor auf einen kulturenzentrierten Ansatz ab, vielleicht auch, weil dieser einfacher zu vermitteln ist als selbstreflexive Ansätze, die primär beim Eigenen und weniger beim Fremden ansetzen. Kulturenzentrierte Ansätze versprechen denn auch Fachpersonen, die Welt der Fremden genauso wie vor über hundert Jahren in den Kolonien zu erklären, dadurch verständlich zu machen und Verunsicherungen somit entgegenzuwirken. Doch spätestens in der Praxis wird dann klar, dass all diese „Kulturenrezepte“ nicht wirklich helfen, eine gelingende Interaktion zu anderen, verschiedenen Menschen herzustellen.
Von fremden Kulturen zu komplexen, transnationalen Identitäten
Nachdem auch in der Pflege der Umgang mit eingewanderten, „fremden Kulturen“ debattiert wird, verschwindet mit der Befreiung der Kolonien in den 1960er-Jahren das dortige Forschungsobjekt der Sozialanthropologie. Die ehemals so intensiv Beforschten wollen nun selber über sich sprechen und forschen. Die Welt hat sich verändert, wie auch James Clifford feststellt; sie sei mehrdeutig und mehrstimmig geworden, was es nicht mehr zulasse, menschliche Diversität in gebundene, voneinander unabhängige Kulturen einzugravieren (Clifford, 1986).
Es geht jetzt also nicht mehr darum, „fremde Kulturen“ aus sozusagen wissenschaftlicher Distanz zu erklären, sondern um das Verstehen der Anderen, der Fremden. Kultur wird somit nicht mehr als etwas Fixes, Statisches beschrieben, sondern vielmehr als ein Prozess, der stetigen Veränderungen durch Begegnungen mit anderen Menschen unterworfen ist. Ulf Hannerz spricht in diesem Zusammenhang von kultureller Komplexität, die sich unter anderem dadurch manifestiere, dass Individuen in einem kumulativen und interaktiven Prozess sich einander Hinweise darüber geben, wer sie sind, wie ihr Umfeld aussieht, was ihre Lebensziele sind usw. Dadurch würden sie sich und ihrem Leben Bedeutung geben und werde der kulturelle Fluss kanalisiert aber auch produziert (Hannerz, 1992, S. 14). Arjun Appadurai geht noch einen Schritt weiter, in dem für ihn Kultur letztlich nur eine Dimension eines Phänomens oder ein heuristisches Mittel ist. Werde Kultur hingegen substanzialisiert, dann würden andere Menschen dadurch marginalisiert und dominiert – gleich wie beim Rassenbegriff, den man durch den Kulturbegriff eigentlich überwinden wollte. Erst in einem vom Individuum losgelösten Kulturbegriff könne man über Differenz diskutieren (Appadurai, 2005 [1996], S. 12).
In den 1990er-Jahren wird die Multikulturalismusdebatte zunehmend durch die Migrationsdebatte abgelöst. Globalisierung und damit verknüpft transnationale Migrationsbewegungen, die sich nicht nur in eine Richtung, sondern auch zirkulär bewegen, machen neuen theoretischen Konzepten Platz. Das Konzept der „fremden, statischen Kulturen“ wird durch die Existenz von dynamischen transnationalen Gemeinschaften in Frage gestellt. Die Push-und-Pull-Theorie, die den Migranten als leicht manövrierbare Masse für die Wirtschaft konzipierte, wird durch einen weit dynamischeren Ansatz abgelöst, der Migration als kollektive und selbstbestimmte Entscheidung von Gemeinschaften beziehungsweise Familien verortet (Castles, 2002, S. 1145). Ging man früher davon aus, dass jegliche Verbindungen zur Ursprungsgemeinschaft gekappt wurden und somit eine Assimilation auf Dauer unausweichlich war, sieht man jetzt ein, dass dem nicht so ist, sondern stattdessen transnationale Netzwerke weiter gepflegt werden. Die hohe Mobilität, zyklische Migration und Migration auf Zeit, neue Kommunikationstechnologien, all dies stelle die Idee, dass eine Person nur zu einem Nationalstaat gehöre beziehungsweise nur von einem in einen anderen Nationalstaat migriere, in Frage (Castles, 2002, S. 1157).
Heute dreht sich die Debatte in den Sozialwissenschaften also nicht mehr um „fremde Kulturen“, sondern um transnationale Identitäten und Gemeinschaften, die sich nicht mehr an einem festen Territorium eines Nationalstaates orientieren, sondern sich grenzüberschreitend verorten. Castles betont, dass transnationale Identitäten komplex und auch widersprüchlich seien. Dabei hätten die einen eine kosmopolitische Identität und fühlten sich überall zu Hause, andere lebten in über die ganze Welt zerstreuten staatsähnlichen Gemeinschaften, mit dem Ziel ihr Heimatland politisch zu verändern, wiederum andere lebten irgendwo dazwischen (Castles, 2002, S. 1158).
Die Welt hat sich also verändert, sie ist vernetzter, globaler, schnelllebiger geworden. Dies wirkt sich auf Identitäten aus, deren Zugehörigkeiten durchlässiger, flexibler und komplexer geworden sind. Durch die massive Erweiterung von weltweiten Kontaktmöglichkeiten in rasant ausgebauten Netzwerken beziehungsweise Sozialen Medien verändern sich Bedeutungsgebungen weit rascher und weniger nachhaltig als noch anfangs des letzten Jahrhunderts.
Intersektionale Zugehörigkeiten
Menschen können sich zu unterschiedlichen Gruppen zugehörig fühlen; zu welcher Gruppe sich eine Person zugehörig fühlt, entscheidet diese letztlich selbst. In dem Sinne sind Zugehörigkeiten (belonging) selbstbestimmte, dynamische Prozesse. Soziale Verortungen sind komplex, da diese meist intersektional beziehungsweise entlang multipler Axen von Differenz konstruiert werden (Yuval-Davis, 2006, S. 200). Kultur, Ethnie oder schlicht Ursprung können dabei Grund für Diskriminierungen, für Ausgrenzung und Ausschluss sein und sind daher auch weiterhin von gesellschaftlicher Relevanz. Doch wann dieser oder auch andere Faktoren wie Gender, Alter, sexuelle Orientierung, Behinderung usw. zu Diskriminierungen Anlass geben, ist vom jeweiligen Kontext abhängig. Floya Anthias spricht in diesem Zusammenhang bewusst von Prozessen und nicht von individuellen Charakteristiken. Differenzen können also im Rahmen von Grenzziehungsprozessen und Hierarchien im sozialen Leben zu sozialer Ungleichheit führen. Anthias plädiert für einen translokalen Ansatz, der das Individuum in multiplen, zersplitterten und zusammenhängenden sozialen Räumen unterschiedlicher (auch transnationaler) Formen lokalisiert, um eine Fixierung sozialer Positionen zu vermeiden. Eine Frau kann beispielsweise gleichzeitig oder zu verschiedenen Zeiten oder in unterschiedlichen Räumen in einer dominanten und/oder einer untergeordneten Position sein. Und ein Migrant, der in sein Ursprungsland zurückkehrt, kann aufgrund des im Vergleich zu den Dorfbewohnerinnen und -bewohnern erreichten Wohlstands Klassenvorteile erhalten (Anthias, 2013, S. 131 f.). Die Welt ist also komplex geworden und somit auch die Menschen, denen wir im Gesundheits- und Sozialwesen begegnen.
Transkulturelle Kompetenz
Der Begriff «Transkulturellen Kompetenz» hat sich in der Schweiz und auch darüber hinaus einerseits breit durchgesetzt, andererseits wurden wichtige Zielsetzungen dieses Konzepts (Domenig, 2007) verpasst. So wird dieses nicht generell angewandt, sondern nur für die spezifische Zielgruppe der als «problematisch» bezeichneten Menschen mit einer Migrationserfahrung. Dazu hat auch die Forderung nach einer spezifischen Kompetenz mit dazu beigetragen, da die Nennung einer besonderen Kompetenz impliziert, dass diese nur in spezifischen Kontexten sozusagen additiv zu anderen Kompetenzen anzuwenden sei. Und hier liegt eben auch die Ambivalenz, denn einerseits brauchte es diese Spezialisierung und explizite Nennung, um auf eine besondere Problematik hinzuweisen, andererseits ist dadurch auch die Stereotypisierung von Menschen mit einer Migrationserfahrung gefördert worden, die eigentlich mit dem trans-kulturellen (über das Kulturelle hinausgehende) Konzept überwunden werden sollte. Denn nach wie vor wird in Weiterbildungssequenzen der eigentliche Kern der transkulturellen Kompetenz, nämlich die Förderung der Selbstreflexion, des Perspektivenwechsel sowie der Empathie fürs Anderssein, durch Anleitungen im Umgang mit sogenannt fremden Kulturen ersetzt. Gerade kurze, eintägige Weiterbildungen oder Unterrichtseinheiten von ein paar Stunden tun sich meist schwer damit, reflexive Denkräume für neue Sichtweisen zu schaffen und können somit kaum Haltungs- und Verhaltensänderungen anstossen.
Menschen mit einer Migrationserfahrung standen in den letzten Jahren und stehen nach wie vor im Fokus von Gesundheitsorganisationen, wenn es um eine faire, gerechte und angemessene Versorgung geht. Doch viele der mit diesen Menschen verbundenen Versorgungsproblematiken treffen auch auf andere Personen zu. So haben auch Menschen mit einer Behinderung Zugangsprobleme zu den Angeboten des Gesundheitsbereichs und sind Fachpersonen im Gesundheitswesen auch mit diesen Menschen oft überfordert, insbesondere wenn diese eine kognitive Beeinträchtigung aufweisen und/oder keiner Lautsprache mächtig sind. Zudem sind mobile Menschen nicht nur migriert oder Nachkommen von migrierten Personen, sondern manchmal zusätzlich auch behindert, homosexuell, alt usw. Es gibt somit unterschiedliche Faktoren, Dimensionen oder Kategorien, die das Risiko für eine Diskriminierung im Gesundheitsbereich erhöhen. Das Zusammenspiel dieser verschiedenen Kategorien ist dabei komplex, deren Schnittmengen bringen neue, intersektionale Formen von Diskriminierungen hervor (Crenshaw, 1989). Aus diesem Grunde schlage ich vor, das Konzept der transkulturellen Kompetenz um die transkategoriale Dimension zu erweitern und damit weitere Kategorien, die eine gelingende Interaktion zwischen Pflegefachpersonen sowie Patientinnen und Patienten behindern, in das Konzept miteinzubeziehen.
Transkategoriale Kompetenz
Als Grundlage für das Konzept der transkategorialen Kompetenz dient der Analyserahmen der Intersektionalität, der die Schnittmengen unterschiedlicher Kategorien von Diskriminierungen analysiert. Denn neben der Mobilitäts- oder Migrationserfahrung können auch noch ganz andere Kategorien, wie Behinderung, Gender, sexuelle Orientierung, Alter usw. sowie deren Kombination, in der Pflege eine zentrale Rolle spielen. Eigentlich ist die Transkategorialität im Kern bereits in der Transkulturalität enthalten, da auch diese nicht auf Kulturen sondern darüber hinaus verweist, nämlich auf das Individuum in all seinen Facetten; doch das Wörtchen „kulturell“ fördert (unbeabsichtigt) den kulturenzentrierten Fokus.
Transkategorialität verlangt, dass mobile Menschen nicht auf die Kategorie Migration reduziert werden, sondern andere – allenfalls in einer bestimmten Situation weit relevantere – intersektional wirkende Kategorien mitberücksichtigt werden. Transkategoriale Kompetenz stellt somit nicht Kulturen ins Zentrum, sondern die Interaktion zwischen Fachpersonen und komplexen Identitäten, deren Lebenswelten und Biografien unterschiedliche Aspekte aufweisen, von denen der Ursprung nur ein Aspekt unter vielen ist. Im Kern besteht die transkategoriale Kompetenz aus einer Interaktionskompetenz in den unterschiedlichsten Kontexten einer pluralisierten Gesellschaft. Dabei stützt sich diese Interaktionsfähigkeit (wie bei der transkulturellen Kompetenz) auf drei Pfeiler: Selbstreflexion, Hintergrundwissen und Erfahrung sowie narrative Empathie (Domenig, 2020a)
Doch wie kann transkategoriale Kompetenz in der Lehre und Praxis vermittelt werden, handelt es sich doch nichtsdestotrotz auch hier um ein komplexes Konzept? In der Lehre könnten beispielsweise Fallbeispiele mit Menschen mit komplexen Identitäten (behinderte, suchtkranke, mobile, alte, homosexuelle Menschen usw.) transversal einfliessen, statt das Thema „Pflege von Menschen mit einer Migrationserfahrung“ additiv im Curriculum losgelöst von allem anderen anzusiedeln. Dadurch wird transkategoriale Kompetenz immer wieder im „normalen“ Unterricht zum Thema gemacht. Weiter sollten Unterrichtsthemen aus verschiedenen Perspektiven bearbeitet werden. Bei vielen Themen, wie beispielsweise Schmerz, Sterben, Einbezug der Familie, Kommunikation usw., können Verhaltens- und Ausdrucksvarianten aufgezeigt werden, was die Affinität für Variabilitäten erhöht. Ebenso sollte das Thema Migration nicht entlang sogenannter kultureller Unterschiede, sondern über soziale Ungleichheiten, Rassismus, Vorurteile, Flucht- und Traumaerfahrungen, aufenthaltsrechtliche Bestimmungen usw. bearbeitet werden. Medizinanthropologische Konzepte (Domenig, 2020b) sollten auch nicht ausschliesslich am Beispiel von Menschen mit einer Migrationserfahrung vermittelt werden, da wir alle auch durch sogenannte Laienkonzepte im Umgang mit Erkrankungen geleitet werden. Methodisch hat es sich bewährt, zuerst die eigenen Verhaltensweisen und Wertvorstellungen hinsichtlich einer Thematik zu thematisieren, bevor man die Variabilität thematisiert. Dies aufgrund der Tatsache, dass ich Perspektivenänderungen erst dann vornehmen kann, wenn ich mir über mich selbst bewusster bin. Doch auch im Pflegealltag kann an stereotypisierenden Haltungen von Pflegenden gearbeitet werden. Hilfreich ist es in komplexen Situationen, sich zu fragen, was sind meine Bilder im Kopf und was sind überprüfte, anamnestisch erhobene Tatsachen. Der Fokus auf Gemeinsamkeiten kann weiter Gefühle des Fremdseins helfen zu überwinden, indem ich mich in der Praxis zuerst frage, was teile ich mit einer Patientin, einem Patienten (Frau-/Mannsein, Mutter-/Vatersein, beruflicher/ausbildungsmässiger Hintergrund, sexuelle Orientierung, Hobbies, bevorzugter Fussballklub usw.). Methodisch sind in der Praxis neben Weiterbildungen Fallsuper-/intervisionen besonders geeignet.
Bei allem darf jedoch nicht vergessen werden, dass letztlich die Patientinnen und Patienten die besten Expertinnen und Experten. Sie können uns erzählen, wie sie sich in der momentanen Situation selbst verorten, wie sie ihre gegenwärtige Krise oder Erkrankung erfahren, aber auch welche Behandlung und Pflege aus ihrer Sicht die geeignete wäre. Eine gelingende Interaktion ist jedoch nur dann möglich, wenn sich Pflegefachpersonen nicht auf eine professionelle Distanz zurückziehen und damit die für die Pflege wichtigen Erzählungen beziehungsweise Narrationen verunmöglichen, sondern sich auch auf Beziehungsangebote einlassen, die ihnen auf den ersten Blick ungewohnt oder eben fremd erscheinen.
Fußnote
[1] Der folgende Text beruht auf überarbeiteten Zusammenfassungen der Kapitel „Von fremden Kulturen zu komplexen Identitäten“ sowie „Das Konzept der transkategorialen Kompetenz“ des Lehrbuchs: „Transkulturelle und transkategoriale Kompetenz. Lehrbuch zum Umgang mit Vielfalt, Verschiedenheit und Diversity für Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe.“ (Domenig, 2020d).
Literatur
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Appadurai, A. (2005 [1996]). Modernity at Large. Cultural Dimensions of Globalization. Minneapolis and London: University of Minnesota Press.
Castañeda, H. (2012). “Over-Foreignization” or “Unused Potential”? A critical review of migrant health in Germany and responses toward unauthorized migration. Social Science & Medicine, 74(6), 830–838.
Castles, S. (2002). Migration and community formation under conditions of globalization. International Migration Review, 36(4), 1143–1168.
Clifford, J. (1986). On ethnographic allegory. Writing culture: The poetics and politics of ethnography, 98–121.
Crenshaw, K. (1989). Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist Politics. The University of Chicago Legal Forum, 1989(139), 139–167.
Domenig, D. (2007). Das Konzept der transkulturellen Kompetenz. In D. Domenig (Hrsg.), Transkulturelle Kompetenz. Lehrbuch für Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage (S. 165–189). Bern: Hans Huber.
Domenig, D. (2020a). Das Konzept der transkategorialen Kompetenz. In D. Domenig (Hrsg.), Transkulturelle und transkategoriale Kompetenz. Lehrbuch zum Umgang mit Vielfalt, Verschiedenheit und Diversity für Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe (im Druck). Bern: Hogrefe.
Domenig, D. (2020b). Medizinanthropologische Konzepte. In D. Domenig (Hrsg.), Transkulturelle und transkategoriale Kompetenz. Lehrbuch zum Umgang mit Vielfalt, Verschiedenheit und Diversity für Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe (im Druck). Bern: Hogrefe.
Domenig, D. (2020c). Von fremden Kulturen zu komplexen Identitäten. In D. Domenig (Hrsg.), Transkulturelle und transkategoriale Kompetenz. Lehrbuch zum Umgang mit Vielfalt, Verschiedenheit und Diversity für Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe (im Druck). Bern: Hogrefe.
Domenig, D. (Hrsg.) (2020d). Transkulturelle und transkategoriale Kompetenz. Lehrbuch zum Umgang mit Vielfalt, Verschiedenheit und Diversity für Pflege-, Gesundheits- und Sozialberufe. Bern: Hogrefe (im Druck).
Hannerz, U. (1992). Cultural complexity: Studies in the social organization of meaning: Columbia University Press.
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Wicker, H.-R. (2003). Einleitung : Migration, Migrationspolitik und Migrationsforschung. In H.-R. Wicker, R. Fibbi, & W. Haug (Hrsg.), Migration und die Schweiz : Ergebnisse des Nationalen Forschungsprogramms „Migration und interkulturelle Beziehungen“ (S. 2–62). Zürich: Seismo.
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