„Der einzige Weg, großartige Arbeit zu leisten, ist zu lieben, was man tut.“ – Steve Jobs
Was macht einen Menschen erfolgreich und den anderen nicht? Eine Frage die uns Menschen seit Ewigkeiten beschäftigt. Während der einen Person der Erfolg nur so zufliegt, arbeitet sich eine andere krumm und buckelig, ohne dass sie zu einem positiven Ergebnis kommt. Auf den ersten Blick könnte man diese Frage mit dem Wort „Glück“ oder „Schicksal“ beantworten, doch das ist in Wirklichkeit nur ein trügerischer Schluss. Erfolg bedeutet Visionen zu haben, nicht mit dem Zustand „JETZT“ zufrieden zu sein. Der eigene Tellerrand ist nicht die Grenze, denn mit dem Bestehenden sich gesättigt zu fühlen bedeutet persönlicher Stillstand. VisionärInnen wirken oft ruhelos und die Grenze zwischen der Umsetzung der eigenen Visionen und den Windmühlen Don Quixotes ist nur ein hauchdünner Grat. Wird die Getriebenheit zu einem Diktat folgt Verbitterung und Negativität. Der Leitspruch „Der Himmel ist das Limit“, obwohl es dahinter noch ein ganzes Universum gibt, ist die Motivationshymne der Glücksuchenden. Tag für Tag überlegt sich die Spezies „Glücksritter“, was sie verändern muss um erfolgreich zu sein. Viele nehmen für dieses Ziel harte Arbeit bis an die absolute Leistungsgrenze in Kauf. Trotzdem bleibt der erwünschte Erfolg aus.
Doch mit etwas aufstrebend zu sein bedeutet nicht den Erfolg als oberste Prämisse zu setzen. Einen persönlichen Durchbruch erzielt man damit, etwas zu tun das man liebt. Die innerliche Passion zu einem bestimmten Thema, lässt uns Dinge sehen, die für andere verborgen bleiben.
„Vision ist die Kunst, Unsichtbares zu sehen.“ – Jonathan Swift
Ein Thema des Herzens ist nicht von materiellen Werten beeinflusst. Es geht um den Inhalt der Idee und nicht um deren materiellen Nebenwirkungen. Liebt man ein Thema, bzw. führt man eine Tätigkeit mit Liebe aus, so öffnen sich Türen, wo es für andere nur kahle Steinwände gibt. Die innere Befriedigung bewegt uns fast unaufhörlich in eine Richtung und trotzdem fühlt sich alles so einfach und fließend an. Irgendwann kommt es dann auch zu einer angemessenen materiellen Vergütung, wenn dies nicht von der Person ausgeschlossen wird. Doch genau in diesem Moment scheint es nicht mehr so wichtig.
Sie fragen sich jetzt vielleicht, warum dieses Thema in einer Pflegezeitschrift veröffentlicht wird. In der pflegenden Profession geht es schließlich um „Hilfe für Hilfsbedürftige“ oder um „den Arbeitsweg in die Pension“ und nicht um Erfolg und Reichtum. Doch gerade der Berufsstand der Pflege ist voller VisionärInnen. Glauben Sie wirklich, dass sich Florence Nightingale, erst über ihre Pension Gedanken gemacht hat, bevor sie mit dem Sanitätswesen und der Gesundheitsfürsorge beschäftigt war?
„Wenn man mit Flügel geboren wird, sollte man alles dazu tun, sie zum Fliegen zu benutzen.“ – Florence Nightingale.
Auch Hildegard von Bingen kalkulierte im Vorfeld nicht die Gewinne ihrer sogenannten „Hildegard-Medizin“. Ihr Spruch „Was immer ich beginne, ich halte es durch, bleibe beharrlich und treu.“, zeugte davon, dass sie ihrem eigenen Weg mit den persönlichen Werten treu und ergeben war. Sie folgte ihrem Herzen. Doch wir müssen gar nicht so weit in die Vergangenheit, um visionäre Personen aus der Pflege zu finden. Auch die Gegenwart bietet uns Exempel, die beharrlich und mit einer klaren Sicht auf das Wesentliche in ihrem Fachgebiet des Herzens erfolgreich sind. Es sind Menschen die viel zu erzählen haben und die auch nach Jahrzehnten der Mühe keineswegs müde wirken. Erfolgreich etwas für andere bewegen, damit wir ALLE etwas davon haben. Einige von ihnen nahmen sich die Zeit uns über Ihre Visionen zu erzählen:
Dr. Sr. Liliane Juchli
Was waren ihre Visionen, als sie mit der Krankenpflege begonnen haben?
Meine Visionen und Träume reichen bis weit in die frühe Kindheit zurück. Ich habe schon sehr früh sehr viel gelesen. Vor allem Erzählungen über Menschen, die ihr Leben für etwas Grosses und Wichtiges einsetzten, so auch über den hl. Franziskus von Assisi. Tief beeindruckt hat mich die Geschichte in der erzählt wird, wie er einen Leprakranken, für den niemand sorgte, liebevoll pflegte. Ich las über Menschen, die als Missionare ihr Leben den Ärmsten widmeten. „Das will ich auch“ war die Entscheidung der Neunjährigen. Ich wuchs heran, ohne diesen Wunsch zu verlieren. So lernte ich den Beruf der Krankenpflege, weil so dachte ich, dieser Beruf die beste Grundlage ist, um den Menschen zu helfen. Diese Spur habe ich nie verloren; aus der Faszination „den Menschen helfen“ entwickelte sich zusätzlich die Faszination, die Freude am sinnvollen Tun und das Interesse für die Pflege als Beruf.
Wie sehen Sie diese Visionen im Nachhinein?
Was beim Kind und später bei der Jugendlichen grundgelegt worden ist, hat sich weiterentwickelt; nicht so, wie ich es mir damals vorgestellt habe – als Einsatz in einem fernen Land – sondern hier in Europa im Mitarbeiten in der Entwicklung der Pflege als Beruf. Das als Schülerin gesammelte Wissen und die zunehmende Erfahrung in der Pflegepraxis und schliesslich in der Ausbildung von jungen Pflegenden hat meinem Leben eine Richtung gegeben, die ich mit Freude als nachhaltig bezeichnen darf. Mein Name, so denke ich oft, steht für das, was ich als professionelle Pflege verstehe, die der Würde des Menschen verpflichtet ist und sich dafür einsetzt, auch dort, wo es unbequem ist.
Welche Visionen/Träume haben sie jetzt…
Pflege ist und bleibt mein Herzensanliegen. Ich freue mich, wenn ich an Fachtagungen immer wieder erfahren darf, dass die jungen Menschen, die heute den Pflegeberuf lernen, nach wie vor motiviert sind, gut zu pflegen , das heißt, so zu pflegen, wie es ihrer Grundmotivation und ihrer Professionalität entspricht. Tatsache aber ist, dass Bedingungen unter denen sie pflegen müssen, diesem Anspruch und Wunsch oftmals diametral entgegen stehen. Die Pflege als eigenständiger Beruf steht vor grossen Herausforderungen. Die Pflege, Betreuung und Begleitung bei Krankheit und im Alter ist und bleibt eine Aufgabe nicht nur der Pflegenden, sondern ist Verantwortung auch von Politik und Wirtschaft, das heißt der Gesellschaft als Ganzem.
Ich träume von einer Pflege, die im Dienst der Gesundheit und der Sorge für den kranken Menschen stehen kann, und nicht zu einer Ware verkommt die pflichtschuldig abgegolten werden und rentieren muss, die statt dessen Wertschätzung und Anerkennung bekommt.
Und : ich träume von Pflegenden, deren Berufsfreude und Berufsstolz Leben und Zukunft schaffen.
Dr. Edith Kellnhauser, RN, BA, MSEd Prof.
Was waren ihre Visionen, als sie mit der Krankenpflege begonnen haben? Was ist aus diesen Visionen geworden?
Als ich 1986 nach zirka 25 Jahren pflegeberuflicher Tätigkeit im Ausland (England 2 Jahre, Ägypten 3 Jahre, USA 20 Jahre – siehe Autobiografie im Anhang) wieder nach Deutschland zurück kam, hatte ich große Erwartungen bezüglich beruflicher Entwicklungen in diesem Land während meiner Abwesenheit. Die Enttäuschung war herb. In der deutschen Pflege hatte sich nichts verändert.
Nach Beginn der pflegerischen Akademisierung 1992, an der ich als Gründungsdekanin für Pflegewissenschaft und Pflegemanagement an der Katholischen Hochschule in Mainz tätig war, und der Etablierung der ersten Pflegekammer in Deutschland im Bundesland Rheinland-Pfalz durch die Gesetzgebung der Landesregierung am 17.12.2014, wobei ich mitwirkte und weiterhin aktiv bin, sehe ich der pflegeberuflichen Entwicklung hierzulande zuversichtlich entgegen.
Welche Vision haben sie zurzeit?
Zum einen sehe ich die zunehmende Akademisierung der Pflege hierzulande als sehr positiv für die berufliche Entwicklung des Berufsstandes. Durch ein Studium erwerben sich die einzelnen eine beachtliche Anhebung ihres Bildungsniveaus und dadurch ein gesundes berufliches Selbstbewusstsein. Damit verfügen sie im Gegensatz zu früher über das intellektuelle und persönliche Rüstzeug ihre beruflichen Kompetenzen zu erweitern und zu vertiefen und in den heute diversen Tätigkeitsfeldern zu demonstrieren. Dadurch wird sich die Außenwirkung der Pflege verändern und der Berufsstand als Ganzes an Ansehen in der Bevölkerung gewinnen.
Zum anderen stimmt mich die nach 20-jährigen ergebnislosen Versuchen diesjährige Gründung der ersten deutschen Pflegekammer zuversichtlich. Eine Pflegekammer ist das Symbol pflegerischen Selbstbewusstseins und beruflicher Selbständigkeit. Dieses auf gesetzlicher Basis fungierende und von berufseigenen Personen geleitete Selbstverwaltungsorgan reguliert den Berufsstand und ist bemüht eine sachgerechte qualitativ hochstehende pflegerische Versorgung für die Bevölkerung zu gewährleisten. Erstmals werden berufliche Angelegenheiten von berufseigenen Akteuren geregelt und somit der Beruf nicht länger fremdbestimmt.
Dies ist der Anfang beruflicher Selbständigkeit in einem Bundesland. Andere Bundesländer sind dabei diesem Vorbild zu folgen. Diese Entwicklung gibt Anlass zur Hoffnung, dass Deutschland in einigen Jahren den internationalen Anschluss bezüglich beruflicher Selbstverwaltung gewinnen wird.
Univ.-Prof. Dr. Christa Them
Welche Visionen/Träume hatten Sie für die Pflege, als Sie vor Jahren mit ihrer Arbeit begonnen haben.
Um ganz ehrlich zu sein, ganz zu Beginn meiner Ausbildungszeit hatte ich keine Visionen zum Pflegeberuf, jedoch den Traum, die Pflegeausbildung erfolgreich zu absolvieren, um eventuell in der Pflege Karriere machen zu können. Eigentlich wollte ich nach der Matura Mittelschulprofessorin in den Fächern Latein und Italienisch werden und kam eher durch Zufall zum Pflegeberuf. Eine Bekannte meiner Mutter, die selbst diplomierte Krankenschwester war, machte mir diesen Beruf „schmackhaft“, allerdings sehr zum Leidwesen meines Vaters. Er konnte damals (Ende der 70er Jahre) nicht verstehen, weshalb ich als Maturantin einen Beruf erlernen wollte, für den die Matura als Berufsvoraussetzung nicht zwingend notwendig war. Um meinen Vater zu besänftigen, war ich bestrebt, eine Krankenpflegeschule in Österreich ausfindig zu machen, welche die „Matura“ als Eintrittskriterium sehr wohl vorsah. Die einzige Krankenpflegeschule mit diesen Voraussetzungen in ganz Österreich war damals jene des Rudolfinerhauses in Wien.
Vom ersten Tag meiner Ausbildung fühlte ich mich im richtigen Beruf angekommen. Da das Unterrichtsfach „Pflegewissenschaft“ bereits Ende der 70er Jahre, obwohl gesetzlich nicht vorgesehen, im Lehrplan der Krankenpflegeschule des Rudolfinerhauses verankert war und unsere Pflegelehrerin Frau Dr. Ilsemarie Walter einen ausgezeichneten Vortrag hatte, wurde bereits damals mein Interesse an pflegewissenschaftlichem Arbeiten geweckt. Es gelang ihr, den Auszubildenden, zu einer Zeit als in Österreich die Pflegewissenschaft noch weitgehend unbekannt war, die Notwendigkeit dieser Disziplin und die Vernetzung mit der Pflegepraxis aufzuzeigen. Vertieft wurde unser theoretisch erlerntes Wissen, indem wir bereits im zweiten Ausbildungsjahr ein pflegewissenschaftliches Forschungsprojekt im Praxisalltag durchführen durften.
Wie sehen Sie diese Visionen/Träume jetzt im Nachhinein? (Bzw. was ist aus diesen geworden)
Wie bereits gesagt, meine Visionen und Träume rund um den Pflegeberuf kamen erst nach und nach mit zunehmender beruflicher Erfahrung. Von Beginn an aber war für mich immer klar, dass dem Pflegeberuf ohne pflegewissenschaftliche Erkenntnisse Grundlegendes fehlen würde. Erfahrungswissen alleine schien mir immer zu wenig zu sein. Mit zunehmender Berufserfahrung wurde mir mehr und mehr bewusst, dass die Pflegewissenschaft eine grundlegende Säule des Pflegeberufs darstellt und sich diese an den Bedürfnissen der Menschen und sowie der Gesellschaft als Ganzes orientieren muss.
Dass die Etablierung der Disziplin der Pflegewissenschaft in Österreich über dreißig Jahre dauern würde, davon war ich zu Beginn meiner beruflichen Anfänge wahrlich nicht ausgegangen. Aber wie heißt es so schön: „Gut Ding braucht eben Weile“. Heute ist, nicht zuletzt durch die Zunahme der Komplexität der Anforderungen an den Pflegeberuf sowohl aus gesundheitspolitischer als auch berufspolitischer Sicht unbestritten, dass der Pflegeberuf einer wissenschaftlichen Fundierung bedarf, um die bestmögliche Versorgungsqualität für die Patient/inn/en und Klient/inn/en bieten zu können.
Welche Visionen/Träume haben Sie jetzt?
Nach bislang mehr als über 37 Jahren im Pflegeberuf ist mein vornehmliches Interesse, den Pflegeberuf für die nachkommende Generation attraktiv und herausfordernd zu gestalten. Wesentlich hierbei ist die zeitnahe Überführung der Pflegeausbildung in den Hochschulbereich, zumal die Pflegeausbildung international auf Hochschulniveau die Regel darstellt. Von gleichrangiger Bedeutung ist für mich, genügend pflegewissenschaftlichen Nachwuchs für Universitäten rekrutieren zu können, da ohne kompetente Wissenschaftler/innen weder adäquate Hochschulausbildungen noch pflegewissenschaftliche Studien durchführbar sind. Zuletzt ist mir noch die gesetzliche Verabschiedung der seit vielen Jahren diskutierten Kompetenzerweiterungen für Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege bis hin zur Etablierung neuer Berufsbilder, wie ANP-Nurses, Community Health Nurses etc. ein großes Anliegen. Ganz wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass Kompetenzerweiterungen und neue Berufsbilder, nicht wie von manchen Kritikern gelegentlich befürchtet, berufsständischen Selbstzwecken dienen, sondern vielmehr die Basis für eine neue Form einer integrativen Zusammenarbeit aller Health Professionals zum Wohle der Patient/inn/en darstellen sollen.
Vielleicht hat sie der eine oder andere Gedanke beflügelt.
Möglicherweise haben sie schon lange ihre eigenen Visionen und haben einfach noch nicht angefangen, einen entsprechenden Umsetzungsplan zu starten. Dann machen sie doch den morgigen Sonnenaufgang zu „dem Morgen, an dem alles begann…“ Das ist nicht so einfach meinen sie? Sie haben Verpflichtungen, denen sie nachkommen müssen und bewegen sich deswegen zwangshalber im Hamsterrad? Die Pflege hat strikte Hierarchien, in denen innovatives Denken nicht so einfach umgesetzt werden kann? Wer behauptet denn, dass sie in diesen Strukturen bleiben müssen?
Wir stellen Ihnen nun zwei Personen vor, die eines Tages den Entschluss gefasst haben, aus diesem hierarchischem Geflecht einfach auszusteigen, um ihre eigene Reise zu beginnen.
Alice: Würdest Du mir bitte sagen, wie ich von hier aus weitergehen soll?
Katze: Das hängt sehr davon ab, wo Du hinwillst.
Alice: Wohin ich komme, ist nicht so wichtig.
Katze: Dann ist es auch gleich, wie Du gehst.
Alice: … solange ich nur irgendwo hinkomme.
Katze: Irgendwohin kommst Du sicher.Aus: Caroll, L. (2013): Alice in Wonderland/Alice im Wunderland. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH&Co.KG. München. S. 92/93.
Svetlana Geyrhofer, BA
Am Anfang war die Idee …. Nein, so hat es nicht begonnen, meine Selbständigkeit. Vielmehr trat die Selbständigkeit ganz überraschend in mein Leben, frei nach dem Motto „unverhofft kommt oft“. Ich erfuhr durch Zufall, dass sich die Organisatoren der Weiterbildung Schmerzmanagement, die ich 2008 absolvierte, zur Ruhe setzen wollten und es keine Nachfolger gibt. Die Entscheidung, ein eigenes Unternehmen zu gründen und die Weiterbildung fortzuführen, wurde also ganz spontan getroffen, da ich fest davon überzeugt war, die Weiterbildung muss auch in Zukunft angeboten werden. Schmerz ist mir ein zu wichtiges Thema, als dass einfach auf diese Spezialausbildung verzichtet werden könne, wie ich fand. Ich erzählte meinem Mann von der Idee und er sagte spontan zu, mich bei meinem Vorhaben zu unterstützen. Anfang 2011 gründeten wir innerhalb von zwei Wochen das Unternehmen, hatten ein Logo und eine Homepage und konnten starten. Ganz ohne Business Plan, den man angeblich benötigt, ohne fertiges Konzept, dafür aber mit vielen Zurufen von außen, wohlgemerkt von Menschen, die nie selbständig waren. Aussagen wie „wovon wollt Ihr leben?“ oder „bekommt Ihr dann überhaupt eine Pension?“ waren keine Seltenheit. Wir haben einfach gestartet, und so können wir jetzt, im Jahr 2016, bereits ins fünfte Jahr Selbständigkeit gehen. Zu Beginn waren mein Mann und ich noch angestellt, ungefähr zwei Jahre haben wir parallel zu unseren Angestelltenverhältnissen das Unternehmen geführt. Dann kam der Moment, sich entweder ganz oder gar nicht für die Selbständigkeit zu entscheiden. Denn es ist so: solange man angestellt ist, hat man nur eine gewisse Zeit an Ressourcen, selbständig tätig zu sein, es ist also nicht viel möglich, sondern eben nur nebenberuflich. Ein Angestelltenverhältnis mit geregeltem Einkommen und fixen Urlaubsansprüchen einfach aufzugeben für ein Leben ohne bezahlten Urlaub und ohne fixem Gehalt am Monatsende? Das mag im ersten Moment verrückt klingen. Ist es auch. Uns gefiel jedoch das selbständige Entscheiden, selbst Verantwortung zu übernehmen, für Erfolge gleichermaßen wie für Misserfolge. Sich den Tagesablauf selbst zu organisieren, nicht von vorgegebenen Strukturen und Vorgesetzten abhängig zu sein, all das hat unsere Entscheidung für die Selbständigkeit beeinflusst. Diese Art von Tun passt nicht für jeden, jedes Jahr beginnt gleichermaßen bei Null, wir wissen nicht, wie es am Ende des Jahres finanziell aussieht. Aber die Freiheit und Unabhängigkeit ist es uns einfach wert, auf vermeintliche finanzielle Sicherheit zu verzichten. Denn wie hat schon Benjamin Franklin* so treffend gesagt: „They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety“**, im deutschen oft frei übersetzt als „Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren“.
Wir sind überzeugt, dass es die finanzielle Sicherheit nicht gibt, die Freiheit, selbst die Arbeitsleben bestimmen zu können, selbst entscheiden zu können, sich selbst Termine und Fristen zu setzen und den Arbeitstag flexibel gestalten zu können, die gibt es schon. Und diese Freiheit ist uns viel mehr wert als das monatliche Gehalt, auf dessen Höhe man oftmals auch nicht Einfluss hat.
So freuen wir uns wieder auf ein neues Jahr, von dem wir heute noch nicht wissen, was es uns bringen wird, wie es voran gehen wird, was sich noch alles ergeben wird. Genau diese Unvorherbestimmtheit, die Möglichkeit, ganz spontan Entscheidungen treffen zu können, ohne x-Mal nachfragen zu müssen, ob denn das geht oder ob man das überhaupt darf, das macht die Selbständigkeit so spannend.
Am Anfang war somit nicht die Idee, vielmehr ist ein Ziel das Wichtigste. Was will man selbst? Wo will man hingehen? Was ist das persönliche Ziel? Denn hat man kein Ziel, dann ist es egal, welchen Weg man geht, das meinte schon die Katze zu Alice im Wunderland.
Mein Ziel und zugleich auch meine Vision war es, die Weiterbildung Schmerzmanagement fortzuführen. Alles andere hat sich von selbst ergeben.
Dr. Christoph Zulehner
Der amerikanische Industrielle Andrew Carnegie (1835 – 1919) soll auf die Frage nach seinem Erfolgsrezept geantwortet haben: „Ich habe mich immer selber unter Druck gesetzt und bin dann schnell ins Handeln gekommen“! Eine treffliche Beschreibung dessen, was einen erwartet wenn man sich in die Selbständigkeit begibt. Jetzt mag es sein, dass dies mehr eine Erkenntnis ist, als es das Rezept des Gelingens darstellt. Zweifelsohne ist diese Haltung aber die Grundvoraussetzung für Unternehmertum.
Ich persönlich kann beiden Aspekten etwas abgewinnen, dem Druck wie dem Handeln. Meine eigene Selbständigkeit musste allein aufgrund der existenziellen Abhängigkeit der gesamten Familie ein Erfolg werden. Ein Scheitern hätte ein veritables Problem dargestellt. Finanziell und auch meinen Ruf betreffend. Scheitern geht gar nicht! Das erklärt aber noch nicht das Warum? Warum tut man sich das an?
Nun. Als ich mich in dieser Entscheidungssituation befand, „unselbständig bleiben oder selbständig werden“, hatte ich von mir selbst nicht den Eindruck, dass ich mir damit „etwas antue“ im Sinne einer „Qual“. Ganz im Gegenteil. Ich persönlich war beseelt von einer Geschäftsidee.
Zunächst als Berater in einem Angestelltenverhältnis tätig, war ich nach langjähriger Marktbeobachtung davon überzeugt, dass die Konzentration auf das Thema „Strategie“ ein Zukunftsfeld darstellt. Ich war überzeugt davon, dass sich hin künftig auch Gesundheitsunternehmen strategisch positionieren müssen, wenn sie überleben wollen. Das war mir klar.
Die entscheidende Frage war vielmehr: „Wie finde ich Kunden die der selben Meinung sind?“ und „Wo finde ich Kunden die mir abnehmen, dass ich der Richtige bin?“ Keine leichte Aufgabe, aber eine zu bewältigende. Der Weg führte freilich nicht über das Thema „Strategie“. Manchmal muss man kleine thematische Umwege gehen, um das Eigentliche zu erreichen.
Eine zentrale Erkenntnis die ich in den vielen Jahren meiner Selbständigkeit gewonnen habe ist, dass Erfolgt nach wie vor auf Grundtugenden aufbaut. Allem voran, absolute Verlässlichkeit und Termintreue sowie Aufrichtigkeit wenn es um die eigenen Kenntnisse und Grenzen geht.
Und in der Anfangsphase heißt es Klinken putzen. Aktive Akquisition porte-à-porte..
Und wenn sich der Erfolg erst einmal einstellt, dann gilt es Investitionen in die Zukunft zu tätigen. Auch Dienstleistungen sind Produkte die der ständigen Weiterentwicklung bedürfen.
Damit fehlt jetzt noch eines: Die Antwort auf das Warum? In meinem Falle war es so, dass ich in meinem Anstellungsverhältnis nicht die Entwicklungsmöglichkeit gesehen habe von der ich überzeugt war, dass ich sie brauche. Ich hatte einen sicheren Job und die Rahmenbedingungen waren ausgezeichnet. Manchmal ist es aber besser Sicherheit gegen Freiheit auszutauschen. Beides gibt es nicht.
Und nun? Wagen Sie den ersten Schritt auf Ihrem eigenen Weg?
„Eine Vision wird dann zur Realität, wenn ich den Mut habe, meine Grenzen zu überschreiten.“ – Lena Meichsner
Pflege muss also nicht hierarchisch ergeben und stets strukturell sein. Pflege kann auch innovativ, zukunftsweisend und rebellisch gelebt werden. Welchen Weg sie einschlägt, entscheidet jede Pflegeperson für die eigene Umgebung selbst. Wenn sie aber darauf warten, dass sich interdisziplinäre Augenhöhe von selbst ergibt oder geniale Innovationen aus dem Nichts erscheinen, könnte es ein wenig dauern. Wenn Sie sich also noch nicht auf Ihrem eigenen Weg der Ideen befinden, so beginnen Sie doch einfach morgen nach dem Aufstehen einen neuen Abschnitt. Beschließen Sie einfach, dass morgen das Datum des Anfangs wird. Ein Tag der ein neues Kapitel in einer spannenden Geschichte einleiten wird…. IHRER GESCHICHTE.
Autor: Markus Golla, BScN
Titel: „VisionärInnen verändern die Welt…“
Ausgabe: Pflege Professionell 03/2015
Link: Zur kompletten Ausgabe
Fußnoten
* 1706-1790, unter anderem Gründerväter der USA und Schriftsteller
** Quelle: Franklin, B./Franklin W.T. (1818): Memories of the life and writings of Benjamin Franklin. Online unter: https://books.google.de/books?id=W2MFAAAAQAAJ&pg=PA270#v=onepage&q&f=false