Der überwiegende Teil aller Gewalttaten in Österreich (aber nicht nur hier) wird von Männern begangen. 90 % aller Wegweisungen wegen Gewalt in der Partnerschaft werden gegen Männer ausgesprochen. Aktuell werden täglich mehr als 30 Betretungs- und Annäherungsverbote von der Polizei verhängt. Besonders erschreckend ist die hohe Rate an Femiziden in unserem Land. Im Jahr 2021 wurden 31 Frauen von ihren Partnern/Expartnern ermordet, zudem sind 63 Mordversuche verübt worden (Factsheet des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, Stand Dezember 2021). Wie lässt sich diese extreme Form von Gewalt, die hoch geschlechtsspezifisch konnotiert ist, erklären und verstehen?
In ihrem Buch „Alle drei Tage“ haben die Journalistinnen Laura Backes und Margherita Bettoni Interviews mit Überlebenden von Femiziden und Angehörigen von Femizid-Opfern geführt und nachgefragt, wie sie die Täter beschreiben würden. Dabei wurden folgende Aspekte genannt: besitzergreifendes Verhalten gleich zu Beginn der Partnerschaft, Besitzanspruch gewissermaßen als „emotionaler Feudalismus“ (Paolo Crepet), Probleme Frauen als eigenständige Menschen anzuerkennen, starke Bindungsängste, die durch Machtausübung gegenüber der Partnerin verdrängt werden, geringe Fähigkeiten eigene Emotionen zu artikulieren/verstehen, häufiger Alkohol-/Drogenkonsum, die Tötung der Frau wird als ultimatives Mittel gesehen, um Kontrolle über sie zu erlangen.
Daraus wird zu einem ersichtlich, wie sehr die Gewalt in engem Zusammenhang zu gesellschaftlich verbreiteten Frauenbildern und der realen Position von Frauen steht, sei es durch ökonomische Benachteiligung, Misogynie in Form von Alltagssexismus oder sexuelle Übergriffe u.v.a.m. Zum anderen sind bei den Tätern die Folgen von sogenannten „toxischen Männlichkeitsleitbildern“ zu erkennen.
Der Begriff der „toxischen Männlichkeit“ bezeichnet Praktiken, Einstellungen und Verhaltensweisen die von Männern Härte fordern (statt schwach zu sein), sie dazu anhalten „weiche Gefühle“ zu unterdrücken bzw. alle Eigenschaften, die als „weiblich“ gelten, zu vermeiden. Weitere Charakteristika sind sich konkurrierend und dominant – oft unter Einsatz von Aggression und Gewalt – zu geben, die Frauen nicht als gleichwertig anzusehen und Männer abzuwerten, die diesen Leitbildern nicht genügen. Diese Praxis ist für die Betroffenen selbst sowie für andere Männer und Frauen in deren Umfeld schädlich und vergiftet das zwischenmenschliche Klima. Die Schädigungen lassen sich anhand der niedrigeren Lebenserwartung von Männern festmachen, wofür u.a. ein riskanter Lebensstil oder eine wesentlich höhere Suizidrate verantwortlich sind.
„Toxische Männlichkeitsvorstellungen“ sehen eine klare Rollenaufteilung in der Partnerschaft als erstrebenswert an: der Mann als Alleinverdiener und Versorger, die Ehefrau als Hausfrau und Mutter. Die Emanzipation von Frauen, deren Wunsch eigenes Geld zu verdienen, ökonomisch unabhängig(er) zu sein, eine eigenes soziales Netz zu haben, persönliche Autonomie zu leben etc. werden als manifeste Bedrohung erlebt. Männer versuchen durch körperliche, psychische, sexuelle, soziale oder ökonomische Gewalt Kontrolle über die Frauen zu gewinnen, um ein von ihnen als „richtig“ erachtetes Weltbild aufrecht zu erhalten. Toxische Männlichkeitsleitbilder fördern Gewalt durch gewaltfördernde Haltungen und Einstellungen, die der Aufrechterhaltung einer Machtposition dienen, sowie in ihrer individuellen Wirkung einen verringerten Zugang zu eigenen Gefühlen erzeugen und einer mangelnden Fähigkeit mit negativen Gefühlen gewaltfrei umgehen zu können.
Daher ist es wichtig, Männer als Unterstützer für einen Wandel hin zur Verwirklichung einer Gleichberechtigung der Geschlechter zu gewinnen, sie zu ermutigen für mehr Frauenrechte einzustehen und aktiv gegen Ungleichheiten vorzugehen. Beispiele dafür sind:
Die Kampagne „HeForShe“, die sich weltweit dafür einsetzt, dass Gleichstellung keine Frauensache ist, sondern ein Menschenrecht und uns alle betrifft: Mädchen*, Frauen*, Buben* und Männer.* Die „White Ribbon“ Kampagne ist aktiv, um Männer für das Thema „Gewalt an Frauen“ zu sensibilisieren und dafür zu gewinnen Teil der Lösung dieses Problems zu werden. Auch das Projekt STOP – Stadtteile ohne Partnergewalt hat das Ziel Partnergewalt und häusliche Gewalt zu verhindern. Das Herzstück von StoP sind die Frauen- und Männertische, dabei handelt es sich um Gesprächsrunden, wo interessierte Menschen gemeinsam überlegen, was sie gegen häusliche Gewalt tun können. Bei diesen Treffen erfahren alle Teilnehmer*innen ein umfassendes und tiefgehendes Wissen über häusliche Gewalt und Partnergewalt und über Methoden der Zivilcourage gegen Partnergewalt.