Mitte Februar 2020 absolvierte ich die Weiterbildung „Komplementäre Pflege – Therapeutic Touch“ unter der Leitung von Frau Gabriele Wiederkehr, M.Sc. Seither sind einige Monate vergangen, in welchen wir infolge der Corona-Krise mit neuen, besonderen Herausforderungen konfrontiert sind. In meiner Funktion als Pflegeleitung eines Pflegeheims habe ich mich bereits vor dieser Krise mit dem besonders wichtigen Feld der Gesundheitsförderung für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegeheim auseinandergesetzt. Infolge der Corona Krise ist der Aspekt der therapeutischen Berührung = Therapeutic Touch noch weiter in den Vordergrund gerückt. Wir halten Abstand, bewegen uns mit Mundschutzmasken mitten durch unser soziales Umfeld und vermeiden unnötige Wege. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Hormone (z.B. Oxytocin) welche bei Berührung ausgeschüttet werden, positive Effekte auf den gesamten Körper hervorrufen. Infolge der Entspannung und Zufriedenheit, welche durch angenehme Berührung ausgelöst werden kann, wird speziell unser Immunsystem gestärkt (Kreutzfeld 2020). Für unsere Gesundheit und Widerstandsfähigkeit spielt ein Ausgleich von innen und außen eine wesentliche Rolle. Körperkontakt, im speziellen „Heilsame Berührung“, „stärkt damit auch Ihre Möglichkeit, innen und außen wieder in Harmonie zu bringen“ (Müller-Oerlinghausen, Kiebgis 2018, S. 58). Umso mehr möchte ich mich in der aktuellen Gesundheits-Situation mit meiner Abschlussarbeit Therapeutic Touch – ein Führungsinstrument zur Gesundheitsförderung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegeheim „VON der Pflege FÜR die Pflege“ an unsere Führungspersonen im Pflegebereich wenden.
Einführung in Therapeutic Touch
Therapeutic Touch wurde von den Amerikanerinnen Prof. Dr. Dolores Krieger (Pflegewissenschafterin) und Dora Kunz (Heilerin) in den 70er Jahren entwickelt. „Therapeutic Touch ist eine moderne Variante mehrerer alter Heilpraktiken. Sie besteht in der erlernten Fähigkeit, menschliche Energien zu lenken bzw. zu harmonisieren.“ (Krieger 2004, S. 25). Die Besonderheit an Therapeutic Touch für die Gesundheits- und Krankenpflege stellt die Tatsache dar, dass sich diese komplementäre Pflegemethode durch Begründerinnen aus der Pflege entwickelt hat. Dr. Krieger war es durch ihre Tätigkeit als Pflegewissenschafterin möglich, die Methode mit der hellsichtigen Heilerin Kunz zu entwickeln und in den Krankenpflegeschulen in den USA zu lehren. Die Anwendung besteht ähnlich dem Pflegeprozess aus 4 standardisierten Schritten nach Krieger und Kunz:
- Zentrierung: Wichtigster Schritt für den/die Anwender/in, um sich vor einer Anwendung vollkommen auf den Moment und den/die zu Behandelnde/n einzustimmen.
- Assessment: In einem Dokumentationsblatt werden die Wahrnehmungen des „Scannens“ eingetragen. Dabei setzt der/die Anwender/in alle Sinne ein und es können neben taktilen Wahrnehmungen wie Wärme, Dichte, Leere und weitere auch Gerüche, Geschmäcker oder visuelle Phänomene auftreten.
- TT-Anwendung: Kann non-touch = ohne auflegen der Hände sowie mit aufgelegten Händen erfolgen. Dabei folgt der/die Anwenderin der Intention, welche sich aus dem Assessment ergibt. Die Methode die während einer Therapeutic Touch Anwendung zur Anwendung kommt wird im Fachjargon „Chelation“ (Bruyere 2004) genannt. Je nach Assessment fällt die Chelation immer individuell aus.
- Evaluation: Erneutes „Scannen“ = abtasten des Körpers im körperfernen Feld und erneute Dokumentation.
Innerbetrieblicher Gesundheitstag
Im Rahmen der TT-Weiterbildung 2019/2020 wurde im Pflegewohnheim Leopoldstadt ein innerbetrieblicher Gesundheitstag durchgeführt. Den diensthabenden Pflegekräften wurde die betriebliche Gesundheitsförderung während der Dienstzeit ermöglicht und die Teilnehmer/innen absolvierten ein klinisches Fertigkeitstraining. Die praktischen Therapeutic-Touch Anwendungen wurden unter Supervision durch die Lehrgangsleitung professionell begleitet. Zehn TT-Anwender/innen arbeiteten zu zweit im Team an insgesamt 5 Liegen (Betten). Pro Proband/in fand eine 30-minütige TT-Anwendung statt. Die Anwendungen wurden mit einer kurzen Anamnese eingeleitet, woraufhin eine individuelle Anwendung folgte. Gleich anschließend wurden die Evaluierungen mittels eines entwickelten Fragebogens (Zentrum Lebensenergie) erhoben. Die Ergebnisse konnte in einer der folgenden 3 Fragestellungen der Abschlussarbeit eingearbeitet werden.
Fragestellungen der Abschlussarbeit
Die ersten beiden Fragestellungen wurden anhand einer Literaturrecherche ausgearbeitet. Die dritte Fragestellung konnte mithilfe der Fragebogenauswertung eines innerbetrieblichen Gesundheitstages im Pflegewohnheim Leopoldstadt beantwortet werden:
- Kann TT einen effektiven Beitrag für leitende Führungskräfte leisten, um die täglichen Herausforderungen im Pflegeberuf konstruktiver bewältigen zu können?
- Ist TT als ein Führungsinstrument im Sinne von Gesundheitsförderung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anwendbar?
- Wie wird TT von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern speziell im Pflegeheim angenommen?
GuKG und ICN führen uns an die Antworten
Die Gesetzesnovelle 2016 hat die Gesundheits- und Krankenpflege weg von Eigenverantwortlichkeit und Mitverantwortlichkeit hin zur Kernkompetenzen gemäß § 14 GuKG geführt. An dieser Stelle möchte ich jede Pflegefachkraft dazu einladen, sich das Gesetz z.B. online über die Homepage des Rechtsinformationssystems (RIS) in einer Regelmäßigkeit immer wieder vor Augen zu führen. Wichtig für Therapeutic Touch sind besonders Punkt 7, 15, 17 in § 14 für pflegerische Kernkompetenzen sowie der die Punkte 3 und 6 in § 16 für die multiprofessionellen Kernkompetenzen. Diese Punkte verankern besonders den Gesundheitsaspekt im Berufsbild der Gesundheits- und Krankenpflege. Zudem ist der ICN-Ethikkodex ein weiterer Leitfaden zur Umsetzung der Gesundheitsförderung für Pflegende. Besonders zwei Punkte möchte ich an dieser Stelle hervorheben:
In Punkt 2 des ICN (2012): „Die Pflegende achtet…
… auf ihre eigene Gesundheit, um ihre Fähigkeit zur Berufsausübung nicht zu beeinträchtigen.“
… in ihrem persönlichen Verhalten jederzeit darauf, ein positives Bild des Pflegeberufs zu vermitteln und das Ansehen sowie das Vertrauen der Bevölkerung in den Pflegeberuf zu stärken.“
In Punkt 4 des ICN (2012): „Die Pflegende sorgt für eine gute und respektvolle Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und mit den Mitarbeitenden anderer Bereiche.“
Damit finden wir in unserem Berufsgesetz sowie unserem ICN-Ethikkodex ausreichend Anleitung dazu, eigenverantwortlich für Selbstpflege zu sorgen. Und hier setzen die Führungskräfte in der Pflege an. Therapeutic Touch stellt ein Instrument zur Selbstpflege dar, da eine Anwendung nicht nur dem zu Behandelnden gut tut, sondern auch dem/der Anwender/in. Zudem ist die Therapeutische Berührung eine komplementäre Pflegemethode ist, die sich gut unter Kollegen/innen anwenden lässt.
Führungsverantwortung
Unsere Pflegedienstleitungen sind in ihrer Kompetenz der Führungsverantwortung gefordert, Therapeutic Touch „VON der Pflege FÜR die Pflege“ in ihren Einrichtungen zugänglich zu machen. Therapeutic Touch als Führungsinstrument im Sinne der Gesundheitsförderung einzusetzen, ist dem gleichen Stellenwert beizumessen, wie die Möglichkeit sich freie Tage zu wünschen oder einen gemeinsamen Betriebs-Ausflug zu unternehmen.
Innerbetrieblicher Gesundheitstag Auswertung
Als Beispiel dazu kann der innerbetriebliche Gesundheitstag genannt werden, der in meiner Abschlussarbeit ausgewertet wurde und zu folgenden zusammengefassten Ergebnissen führte, um nur einige zu nennen:
- Etwa 2/3 der Proband/innen wünschte sich von der TT-Anwendung Entspannung und Schmerzlinderung.
- Der Großteil der Probanden/innen gab eine sehr zufriedenstellende Wünsche- und Bedürfnisberücksichtigung sowie Sicherheitsvermittlung an.
- Die Anwendungen wurden als „sehr angenehm“, „sehr geborgen“, „sehr entspannend“, „schmerzlösend“, „wunderbar“ und weitere beschrieben.
Hervorzuheben sind etwa 1/3 Probanden/innen welche sich eine Schmerzlinderung wünschten. Diese Probanden/innen haben nach der Anwendung zudem noch folgendes formuliert, um nur einige zu nennen:
- „…hab gar nicht an Schmerzen gedacht…“
- „…deutlich schmerzarmer und Gefühl beweglicher zu sein, sehr angenehm und entspannend…“
Resümee
Zusammenfassend kann angemerkt werden, dass die eingangs gestellten 3 Fragestellungen jeweils mit einem klaren Ja beantwortet werden können und sich Mitarbeiter/innen im Pflegeheim öfter die Möglichkeit eines innerbetrieblichen Gesundheitstages wünschen. Das GuKG und der ICN-Kodex legen uns visuell, auf Papier geschrieben dar, welche herausragenden Kompetenzen auf uns Pflegende zutreffen und wir sollten uns dies immer wieder vor Augen führen und unsere Selbstpflege-Kompetenzen verinnerlichen und zu einem Teil unseres Berufsalltags zu machen.
In meiner Abschlussarbeit finden sich noch einige tiefergehende Informationen und Literaturhinweise zu dem vorgestellten Thema. Gerne stelle ich meine Abschlussarbeit zur Verfügung, wenn gewünscht auch in Kombination mit einer Präsentation der Inhalte vor Publikum. Ebenso können innerbetriebliche Gesundheitstage gebucht (TT-Anwender/innen kommen zu Ihnen ins Haus).
Wie werde ich Therapeutic Touch Anwender/in?
In der Gesundheits- und Krankenpflege wird Therapeutic Touch im Rahmen komplementärer Pflegemethoden als Pflegemaßnahme z.B. in der Pflegediagnose „Schmerz, Erschöpfung, Angst“ oder auch in einer Wellnessdiagnose eingesetzt werden. Die Erlernung der komplementären Pflegemethode Therapeutic Touch erfolgt in einer einjährigen Weiterbildung laut GuKG § 64 Im Zentrum Lebensenergie in Wien. Zudem findet ab Oktober 2020 erstmals ein Studiengang über 4 Semester zu Advanced Nursing – Counseling/Complementary Care mit einem Masterabschluss an der FH Wien statt. Genaue Informationen sind den entsprechenden Webseiten am Ende des Artikels zu entnehmen. Es lohnt sich, sich weiterzubilden – Therapeutic Touch „VON der Pflege FÜR die Pflege“.
- Einjährige Weiterbildung § 64 GuKG mit Abschlussarbeit. Online https://www.zentrum-lebensenergie.at/die-weiterbildung.html [Stand: 14.05.2020]
- Zweijähriges Masterstudium § 64 GuKG mit Masterthesis. Online https://www.fh-campuswien.ac.at/studium-weiterbildung/studien-und-lehrgangsangebot/detail/advanced-nursing-counselingcomplementary-care.html [Stand: 14.05.2020]
Literatur
Bruyere, Rosalyn (2004): Das Geheimnis der Chakras. Unsere Licht- und Energiezentren. 1. Auflage. Berlin: Verlag Ullstein.
Kreutzfeldt, Annette (2020): Corona-Viren und Immunsysten – Teil 15: Berührung und Oxytocin. Online https://hallespektrum.de/nachrichten/natur-und-gesundheit/corona-viren-und-immunsysten-teil-15-beruehrung-und-oxytocin/372852/ [Stand: 14.05.2020]
Krieger, Dolores (2004): Therapeutic Touch. Die Heilkraft unserer Hände. 1. Auflage. Stuttgart: Verlag Lüchow
Müller-Oerlinghausen, Bruno/Kiebgis, Gabriele Mariell (2018). Berührung. Warum wir sie brauchen und wie sie uns heilt. 2. Auflage. Berlin: Verlag Ullstein.