Sterben und Lieben – Selbstbestimmung bis zuletzt

25. Juni 2019 | Rezensionen | 0 Kommentare

Es gibt Bücher, die einen zutiefst bewegen. Mit dem Buch „Lieben und Sterben“ ist es dem Ehepaar Irene und Dietmar Mieth gelungen, gemeinsam ein beeindruckendes Buch zu schreiben. Plötzlich erkrankt Irene Mieth an Brustkrebs, der relativ zügig in den Tod führt. Viele Aufzeichnungen und Tagebucheinträge hinterlässt sie ihrem Ehemann, dem namhaften Moraltheologen. Was passiert? Er macht sich viele Gedanken um das gemeinsame Leben und Sterben herum.

Das Buch „Lieben und Sterben“ liest sich nicht einfach in einem Rutsch. Nein, die Nachdenklichkeiten, die Mieth beschreibt, müssen erst einmal verdaut werden. Sie müssen durchdacht werden. Schließlich bewegt Mieth die Leserin und den Leser, sich zur eigenen Endlichkeit und auch zu eigenen Krankheitskonzepten zu positionieren. Es wird immer wieder deutlich, dass der Mensch Mieth anders an die gestellten Fragen herangeht als der Wissenschaftler Mieth.

Im Vorwort steht bereits geschrieben, dass das Buch ein Bekenntnis ist. Es ist ein Bekenntnis zu einer tiefen Liebe und einem gemeinsamen Lebensweg eines Paares. Das Erzählen, mit und durch Literatur, sowie die Gesprächs-und Erinnerungsgemeinschaft zweier religiös verbundener Menschen versuche, Sterben als Form des Liebens zum Ausdruck zu bringen – als eine tiefe und unabweisbare Erfahrung.

Die Lektüre des Buchs von Irene und Dietmar Mieth kann als Spurensuche beschrieben werden. Die Spurensuche führt über die Wege des Sterbens und des Liebens. So schreibt Dietmar Mieth über seine verstorbene Frau: „Irene hat sich immer gegen ein Verständnis von Partnerschaft im Sinne eines gemischten Tennisdoppels gewehrt, weil es ihr darauf ankam, dass wir als Mann und Frau nicht dasselbe Spiel spielen. Sie war sehr dafür, die Unterschiedlichkeit zu wahren, ohne eine Überordnung zuzulassen“ (S. 27).

Der Begriff der Selbstbestimmung spielt in dem Buch „Sterben und Lieben“ eine zentrale Rolle. Im Nachspüren zum Leiden kommen entscheidende Sätze. Wörtlich: „Irene und ich sind beide der Überzeugung: Die Grammatik unserer Moral reicht nicht, um den Gebrauch ihrer Sprache bis ins Letzte hinein zu bestimmen. So lässt sich unsere Sehnsucht nach moralischer Klarheit nicht erfüllen, ohne dass wir mit moralischen Impulsen wie dem Mitleid und der Liebe in Widerstreit geraten … Wir müssen sie reinigen vom Selbstmitleid, von einer tödlichen Mitleidsfalle und andererseits von einer Liebe, die dem anderen nicht die Freiheit zur eigenen Entscheidung lässt“ (S. 76).

Irene Mieth braucht mit den eigenen Aufzeichnungen wenige Worte, um Wegmarken zu setzen. Die Subjektivität ihrer Worte hat eine große Überzeugungskraft. Dietmar Mieth bleibt der Theologe, aber natürlich auch der Mensch, der vom Leiden seiner Frau mitbetroffen ist. Er ordnet theologisch, philosophisch und auch lebensbiographisch ein, was Irene dokumentiert.

Während sich die Leserin und der Leser mit Irene und Dietmar Mieth auf den Weg machen, so kommt beispielsweise die Frage auf, ob es einem selbst gelingen könnte, was dieses Ehepaar wohl geschafft hat – eine Liebes-und Lebensgemeinschaft, die von einem gemeinsamen Glauben, Hoffen und Handeln getragen wird. Denn die Hoffnung wird Irene beim Leiden und Sterben wohl nicht verloren haben. Und heute werden Glaube, Hoffnung und Liebe sicher noch das Leben Dietmar Mieths tragen. Wirklich beeindruckend.

Irene & Dietmar Mieth: Sterben und Lieben – Selbstbestimmung bis zuletzt, Herder-Verlag, Freiburg im Breisgau 2019, ISBN 978-3-451-38315-1, 160 Seiten, 18 Euro.

Autor

  • Christoph Mueller

    Christoph Müller, psychiatrisch Pflegender, Fachautor, Mitglied Team "Pflege Professionell", Redakteur "Psychiatrische Pflege" (Hogrefe-Verlag) cmueller@pflege-professionell.at