Glaubt man der Meinung vieler Fachkräfte in der Pflege, steht es im deutschsprachigen Raum um den Nachwuchs eher schlecht. Personen, die Pflege studieren wollen, offensichtlich nicht mit Patient*innen arbeiten, sondern ziehen die Wissenschaft und die Führungspositionen klar dem Kontakt mit den Menschen vor. Alles Häuptlinge, niemand will mehr Indianer sein. Gelehrt wird auf den FHs sowieso nur nach Studien, welches man in der Praxis nicht braucht, denn hier zählt rein das Erfahrungswissen, das in den Krankenpflegeschulen unterrichtet wird. Natürlich pflegen die akademisierten Fachkräfte auch anders, denn diese Personen können nicht einmal das Grundbett und versorgen diverse Wunden ganz anders. Ich kann als Studiengangsleiter eigentlich gar nicht mehr zählen, wie oft ich diese Sprüche in den Reflexionsrunden von den Studierenden erzählt bekomme. Des öfteren werden sie auf diversen Praktikumsstellen mit den Worten begrüßt, „Bist du ein Studierter oder wirst du eine richtige Diplomierte.“ Beobachtet man die sozialen Medien wie Facebook, werden diese Anschuldigungen natürlich digital untermauert. Dass ich vor zwei Jahren noch auf einer Diplomkrankenpflegeschule unterrichtet habe und ich aus eigener Erfahrung sagen kann „Die praktischen Fächer werden komplett gleich unterrichtet“, scheint in Diskussionen nur bedingt angenommen zu werden. Solche Argumente werden stets mit „Ja, aber…“ beantwortet.
Ein Grund für mich die Bewerbungsgespräche der Jahre 2019 und 2020 ein wenig zu dokumentierten. Keiner der zukünftig Studierenden erzählt im Bewerbungsgespräch etwas von Führungspositionen, wissenschaftlichem Arbeiten in einem Labor oder ähnliches. Alle wollen laut der eigenen Aussage mit Menschen arbeiten. Einige davon haben sogar ein anderes wirtschaftliches Studium absolviert und für sich festgestellt, dass ihnen der menschliche Kontakt fehlt bzw. sie etwas Nachhaltiges arbeiten wollen. Alle von ihnen haben sich genau über den Beruf erkundigt, kennen die Schattenseiten und schönen Bereiche der Gesundheits- und Krankenpflege. Die meisten absolvierten ein freiwilliges soziales Jahr in einer Pflegeeinrichtung, besuchten mit Schnuppertagen diverse Krankenhäuser oder fahren ehrenamtlich bei einer Rettungseinrichtung. Natürlich sehen einige diesen Weg als ihre Berufung, ein Wort, welches man im Kontext zu Pflege kaum benutzen darf, da man in den sozialen Medien einen „Shitstorm“ der eigenen Berufsgruppe abbekommt. Doch geht man nach Aristoteles ist eine Berufung eine Mischung aus den persönlichen Talenten und den Bedürfnissen der Welt. Warum also nicht von Berufung sprechen? Und wenn man seine persönlichen Talente fördert und diese einen Bedarf in der Welt decken, darf man allemal stolz auf seinen Weg und Beruf sein.
Also benötigte ich einen zweiten Schritt, um die wissenschaftlichen Führungskräfte zu entlarven. Im Rahmen eines Unterrichts stellte ich die Bitte, jeder Studierende möge sich mit einem Spruch selbst abfotografieren, der für Sie PFLEGE darstellt. Es sollten ehrliche, coole oder lustige Bilder sein, die ausdrücken, warum sie nun dort sitzen wo sie sitzen. Diese Personen hätten ja auch etwas anderes studieren können: Medizin, Wirtschaft oder irgendwas , mit dem sie reich und angesehen werden.
Es dauerte nicht lang und es kamen im Stundentakt Fotos via E-Mails. Doch die Sprüche, mit denen ich nun „konfrontiert“ wurde, hatten weder etwas mit Führungskräften oder Laborarbeiten zu tun. Auf diesen Bildern waren stolze Studierende zu sehen, die sich auf ihren Beruf freuen und die erhobenen Hauptes immer und überall von sich selbst sagen „Proud to be a nurse“. Da freut sich Riccarda, dass sie Menschen in allen Lebenslagen begleiten kann. Katharina schreibt, dass der größte Erfolg einer Pflegefachkraft, die erlangte Gesundheit des Patienten ist und Melanie berichtet von den rührenden und spannenden Lebensgeschichten der begleiteten Personen. Stolz erklärt uns Alexander, dass Pflege mehr als Waschen ist und Raffaela sieht die Gemeinschaft, durch die man viel erreichen kann. Die Bilder werden durch die Fachhochschule IMC Krems nahezu täglich auf Instagram oder Facebook gestellt, um diese freudige Berufshaltung nach außen zu kommunizieren. Pflege sichtbar machen.
Diese jungen Menschen tragen den Pflegeberuf mit Stolz in die Gesellschaft. Die neuen Generationen sind natürlich anders als meine Generation. Sie lassen sich nicht alles gefallen, definieren auch nicht ihren Lebenswert durch unzählige Überstunden und wollen sich ständig weiterentwickeln und verändern. Doch kann dies wirklich als „falsch“ angesehen werden? Anders natürlich, aber ist dies nicht der Lauf der Zeit, dass sich Begebenheiten ändern und vielleicht braucht es ja endlich ein anderes Denken und eine entsprechende Haltung um die Gesundheits- und Krankenpflege weiterzubringen?
Wir haben die Fotos nicht nur am Cover, sondern auch in der gesamten Ausgabe verteilt. Natürlich wurde auch die Praxis eingeladen, um sich bei der Fotoreihe anzuschließen. Die Aktion ist natürlich noch immer am Laufen.
Abschließend möchte ich noch zu den Begrifflichkeiten Berufsstolz und Berufshaltung ein paar Fragen in den Raum stellen. Stolz ist im Duden als „Selbstbewusstsein und Freude über eine eigene Leistung und dies entsprechend zum Ausdruck bringen.“ definiert. Haben wir nicht allen Grund auf unsere Leistung in der Pflege stolz zu sein? Brauchen wir nicht eine Menge Selbstbewusstsein, um unseren Beruf weiterzubringen, sei es in den Institutionen, Medien aber auch in der Politik? Brauchen wir nicht tagtäglich eine professionelle Haltung gegenüber den Patient*innen, anderen Disziplinen und der Gesellschaft, um unser Wissen und Tun entsprechend zu präsentieren? Sollten wir nicht auch diese professionelle Haltung und den Stolz unserem Nachwuchs weitergeben, fördern und entsprechend begleiten? In diesem Sinne #proudtobeanurse