Der Resilienz-Begriff wird häufig beschworen. Dabei scheint es nicht immer klar zu sein, was mit der Resilienz-Fähigkeit eines Menschen gemeint ist. Mit dem Buch „Resilienz – Die psychische Widerstandskraft“ versucht die Neurowissenschaftlerin Rebecca Böhme Ordnung in die Unübersichtlichkeit zu bringen. Schon recht früh bringt es Böhme auf den Punkt, wie Resilienz zu verstehen ist: „Gemeint ist die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen“ (S. 8).
Böhmes Buch eignet sich, um einen sachlichen und vor allem wissenschaftlich orientierten Einblick in die Resilienz-Diskurse der Gegenwart zu bekommen. Sie stellt fest, wie der Forschungsstand zum Stress derzeit beschrieben werden kann. Sie gibt klare Antworten auf die Frage, was die Fähigkeit zur Resilienz beeinflusst. Dabei sollte in einer Gesellschaft, in der immer mehr Vereinzelung stattfindet, einen Gedanken besonders bedenken: „Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Kulturen, die soziale Gemeinschaft fördern und auf Unterstützung von Betroffenen setzen, Resilienz stärken“ (S. 53).
Pflegende sind im beruflichen Alltag oft Stress und hohen Anforderungen ausgesetzt. Deshalb sind für diejenigen, die in psychosozialen Berufen tätig sind, die Überlegungen zu den „Strategien für mehr Resilienz“ von großer Bedeutung. Es ist ein deutliches Zeichen, das Böhme als Autorin setzt, diesen Strategien fast die Hälfte des Buchs zu widmen.
In den Augen Böhmes beugt die Förderung von Resilienz psychischen Erkrankungen vor. Sie sieht nicht nur den einzelnen Menschen in der Pflicht. Böhme schreibt gleichzeitig von einer Notwendigkeit des Zusammenspiels der sozialen Gemeinschaft und der Gesellschaft. Bei den körperlichen Aspekten setzt Böhme auf Ernährung, Fitness und Schlaf. So konstatiert Böhme unter anderem, dass körperliche Betätigung nicht nur die Fitness trainiere, „sondern auch unser Stresssystem und macht uns so widerstandsfähiger“ (S. 63). Als eine Strategie, die Resilienz zu stärken, schlägt Böhme soziales Miteinander vor. Die bloße Menge an sozialen Beziehungen reiche nicht aus. Entscheidend sei die Qualität der Beziehungen.
Die Vielschichtigkeit der Diskurse, die Böhme einbringt, sind eine gute Voraussetzung, sich von der objektiven Auseinandersetzung mit der Resilienz zu den subjektiven Seiten zu bewegen. Sie schlägt den Bogen von den sachlichen Darstellungen zu unzähligen Übungen, mit denen sich die Leserin bzw. der Leser der Auseinandersetzung mit der Resilienz annähern kann. Es fallen Stichworte wie Erwartungen anpassen und Perspektivenwechsel, Frustrationstoleranz und das Annehmen von Herausforderungen, Emotionsregulation und Kreativität.
Wichtig ist, dass Böhme betont, Resilienz müsse ein Lebensthema für den zeitgenössischen Menschen sein. Stress, Krisen und schwere Zeiten gehörten zu jedem Leben. Aus ihrer Sicht ist es die Aufgabe, die eigene Resilienz in den Vordergrund zu stellen: „Wir können unsere Widerstandskraft durch Reflexion und psychologisch fundierte Übungen stärken. Noch effektiver sind aber diese, wenn wir sie mit einer gesunden, das bedeutet unseren natürlichen Bedürfnissen entsprechenden Lebensweise kombinieren“ (S. 105).
Rebecca Böhme: Resilienz – Die psychische Widerstandskraft, Verlag C.H. Beck, München 2019, ISBN 978-3-406-73956-9, 124 Seiten, 9.95 Euro.