COVID-19, Rechtsstaat, Bewegungsfreiheit und erlaubte Einschränkungen

5. April 2020 | Covid19, Politik | 0 Kommentare

In Zeiten der COVID-19-Ausnahmesituation wird nicht nur unser Alltag auf den Kopf gestellt, sondern erfährt auch unsere Rechtsordnung nahezu täglich ein Update. Österreich ist ein Rechtsstaat. Dies bleibt auch in der Krise so. Die verbindlichen Rechtsnormen, wie Gesetze und Verordnungen, kommen von den befugten Gesetzgebungsorganen auf Bundes- und Landesebene. Berufsverbände oder Interessensvertretungen können zwar Handlungsempfehlungen veröffentlichen, nicht aber verbindliche Rechtsnormen erlassen!

Kundgemacht werden die Rechtsvorschriften im Rechtsinformationssystem. Ein Überblick über laufende Änderungen der Rechtsnormen auf Bundesebene sind der Website des Parlaments zu entnehmen.

Grundrechte und Krise

Die Grund- und Menschenrechte gelten natürlich auch in der Krise unverändert weiter. Nach unserer Verfassung hat jede Person ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen aber nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden (Auszug):

  1. Haft nach Verurteilung durch Gericht;
  2. Einweisung psychisch kranker Rechtsbrecher in den Maßnahmenvollzug durch Gericht;
  3. Festnahme wegen strafbarer Handlungen, Verhinderung dessen und wegen Fluchtgefahr;
  4. Absonderung, Anhaltung bzw. Beschränkung, wenn eine Person eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten bildet;
  5. Unterbringung, Freiheitsbeschränkung bei psychisch bzw. kognitiv beeinträchtigen Personen zur Abwehr von Lebens- und Gesundheitsgefahren.

Die Details zu den ansteckenden Krankheiten sind z.B. im Epidemiegesetz geregelt. Diese Rechtsvorschrift hat aufgrund COVID-19 eine noch nie dagewesene Bedeutung. Die Möglichkeiten und Grenzen von Unterbringungen und Freiheitsbeschränkungen regeln z.B. das Unterbringungs– oder das Heimaufenthaltsgesetz.

 

Freiheit oder Sicherheit? Was ist erlaubt wegen COVID-19?

Nach einer Verordnung des Gesundheitsministers ist das Betreten öffentlicher Orte zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 grundsätzlich verboten. Es gibt jedoch einige Ausnahmen, in denen vor allem auch der 1-m-Mindestabstand vorgegeben ist. Ein Verstoß ist strafbar.

Dieses Betretungsverbot samt seinen Ausnahmen gilt für alle Personen; dies unabhängig davon, ob sie zu Hause oder in einer Pflege- bzw. Betreuungseinrichtung leben.

Mit Bezug zu COVID-19 können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen weiteren Beschränkungen unterworfen werden. Zuständig dafür ist die Bezirksverwaltungsbehörde. Die gesetzliche Regelung des § 7 Epidemiegesetzes besagt (Auszug): Zur Verhütung der Weiterverbreitung anzeigepflichtiger Krankheiten (z.B. COVID-19) können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann.

Nach der Absonderungsverordnung gelten jene Personen als krank, bei denen die Krankheit bereits festgestellt ist; als krankheitsverdächtig solche, die Erscheinungen zeigen, die das Vorhandensein der Krankheit vermuten lassen; als ansteckungsverdächtig solche, die zwar keine Krankheitserscheinungen aufweisen, bei denen jedoch bakteriologisch nachgewiesen ist, dass sie als Träger des Krankheitskeimes anzusehen sind, oder bei denen sonst feststeht oder erfahrungsgemäß anzunehmen ist, dass sie der Ansteckung ausgesetzt waren und die Weiterverbreitung vermitteln können.

Ist eine Person in Hinblick auf COVID-19 erkrankt, krankheitsverdächtig oder ansteckungsverdächtig, so ist die Bezirksverwaltungsbehörde dafür zuständig, eine Absonderung, Anhaltung bzw. Beschränkung der Freiheit zu verordnen. Der Bescheid ist an die Person adressiert und von dieser auch einzuhalten. Ein Verstoß dagegen löst Strafen aus. Zudem kann die Umsetzung der angeordneten Quarantäne auch mittels Befehls- und Zwangsgewalt umgesetzt werden; dies auch gegenüber psychisch bzw. kognitiv beeinträchtigen Menschen. Die Details hat die Behörde vorzugeben. Die Polizei hat die Behörde (erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln) zu unterstützen. Kann eine zweckentsprechende Absonderung im Sinne der getroffenen Anordnungen in der Wohnung des Kranken nicht erfolgen oder wird die Absonderung unterlassen, so ist die Unterbringung des Kranken in einer Krankenanstalt oder einem anderen geeigneten Raume durchzuführen, falls die Überführung ohne Gefährdung des Kranken erfolgen kann. Die Regelungen des Epidemiegesetzes gelten gegenüber jeder Person und unabhängig vom Wohn- bzw. Aufenthaltsort; somit auch gegenüber Personen, die in Pflege- und Betreuungseinrichtungen leben.

Ist eine Person aber nicht an COVID-19 erkrankt, krankheits- oder ansteckungsverdächtig, so dürfen – gestützt auf das Epidemiegesetz – keine Freiheitsbeschränkungen gesetzt werden. Die allgemeinen Verhaltensanforderungen (z.B. 1-m-Abstandhalten) gelten trotzdem. Zur Abwehr einer sonstigen Gesundheits- oder Lebensgefahr kann in Psychiatrien die Freiheit nach dem Unterbringungsgesetz (UbG) beschränkt werden, in anderen Behandlungs-, Pflege- und Betreuungseinrichtungen nach dem Heimaufenthaltsgesetz (HeimAufG).

In Pflege- und Betreuungseinrichtungen hat das Gesundheitspersonal den dort lebenden Menschen dabei behilflich zu sein, sich korrekt im Sinne der COVID-19-Rechtsvorschriften zu verhalten. Zudem sind die innerbetrieblichen Maßnahmen anzupassen.

Die Anwendung von Zwang ist dem Gesundheitspersonal nur gestattet, wenn dies behördlich vorgegeben ist oder – bei Nichtanwendbarkeit des Epidemiegesetzes – die Regelungen des UbG bzw. des HeimAufG eingehalten werden. Im Einzelfall ist dies mit der Behörde bzw. den Patientenanwält*innen (UbG) oder den Bewohnervertreter*innen (HeimAufG) abzuklären.

Somit kann auch in der Krise der Grundrechtsschutz gewahrt bleiben. Jede Beschränkungsmaßnahme fußt auf einer Rechtsgrundlage und unterliegt einer externen Kontrolle. Der Rechtsstaat besteht also weiter.

 

Autor:in

  • Michael Halmich

    Dr. Michael Halmich LL.M. ist Jurist im Arbeitsschwerpunkt Medizin- und Gesundheitsrecht. Seit Jänner 2020 betreibt er das FORUM Gesundheitsrecht. Zudem ist er Buchautor und Verlagsinhaber (Educa Verlag) sowie Univ.-/FH-Lektor für Recht und Ethik im Gesundheitswesen. www.gesundheitsrecht.at