Ein Blick in die Buchhandlungen und in die Verlagsverzeichnisse reicht, um eines festzustellen: Die Literatur zum Thema Zwangsstörungen ist übersichtlich. Da sticht der „Ratgeber Zwangsstörungen“ trotzdem heraus. Denn das Buch des Psychotherapeuten Hans Reinecker bietet übersichtlich und gut verständlich Unterstützung vor allem für Betroffene und Angehörige an. Dies ist auch im besten Sinne notwendig. Denn die Unmittelbarkeit des Leidens findet sich bekanntlich im Alltag wieder. Gerade auch die Angehörigen sind von der Zwangsstörung eines nahestehenden Menschen in große Mitleidenschaft gezogen.
Wenn eine Zwangsstörung im Leben auftaucht, so stellt sich sehr schnell die Frage, ob es sich um eine Erkrankung handelt oder der Betroffene eine Marotte auslebt. Reinecker bringt dies zügig zur Sprache und stellt klar, wann von einem Krankheitswert gesprochen werden kann: „Von einer krankheitswertigen Störung würden wir dann sprechen, wenn durch die Gewohnheiten und Rituale ein Leben nach den eigenen Zielen und Vorstellungen nicht mehr möglich ist“ (S. 9).
Wie es in der Ratgeber-Reihe des Hogrefe-Verlags üblich ist, so stellt Reinecker die Beschäftigung nach einer gewohnten Systematik dar. Im ersten Schritt geht es um die Frage: „Zwangsstörung – Was ist das?“. Im zweiten Schritt geht es um das Entstehen und Werden einer Zwangserkrankung. Anschließend geht es um die Behandlung.
Aus der Auseinandersetzung mit der Behandlung von Zwangsstörungen können Angehörige und Betroffene den meisten Nutzen zur Bewältigung der Situation ziehen. Reinecker setzt in seiner Darstellung auf die kleinen Schritte. In kleinen Schritten sieht er Ermutigungen und Verstärkungen der mühevollen Arbeit, die Betroffene zu leisten haben. Diese positive Sichtweise stellt sich natürlich als eine gute Ausgangsposition für das therapeutische Einlassen dar.
Dabei ist klar, dass die Betroffenen manchen Schweißtropfen auf der Stirn haben werden, wenn sie beispielsweise das Prinzip der Konfrontation kennenlernen. In diesen Momenten erleben die Menschen mit einer Zwangserkrankung, „wie die Angst und Unruhe beim Kontakt mit auslösenden Situationen zunächst ansteigen“ (S. 37).
Reinecker lässt es nicht vermissen, an vielen Punkten vor allem die Betroffenen zu motivieren, dass sie sich dem therapeutischen Weg stellen. „Sie sollten die konkrete Erfahrung machen, dass Ihre Befürchtungen durch das konkrete Erleben korrigiert werden können“, schreibt Reinecker (S. 41). Verhaltenstherapie könne in diesem Sinne als Erlebenstherapie bezeichnet werden.
Sich auf einen therapeutischen Weg zu machen, dies heißt immer wieder, Verunsicherung zu erleben. Reinecker gibt mit seinem nüchternen und sachlichen kleinen Ratgeber vor allem Sicherheit und Zuversicht auf dem Pfad aus dem Zwangserleben heraus. Da braucht es in den Bücherregalen auch kein Überangebot.
Hans Reinecker: Ratgeber Zwangsstörungen – Informationen für Betroffene und Angehörige, Hogrefe-Verlag, Bern 2017, ISBN 978-3-8017-2788-8, 67 Seiten, 8.95 Euro.