Haben Sie das Ziel, in der Gerontopsychiatrie und Gerontopsychotherapie auf dem Laufenden zu sein? Wenn Sie die Frage mit einem Ja beantworten wollen, so sind sie gleichzeitig aufgefordertm sich das „Praxishandbuch Gerontopsychiatrie und -psychotherapie“ anzuschaffen. Denn die Gerontopsychiater Stefan Klöppel und Frank Jessen haben ein Grundlagenwerk herausgegeben, das die Wichtigkeit der Fragen um die Versorgung alter und gebrechlicher Menschen auf den Punkt bringt und den wissenschaftlichen Stand der Dinge verständlich zusammenfasst.
Sie glauben dies nicht? Dann blicke Sie einmal in das Kapitel „Sozialpsychiatrische Konzepte und Versorgungsstrukturen im Alter“. Claudia Lötscher, Armin von Gunten und Thomas Leyhe definieren die Sozialpsychiatrie als „eine Arbeits-und Betrachtungsweise innerhalb der Psychiatrie, die das soziale Umfeld von psychischen Störungen mit zu verstehen und mit einzubeziehen anstrebt. Die sozialen Bezüge und die familiären und gesellschaftlichen Lebensumstände des Patienten werden gleichberechtigt neben den medizinischen Aspekten berücksichtigt“ (S. 27). Mit dieser Beschreibung setzen Lötscher et al. einen klaren Akzent. In diesem Kontext tauchen Bemerkungen zur Interprofessionalität in der gerontopsychiatrischen Versorgung, aber auch Termini wie häusliche Umgebung und wohnortnahe Versorgung, Kontinuität und Personenzentrierung.
Das Praxishandbuch scheint keine entscheidende Frage um die Gerontopsychiatrie herum zu vergessen. Die Autorinnen und Autoren haben die Psychotherapie und die Pharmakotherapie, die unterschiedlichen Krankheitsbilder und auch Phänomene wie Mangelernährung im Blick. Neugierig machen die Überlegungen zur „Adhärenz bei älteren Patienten“. Bei den älteren Menschen seien Grundüberzeugungen eher von einer kooperativen Haltung und einem rationalen Umgang mit den Angeboten des Gesundheitssystems geprägt (S. 67). Bei der Adhärenz müsse der richtige Weg mit aufmerksamer und empathischer Haltung gefunden werden. Für die Zukunft solle rund um die Stärkung der Adhärenz der multiprofessionelle Diskurs gestärkt werden (S. 70).
In früheren Jahren ist die Psychotherapie im Alter im fachlichen Diskurs umstritten gewesen. Simon Forstmeier, Bernd Ibach und Bernadette Ruhwinkel unterstreichen, dass Grundlage einer effektiven Psychotherapie das Verständnis und das Bewusstsein von lebenslangen Entwicklungsaufgaben sei. Die Wirksamkeit psychotherapeutischer Interventionen ist nach den Darstellungen von Forstmeier et al. nachgewiesen worden.
Klöppel, Jessen sowie die Autorinnen und Autoren zeigen auf, dass die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung älterer Menschen gesichert ist. Die Forschung sorgt nach ihren Beschreibungen dafür, dass die betroffenen Menschen zunehmend von Forschung und Professionalisierung (in den pflegenden Berufen) profitieren können. Beispielhaft zeigen sie dies am Phänomen der „Behavioral and Psychological Symptoms of Dementia“ (BPSD). Das herausfordernde Verhalten von Menschen wird thematisiert. Axel Wollmer unterstreicht die Wichtigkeit einer „verstehenden Diagnostik“. Sie sei Voraussetzung dafür, das jeweilige Leiden zu lindern und auslösende Faktoren auszuschalten (S. 108). Es gehe darum, zu schauen, welche Leiden oder welches Bedürfnis zu auffälligem Verhalten führe.
Das „Praxishandbuch Gerontopsychiatrie und -psychotherapie“ kann für den pflegerischen Praktiker nur mit Gewinn gelesen und erarbeitet werden. Seine Aktualität und seine Richtungsweisung machen es zu einer fruchtbaren Quelle für die Expertise vor Ort.
Stefan Klöppel / Frank Jessen (Hrsg.): Praxishandbuch Gerontopsychiatrie und -psychotherapie – Diagnostik und Therapie im höheren Lebensalter, Verlag Urban & Fischer, München 2018, ISBN 978-3-437-24435-3, 289 Seiten, 44 Euro.