Eine bevorstehende Operation ist immer mit Schmerzen verbunden, eine Tatsache, die allen Beteiligten (ÄrztInnen, Pflegepersonen, PatientInnen) bewusst ist. Schon lange wird versucht, mittels Leitlinien wie zum Beispiel die S3-Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“ (wird gerade überarbeitet und aktualisiert) den postoperativen Schmerz besser zu managen, frühzeitig zu behandeln oder im besten Fall gar nicht erst entstehen zu lassen. Dadurch soll unnötiges Leiden und traumatisierende Erfahrungen sowie eine Chronifizierung des postoperativen Schmerzes vermieden werden.
Die Bestrebungen sind nicht neu, das lässt sich anhand der unzähligen Literatur zu diesem Thema in den letzten Jahrzehnten belegen. So wurden die S3 Leitlinien schon 2007 herausgegeben, die Aktualisierung soll bis September 2016 fertiggestellt sein. Der Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten oder tumorbedingten chronischen Schmerzen“ wurde 2005 vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (vgl. www.dnqp.de, Zugriff 08.05.2016) erstmalig publiziert und 2011 aktualisiert.
Bereits 1997 wurde von Zucker beschrieben, daß der postoperative Schmerz als sehr hoch empfunden wird (vgl. Zucker, 1997, S. 855). Schon damals sah man als „Voraussetzung für eine effektive postoperative Schmerztherapie [.] die Festlegung von Standards […] sowie die regelmäßige Erhebung und Dokumentation eines Schmerzbefunds mit Selbsteinschätzung der Schmerzintensität durch die Patientin[…]“ (Zucker, 1997, S. 855).
Forderungen, die demnach schon fast 20 Jahre alt sind und dennoch in der Praxis bis heute nur teilweise umgesetzt wurden, dahingehend, daß Standards und Leitlinien entwickelt wurden und die Schmerzmessung zum großen Teil zumindest schon bekannt ist, wenn auch nicht flächendeckend im postoperativen Bereich im Pflegealltag angewendet wird.
Eine mögliche Erklärung findet sich eventuell darin, dass bereits 1997 eine „Institutionalisierte Interdisziplinarität mit Festlegung der Aufgabenteilung […], regelmäßige und dokumentierte Fortbildung der beteiligten Pflegekräfte und Ärzte“ (ebd.) gefordert bzw. als entscheidender Faktor für die Umsetzung eines postoperativen Schmerzmanagement gesehen wurde (vgl. ebd.). Die Frage nach der Verantwortlichkeit für das postoperative Schmerzmanagement ist aktuell in vielen Bereichen nicht eindeutig geklärt bzw. im Rahmen von schriftlichen Vereinbarungen festgelegt.
Der Stellenwert der Pflege im postoperativen Schmerzmanagement wird im Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen“ ausführlich beschrieben. Die genaue Anamneseerhebung sowie die Schmerzmessung und Dokumentation sind hier als wesentliche Faktoren besonders hervorzuheben.
Um Patientinnen und Patienten mit postoperativen Schmerzen betreuen zu können, reicht es nicht, bloß mittels einer Checkliste zu erfragen, wo der Schmerz lokalisiert ist, welche Qualität er hat und wie stark die Intensität ist. Es reicht auch nicht, die medikamentös verordnete Schmerztherapie zu verabreichen. Das soziale und berufliche Umfeld spielt eine große Rolle im Schmerzmanagement. Ein Patient, der gerade in Scheidung lebt, hat großen Stress, dieser Stress bewirkt eine Schmerzverstärkung, wodurch eine mögliche Entlassung verzögert wird. Geht man auf diese Umgebungsfaktoren nur unzureichend ein, kann es sein, daß Patientinnen und Patienten unter Umständen deutlich länger in stationärer Behandlung bleiben müssen. Hierzu bedarf es ein hohes Maß an Spezialwissen im Hinblick auf die Schmerzbedeutung, Schmerzwahrnehmung sowie psychosoziale Faktoren, die zweifelsohne eine große Rolle bei jeder Operation spielen. Die psychosoziale Betreuung ist nach § 14 GuKG eine eigenverantwortliche Tätigkeit, da in nahezu allen Pflegebereichen psychosoziale Komponenten mitberücksichtigt werden müssen. Das Ansprechen von Mythen, die aktuell mit dem Ausrufen von „schmerzfreien Krankenhäusern“ verstärkt werden, sind ebenso Teil des Anamnesegespräches wie die Aufklärung und Information über Erwartungshaltungen, postoperativer Verlauf aus pflegerelevanter Sicht und Möglichkeiten der komplementären nicht medikamentösen schmerzlindernden Maßnahmen.
Auch wenn im Bereich der Pflege zunehmend Einsparungen vorgenommen werden, so ist es doch genau diese Berufsgruppe, die den meisten Kontakt zu Patientinnen und Patienten hat. Umso wichtiger ist hier eine gezielte und strukturelle Vorgehensweise, um die entscheidenden Faktoren bei postoperativen Schmerzen differenziert zu erfassen und sinnvolle Maßnahmen rasch umzusetzen.
Je mehr gespart wird, desto wichtiger wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit, desto bedeutender ist der Zeitfaktor. Je rascher Maßnahmen zur Schmerzlinderung durchgeführt werden, desto geringer die Gefahr einer Chronifizierung und desto ökonomischer die Schmerzbehandlung.
Aus diesem Grund wurde eine Arbeitsgemeinschaft mit VertreterInnen aus der Pflege gebildet, die aktuell ein Positionspapier erarbeitet, um noch stärker die Bedeutung und den Stellenwert des postoperativen Schmerzmanagement, vor allem jedoch die interdisziplinäre Zusammenarbeit hervorzuheben. Vielleicht ist ein neues Positionspapier eine Möglichkeit, das postoperative Schmerzmanagement weiter zu optimieren und die bereits 1997 geforderten Maßnahmen wie die Implementierung von bereits bestehenden Standards, die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die regelmäßigen Fortbildungen aller Beteiligten flächendeckend umzusetzen. Ein vorsichtiger optimistischer Blick in die Zukunft ist durchaus realistisch.
Literatur:
DIVS (2007): S3-Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer
Schmerzen. Online unter: www.awmf.org
DNQP (2005, 2011): Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen. Online unter: www.dnqp.de
Zucker, T.p. (1997): Postoperative Schmerztherapie. In: Gynäkologe 11/97, 30: 855-863, Springer-Verlag.