Pflegende Angehörige im Kinder- und Jugendlichenbereich

30. Oktober 2017 | Bildung, Pflegende Angehörige | 0 Kommentare

Wenn von pflegenden Angehörigen gesprochen wird, denkt die Mehrheit der Menschen an die Pflege der eigenen Eltern oder Großeltern. Studien darüber beschäftigen sich meist mit der Pflege von dementen Personen. Immer häufiger ist in Medien zu lesen, dass Kinder ihre Mutter, ihren Vater (mit)-betreuen. Aber in den seltensten Fällen denkt man daran, dass es viele Eltern gibt, die ihre chronisch kranken oder behinderten Kinder pflegen, auch sie sind Angehörige, auch sie pflegen.

Hier geht es nicht darum, ein Kind zu pflegen welches eine Kinderkrankheit hat, sondern um Eltern die ihre Kinder über Monate und Jahre pflegen, und das oftmals rund um die Uhr. Persönliche, finanzielle und familiäre Situationen bzw. kaum vorhandene Unterstützungsmöglichkeiten stellen diese Angehörige vor große Probleme, aus denen sie kaum einen Ausweg sehen.

Eltern als pflegende Angehörige
Wenn Kinder mit einer chronischen Erkrankung oder einer Behinderung auf die Welt kommen, ist es für die Eltern selbstverständlich, ihr Kind zu betreuen und zu versorgen. Meist ist das Ausmaß der Behinderung, der Sorgen, der Belastungen nicht absehbar. Doch bald stellt sich heraus, dass sich das komplette Leben der Familie von Grund auf ändert. Viele dieser Kinder/Jugendlichen benötigen medizinische Maßnahmen, sei es Medikamente, technische Hilfsmittel – wie Überwachungsgeräte, Absauggeräte, Beatmungsgeräte – oder invasive Tätigkeiten wie Blutzuckermessen, Katheterisieren, absaugen und vieles mehr. Bei gesunden Kindern kann eine Oma, eine Freundin aushelfen und unterstützen. Aber bei Kindern, welche auf medizinische Maßnahmen angewiesen sind, ist dies nicht möglich. Viele dieser Familien verlieren dadurch ihre sozialen Kontakte. Das Leben, der Alltag dreht sich nur mehr um das betroffene Kind/den betroffenen Jugendlichen. MOKI Wien begleitet viele Eltern die sich rund um die Uhr am Bett des Kindes abwechseln, und das über Wochen, Monate oder Jahre. Ein Arztbesuch, einkaufen gehen oder einmal eine Stunde nichts tun, bzw. eine Nacht durchschlafen muss mit viel Aufwand organisiert werden, oder ist oftmals nicht möglich. Die Erzählungen einer Mutter, die das „einkaufen mit ihrem Kind als Spießrutenlauf beschrieb, der beide an den Rand der Verzweiflung brachte“, bestätigen dies.

Die Ärmsten in diesen Familiensystemen sind meist die Geschwisterkinder, sie erleben schon sehr früh, was es heißt krank zu sein, sie müssen „funktionieren“, für sie bleibt kaum Zeit. Ein Besuch bei Freunden, ein Tag im Schwimmbad, … ist selten gemeinsam mit beiden Elternteilen möglich.

Besonders schwierig wird es für Familien, wenn das betroffene Kind in den Kindergarten, bzw. in die Schule gehen soll. Da auch während dieser Zeit medizinische Maßnahmen durchgeführt werden müssen, stellt die Suche nach einem geeigneten Platz, bzw. einer Institution welche die Kinder auch nehmen, eine große Herausforderung dar. Oftmals bringen Mütter ihre Kinder in der Früh in den Kindergarten, kommen in der Vormittagspause kurz für die Übernahme der Maßnahme (z.B. Blutzuckermessen, katheterisieren) und holen zu Mittag das Kind ab. Sie waren oder sind somit den ganzen Vormittag damit beschäftigt, hin und her zu fahren, für den Alltag bleibt da keine Zeit. Kinder die durchgehende Betreuung (z.B. beatmete Kinder) benötigten, oder in Akutsituationen rasche Betreuung benötigten (z.B. Krampfanfälle, mit Apnoen) konnten oder können nicht integriert werden.

Unterstützung für die Familien
Die Familien benötigen Unterstützung von Organisationen und Einrichtungen wie MOKI-Wien Wir betreuen Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr, unterstützen Eltern unmittelbar nach dem Krankenhausaufenthalt, nach der Diagnosestellung und begleiten die Familie über Jahre. Es werden die medizinischen Maßnahmen übernommen, aber ganz entscheidend ist die Entlastung der betroffenen Angehörigen. Geschultes Fachpersonal – es werden fast ausschließlich Diplomierte Gesundheits- und KrankenpflegerInnen (Kinder- und Jugendlichenpflege) eingesetzt – kann die betroffenen Kinder/Jugendlichen über mehrere Stunden betreuen. Diese „Freizeit“ wird unterschiedlich genützt – für den Einkauf, den Arztbesuch, den gemeinsamen Ausflug mit dem Geschwisterkind oder einer beruflichen Tätigkeit. Das Betreuungs- und Pflegekonzept wird der Familie angepasst, die Pflegepersonen übernehmen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben die Betreuung und Pflege, und beraten mit ihrer fachlichen Expertise die Eltern bei ihren Entscheidungen. MOKI-Wien betreut auch in Kindergärten und Schulen, entweder punktuell oder während des ganzen Vormittags. Leider gibt es im Kinder- und Jugendlichenbereich wenig Unterstützungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige. Kurzzeitpflegeplätze oder gar stationäre Hospizeinrichtungen sind kaum bis gar nicht vorhanden. Benötigen die Eltern eine Auszeit, oder erkranken diese, muss das Kind im Spital aufgenommen werden, dies ist eine große Belastung für  Unterstützungsangebote für Familien mit chronisch kranken oder behinderten Kindern/Jugendlichen zu Hause anbieten, mit einigen (z.B. MOMO, Netz) arbeitet MOKI-Wien sehr eng zusammen. Es ist aber noch immer ein mühevoller, steiniger Weg den Eltern gehen müssen. Zuletzt soll hier noch auf die finanzielle Situation vieler Familien hingewiesen werden. Meist müssen Mütter auf ihren Arbeitsplatz verzichten, da sie diese Zeit für ihr schwerkrankes, sehr pflegeaufwendiges Kind/Jugendlichen benötigen. Für sie ist das ein erster Schritt in eine Isolation, ihr einziges „Lebensziel“ ist nun ihr Kind zu pflegen. Ausgrenzung, Burn-Out oder körperliche Symptome sind oftmals die Folge. Aber auch die finanziellen Belastungen nehmen zu, es fehlt ein Gehalt, der für den Alltag notwendig ist, viele der betroffenen Familien sind armutsgefährdet!

Die Abbildung stellt die (fraglichen) Einnahmen gegenüber den Ausgaben dar, und beschreibt auch mögliche Auswirkungen. Das Pflegegeld wird immer wieder für  die Kostenübernahem der Miete, der Heizung oder für Lebensmittel verwenden, auch wenn es somit nicht dem ursprünglichen Sinn entsprechend eingesetzt wird. Hier kommt erschwerend dazu, dass bei der Ermittlung des Pflegebedarfs immer von gleichaltrigen Kindern ausgegangen wird (vgl. Bundespflegegeldgesetz, § 4 Abs 3 BPGG, Stand 14.04.2017, sowie der Kinder-Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz) und kleine Kinder geringer eingestuft werden. Die meisten der Eltern sehen es als Selbstverständlichkeit an, ihre Kinder/Jugendlichen zu pflegen und zu betreuen, dafür gehört ihnen großer Respekt und Anerkennung! Es müssen aber dringend politische Entscheidungen getroffen und Angebote geschaffen werden, damit die pflegenden Angehörigen der Kinder und Jugendlichen wieder hauptsächlich Eltern sein können!

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