Kennen Sie dies nicht auch? Sie haben etwas Einschneidendes erlebt und sehen als vorläufige Möglichkeit lediglich, sich irgendwohin zu hocken und zu grübeln. Kommen zu viele Ereignisse zusammen, grübeln Sie vielleicht zu häufig. Wenn Sie dann allzu empfindsam sind, kommt die Frage auf, inwieweit das Grübeln pathologisch ist. Antworten haben mit dem Buch „Pathologisches Grübeln“ die Psychologen Tobias Teismann und Thomas Ehring gegeben. Sie haben sich mit dem übersichtlichen und gut verständlichen Buch dem Grübeln genähert, das in der psychosozialen Versorgung sicher eher als Phänomen denn als Symptom wahrgenommen wird.
Dem Grübeln schreiben Ehring und Teismann „repetitives negatives Denken“ (S. 4) zu. Aus ihrer Sicht spielt das Grübeln eine wichtige Rolle im Kontext verschiedener psychischer Störungen. Unter anderem kennzeichnen sie das Grübeln als „Prädiktor depressiver Episoden“ (S. 10). Mehr noch: Eine grüblerische Auseinandersetzung mit depressiver Stimmung sei „ein zentraler Vulnerabilitätsfaktor für die Intensivierung und Aufrechterhaltung depressiver Symptome wie auch für die Entstehung klinisch relevanter depressiver Episoden“ (S. 11).
Aber es sind nicht nur affektive Störungen, bei denen das Grübeln von Bedeutung ist. Teismann und Ehring stellen das Grübeln als mentale Gewohnheit, als Vermeidungsverhalten oder auch als Verarbeitungsstil vor. So stellen sie einem abstrakten Verarbeitungsstil einen konkreten Denkstil gegenüber. Dabei schlussfolgern sie: „…, dass nicht nur die Reduktion des Grübelns ein Ziel der Behandlung sein sollte, sondern vielmehr ein Fokus auf die Förderung eines alternativen Verarbeitungsstils im Sinne einer konkreten, erfahrungsbezogenen und spezifischen Auseinandersetzung mit schwierigen Erlebnissen und Erlebensweisen gelegt werden sollte“ (S. 26).
Das Grübeln wird inzwischen wissenschaftlich fundiert bearbeitet. Ehring und Teismann führen natürlich die Begriffe der Rumination und Co-Rumination (gemeinschaftliches Grübeln) ein. Sie legen Wert auf das metakognitive Modell des Grübelns. Dabei gehe es nicht um das Was, sondern um das Wie des Denkens, das für die Entstehung emotionaler Probleme entscheidend sei.
Die psychosozialen Praktikerinnen und Praktiker finden hilfreiche Unterstützung bei der Diagnose und dem Umgang mit dem pathologischen Grübeln. Den Verhaltenstherapeuten geht es dabei um Verhaltensanalysen, Auslösereize sowie um das Anschauen des Grübelns im Alltag und in Ausnahmesituationen. Ehring und Teismann stellen die „Ruminationsfokussierte Kognitive Verhaltenstherapie“ (RFCBT) vor. Bei der Psychoedukation geht es ihnen um die Akzeptanz, dass Grübeln auch eine normale und hilfreiche Reaktion für den Einzelnen und die Einzelne sein kann. Gleichzeitig nehmen sie an, dass Grübeln eine angelernte Reaktion ist und alternative Reaktionen etabliert werden können.
Das Ermunternde an dem Buch von Teismann und Ehring ist, dass sie ein scheinbar alltägliches Phänomen in den Fokus der therapeutischen Aufmerksamkeit rücken. Nicht nur dies. Sie stellen für das Verständnis, den Umgang und die Bewältigung mit dem Grübeln gut handhabbare und verständliche Materialien vor. Dabei lassen sie die Wissenschaftlichkeit nicht vermissen. Besonders Teismann hat mit der Beschäftigung mit dem Grübeln einen unübersehbaren und schwer verzichtbaren Akzent gesetzt. Ganz im Sinne vorheriger Publikationen.
Tobias Teismann / Thomas Ehring: Pathologisches Grübeln, Hogrefe-Verlag, Göttingen 2019, ISBN 978-3-8017-2748-2, 105 Seiten, 19.95 Euro.