Müdigkeitsgesellschaft Burnoutgesellschaft Hoch-Zeit

19. Dezember 2016 | Rezensionen | 0 Kommentare

Vor 5 Jahren erschien einer der wichtigsten zeitdiagnostischen Essays der letzten Jahre: Die »Müdigkeitsgesellschaft« hat sich bis heute weltweit über 300 000 mal verkauft. Byung-Chul Han konstatiert darin knapp und präzise einen entscheidenden Paradigmenwechsel: Die Gesellschaft der Negativität weicht einer Gesellschaft, die von einem Übermaß an Positivität beherrscht ist. Davon ausgehend zeichnet Han die pathologische Landschaft der heutigen Gesellschaft, zu der neuronale Erkrankungen wie Depression, Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, Borderline oder Burnout gehören. Sie sind keine Infektionen, sondern Infarkte, die nicht durch die Negativität des immunologisch Anderen, sondern durch ein Übermaß an Positivität bedingt sind. So entziehen sie sich jeder immunologischen Technik der Prophylaxe und Abwehr. Hans Analyse mündet am Ende in die Vision einer Gesellschaft, die er in beabsichtigter Ambivalenz »Müdigkeitsgesellschaft« nennt. Die Neuauflage ergänzt den Essay um zwei weitere Texte, in denen er seine These weiterführt: »Burnoutgesellschaft« und »Hoch-Zeit«.

Persönliches Fazit

Bisher fanden wir immer ein Heilmittel gegen den „Feind“ des jeweiligen Zeitalters. Antibiotika, Impfungen und andere Lösungen verhalfen der Gesellschaft aus diesen negativen Erscheinungen heraus. Doch welches Mittel soll es gegen eine positive Erscheinung geben: dem Wohlstand und Fortschritt. Das Tempo macht uns müde und es scheint, dass wir keinen Ausweg finden. Wie auch? Wie kann man für eine positive Erscheinung ein Heilmittel finden? In wertschätzender Weise aber auch in der kritischen Betrachtung anderer Philosophen sieht der Autor einen notwendigen Weckruf, da eine Änderung nur durch ums selbst bzw. durch unser Inneres erfolgen kann. Die zwanghafte Schnelligkeit, welche uns so müde macht aus dem Leben verbannen, um wieder Platz für Leben zu schaffen. Aus dem MÜSSEN ein WOLLEN, aus dem SOLLEN ein KÖNNEN machen. Der Autor legt uns nahe loszulassen, wieder achtsam mit dem eigenen Wohl umzugehen. Das Leben achten, sein Wirken reflektieren. Ein Meisterwerk! (MG)

Über den Autor
Byung-Chul Han, geboren in Seoul, lehrt seit dem Wintersemester 2012/13 an der UDK Berlin Philosophie und Kulturwissenschaft. Han veröffentlichte zahlreiche Bücher, zuletzt »Müdigkeitsgesellschaft«, »Topologie der Gewalt«, »Transparenzgesellschaft«, »Im Schwarm« und »Agonie des Eros«.

Autor: Byung-Chul Han
Sprache:
Deutsch
Verlag: MSB Matthes & Seitz Berlin
Seitenumfang: 115 Seiten
ISBN: 978-3-95757-274-5

Autor:in

  • Markus Golla

    Studiengangsleiter "GuK" IMC FH Krems, Institutsleiter Institut "Pflegewissenschaft", Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall)