Mit Krisen sind Pflegende in sämtlichen Settings alltäglich konfrontiert. Treten Krisen auf, so ist das vorrangige Ziel der Pflegenden, sie zu bewältigen. Handlungs-und Lösungsorientierung haben Priorität. Woran es dabei mangelt, ist ein Verständnis für die Krisen, in die Menschen in den Versorgungssettings kommen. Und es fehlt den Pflegenden an einem Selbstverständnis, welche Rolle sie bei Kriseninterventionen spielen wollen. Das Buch „Krisenintervention im pflegerischen Setting“ eröffnet nun die Perspektive, solche Lücken zu füllen. Aus Leerräumen können nun Gestaltungsräume werden.
Überzeugend klingt es, dass Fastner im Zusammenhang mit einer Krisenintervention wiederholt den Begriff der Ermutigung nutzt. Dies zeigt, dass sie als Pflege-Expertin mehr will als die Auflösung einer schwierigen Situation. Sie sieht Pflegende eigentlich in der Rolle, dass sie nur Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Abhängigkeiten müssten auf das Notwendigste reduziert werden, Krisenunterstützung müsste zeitlich begrenzt werden.
Selbstverständlich müsste diese Haltung sein. Schaut man sich in den unterschiedlichen Versorgungskontexten um, so herrscht dort sicher eher ein Hang zur Hospitalisierung und eine erlernte Hilflosigkeit bei den unterstützungsbedürftigen Menschen vor. Umso notwendiger erscheint die Auseinandersetzung mit den Zielen pflegerischer Krisenintervention, wie sie Fastner beschreibt. Über die Hilfe zur Selbsthilfe hinaus sieht sie eine aktive und konstruktive Bewältigung als ein entscheidendes Momentum. Auf diese Weise nimmt sie die Betroffenen in die Pflicht, sich aus einer problematischen Situation zu befreien, anstatt sich auf die Unterstützungsbereitschaft (beispielsweise durch professionell Pflegende) zu verlassen.
Sehr umfassend führt Fastner in die Begriffswelt der Krisen und der Kriseninterventionen ein. Die zeitgenössischen theoretischen Hintergründe arbeitet sie auf, legt Wert auf die Ressourcen und das Coping der betroffenen Menschen. Sie betont die Metaqualifikationen pflegerischer Krisenbegleitung. Aus ihrer Sicht brauchen professionell Pflegende neben Erfahrung und theoretischem Hintergrundwissen „Fertigkeiten, Methoden und Ablaufvorgaben, die dazu befähigen, selbständige Begleitung in psychosozialen Krisen situationsgerecht zu gestalten“ (S. 115).
Die Beziehungsgestaltung in krisenhaften Situationen stellt sie in den Mittelpunkt. Eine ungestörte und stressfreie Atmosphäre hält sie für unverzichtbar, um Krisensituationen zu meistern. Gleichzeitig lässt sie die Erfahrung sprechen und mahnt ein ruhiges und zugewandtes Auftreten der Pflegefachkraft an. Auch rückt sie den Begriff des Caring ins Scheinwerferlicht, der häufig in Vergessenheit gerät. Mit Caring meint Fastner „eine fürsorgliche pflegerische Auffassung, die sich durch eine verbindliche und verantwortungsvolle Haltung zum Gegenüber auszeichnet“ (S. 123).
Gerade bei dem Schauen auf die Methoden der Krisenintervention zeigt sich, dass professionell Pflegende dauerhaft und nachhaltig damit beschäftigt sein müssen, das eigene Handwerkszeug zu pflegen, sich fortzubilden sowie das eigene Denken und Handeln zu reflektieren. Krisen müssen nicht nicht nur strukturiert begleitet werden, wie es deutlich wird. Es muss auch die Tragweite der einzelnen Bewältigungsschritte deutlich sein. Fastners Buch „Krisenintervention im pflegerischen Setting“ kann dabei eine große Stütze sein.
Manuela Fastner: Krisenintervention im pflegerischen Setting – Praxisbuch zur psychosozialen Krisenbegleitung für Pflegefachpersonen und Gesundheitsberufe, Hogrefe-Verlag, Bern 2021, ISBN 978-3-456-86088-6, 168 Seiten, 29.95 Euro.