Kompressionstherapie beim Ulcus cruris venosum

26. September 2016 | Fachwissen | 0 Kommentare

Die Kompressionstherapie ist ein grundlegender Aspekt in der Behandlung des Ulcus cruris venosum (UCV). Eine sach- und fachgerechte Kompressionstherapie bewirkt eine dauerhafte Steigerung des venösen Rückflusses und somit eine Reduktion der Druck- und Volumenüberlastung im Venensystem der Beine. Mit unterschiedlichen Materialien und Verfahren wird ein herzwärts sukzessiv abnehmender Kompressionsdruck erzeugt, der den venösen Querschnitt verringert. Noch nicht zerstörte Venenklappen können ihre Funktion als Rückstauventil wieder aufnehmen, Ödeme werden reduziert, der venöse Rücktransport gefördert und Schlackenstoffe sowie Metabolite abtransportiert. Die Reduktion des Ödems ist schmerzlindernd. Zudem bildet die Kompressionstherapie ein stabiles Widerlager für die Beinmuskulatur, so dass sich die Arbeit der Muskelpumpen – insbesondere Sprunggelenk- und Wadenmuskelpumpe- intensiviert. Somit wird zunächst eine periphere Entstauung bewirkt. Im weiteren Verlauf folgt die Abheilung von Ulzerationen. Zudem beugt die Kompressionstherapie der Neuentstehung von Ödemen und der Entwicklung von Thrombosen vor.

Grundsätzliches
Die Kompressionstherapie erlangt ihre volle Wirkung erst in Verbindung mit aktiver Bewegung. In der Therapiephase, der sogenannten initialen Entstauungsphase, ist beim floriden UCV zur Ödemreduktion und zur Unterstützung der Abheilung eine kräftige Kompressionsversorgung zu gewährleisten. Hierfür können Kurzzugbinden, Mehrkomponentensysteme oder spezielle Kompressionskits zum Einsatz kommen. Zudem gibt es adaptive Kompressionsbandagen, auch Wrap-Systeme oder Klettbandagen (z. B. circaid® juxtacures® Firma medi) genannt, bei denen durch ein Klettsystem der erwünschte Kompressionsdruck ggf. mithilfe einer Kontrollschablone einstellbar ist.
Wenn die initiale Entstauungsphase – meist nach drei bis vier Wochen – abgeschlossen ist, folgt die Erhaltungsphase. Es liegt ein stabiler Zustand vor, d. h. Ödeme sind entstaut, und die Abheilung des Ulkus schreitet voran. Nun sollte eine Umstellung der Versorgung auf Ulkus-Strumpfsysteme oder medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) erfolgen.
Tipp: Um den Erfolg der Kompressionstherapie zu überprüfen, sind einmal wöchentlich Vorfuß-, Knöchel- und Wadenumfang an der jeweils dicksten Stelle zu messen. Findet keine Entstauung statt, kann dies u. a. an einer ineffizienten Kompressionsversorgung, aber auch an einer nicht vorhandenen bzw. nur sehr eingeschränkten Funktion der Venenpumpen liegen.

Nach Abheilung des UCV ist zur Rezidivprophylaxe eine störungsfreie Erhaltungsphase zu gewährleisten. Hierfür ist eine mittlere Kompressionstärke mit MKS in der Kompressionsklasse (KKL) II meist ausreichend. Eine solche Bestrumpfung ist zur Rezidivprophylaxe ein Leben lang zu tragen. Cave: Sowohl Ulkus-Strumpfsysteme wie auch MKS sind erst im Anschluss an eine erfolgreiche Entstauung sinnvoll einzusetzen.

Für die Kompressionstherapie stehen verschiedene Materialien zur Verfügung. Hierzu gehören unter anderem:
• Kurzzug-, Mittelzug- und Langzugbinden,
• Zinkleimbinden,
• Bindensysteme bzw. sogenannte Mehrkomponentensysteme,
• Polstermaterialien, z. B. Watte, Schaumstoff, Pelotten,
• Ulkus-Strumpfsysteme,
• Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) und
• Intermittierende pneumatische Kompressionsverfahren.

Möglichkeiten der Kompressionsversorgung in der initialen Entstauungsphase
Der phlebologische Kompressionsverband (PKV) ist laut Studien mit einem hohen Druck anzulegen. Mehrkomponentensysteme sind daher darauf ausgelegt, einen solchen Druck entsprechend zu gewährleisten. Laut internationalem Konsens werden folgende Kompressionsdruckwerte empfohlen: leicht: < 20 mmHg, mittelstark: ≥ 20–40 mmHg, stark: ≥ 40–60 mmHg, sehr stark: > 60 mmHg. Es gibt verschiedene Möglichkeiten in der Versorgung.

Kurzzugbinden
sind unelastisch und haben ein geringes Dehnungsvermögen von unter 100 %. Sie erzeugen einen hohen Arbeitsdruck und einen niedrigen Ruhedruck. Ihre Anwendung erfolgt bei mobilen Patienten, die durch Eigenbewegung einen entsprechenden Arbeitsdruck erzeugen können. Kurzzugbinden geben schnell nach, verrutschen und verlieren bereits nach wenigen Stunden ihre Form, sodass sie den gewünschten Anlagedruck nicht lange halten können. Bei Bewegung und Ödemreduktion nimmt der Druck über die ersten 24 Stunden erheblich ab. Daher ist die Bandagierung in der initialen Entstauungsphase ggf. täglich zu erneuern.

Tipp: In der Therapiephase sollten Kurzzugbinden zur Unterstützung des Abheilungsprozesses kontinuierlich über 24 Stunden getragen werden. Wenn der Patient ohne Bandagierung nach Ablegen der Kompressionsversorgung abends noch herumläuft oder morgens vor Anlage viel in Bewegung ist, geht der Entstauungserfolg vom Vortag verloren.

Langzugbinden
haben ein hohes Dehnungsvermögen bis zu 200%. Sie erzeugen einen niedrigen Arbeitsdruck und einen hohen Ruhedruck. Bei Bewegung und Veränderung des Extremitätenumfangs passt sich die Langzugbinde an und hält den Druck daher über mehrere Tage. Cave: Bei immobilen Patienten besteht ein Risiko. Aufgrund des hohen Ruhedrucks können bei längeren Ruhephasen starke Einschnürungen entstehen! Deshalb sollte eine alleinige Bandagierung mit Langzubinden in der Kompressionstherapie nicht mehr zum Einsatz kommen.

Zinkleimbinden
sind nahezu steif und liegen in ihrem Dehnungsvermögen unter 10 %. Sie erzeugen einen sehr hohen Arbeits- und einen niedrigen Ruhedruck. Sie werden feucht angelegt und entwickeln den Kompressionsdruck durch Aushärten. Zinkleimwinden erzeugen aufgrund der Steifigkeit eine schnelle Entstauung, etwa zu Beginn der Therapie. Cave: Die steifen Binden schränken die Arbeit der Muskelpumpen, insbesondere im Sprunggelenk, erheblich ein. Bei Ödemreduktion mindert sich der Anlagedruck. Zinkleimbinden können überschüssiges Wundexsudat nicht aufnehmen. Dadurch sind Hautschädigungen wie Mazeration und eine unangenehme Geruchsentwicklung möglich.

Fertigbinden-/Mehrkomponentensysteme
bestehen aus zwei-, drei- oder vier Komponenten, z. B. Polster-, Kompressions- und Fixierbinden, z. T. werden Kurz- und Langzugbinden sowie kohäsive Materialien kombiniert (Abb. 1 und 2). Sie haben den Vorteil, dass meist keine aufwendigen Kompressionstechniken beherrscht werden müssen. Einige Systeme verfügen über optische Markierungen, die die Anlage eines therapierelevanten Drucks erleichtern (Abb. 3). Diese Produkte können – im Gegensatz zu Kurzzugbinden -, den Anpressdruck über viele Stunden, je nach Entstauungssituation, relativ konstant halten. Die jeweils abschließende, kohäsive Binde beugt einem raschen Lockern bzw. Verrutschen vor. Studien weisen auf die Überlegenheit dieser Systeme gegenüber den Bandagierungen mit Kurzzugbinden hin. Mehrkomponentensysteme verbleiben bis zu sieben Tage und verrutschen nicht. Sie sind z. T. auch als „Lite“-Variante erhältlich und für Patienten mit arteriellen Durchblutungsstörungen (ohne kritische Ischämie!), meist mit einem Knöchel-Arm-Druck-Index (KADI/ABPI) zwischen 0,6 und 0,8, geeignet.

Adaptive Kompressionsbandagen
Eine neue Entwicklung sind adaptive Kompressionsversorgungen, wie Klett- bzw. Wrap-Verbände/-bandagen (z. B. JuxtaCures® Firma medi, Bayreuth). Sie sind eine Alternative zu den herkömmlichen Bindenbandagierungen. Bei diesen Produkten ist der erwünschte Kompressionsdruck durch ein Klettsystem einstellbar. Der erzeugte Druck ist zum Teil durch eine visuelle Messscheibe kontrollierbar (Abb. 4a und b). Dies gewährleistet eine Sicherheit über den angelegten Druck. Derzeit gibt es Systeme für das UCV mit einer Druckwertspanne von 20 bis 50 mmHg. Durch die Klettverschlüsse ist der Druck jederzeit individuell nachjustierbar. Solche Systeme sind ggf. von den Angehörigen bzw. Patienten selber anzulegen und einzustellen.

(C) Kerstin Protz

(C) Kerstin Protz

Grundlagen der Bandagierung
Die Überlegenheit einer bestimmten Bandagierungstechnik, z. B. nach Pütter, Sigg, Fischer, ist nicht erwiesen. Entscheidend für die Effizienz ist die sach- und fachgerechte Ausführung der gewählten Methode. Die nachfolgenden Aspekte sind für jede Kompressionsbandagierung grundlegend. Zu Beginn wird ein Schlauchverband aus Baumwolle zum Schutz der Haut bis unterhalb des Knies angezogen. Eine unsachgemäße Anlage der Kompressionsversorgung kann Druckschäden mit sich bringen. Selbst eine Kompressionsbandagierung, die von einer fachlich versierten Kraft angelegt wurde, kann unbemerkte Einschnürungen, nervale Schädigungen, Drucknekrosen oder Blasen bewirken. Eine adäquate Unterpolsterung beugt diesen unerwünschten Begleiterscheinungen vor. Die Form der zu wickelnden Extremität wird bei der Anlage ebenfalls berücksichtigt. Dies bedeutet, eventuelle Hervorhebungen oder Absenkungen sind entsprechend zu polstern bzw. aufzufüllen, so dass der gewünschte Druck überall gleichmäßig erzeugt wird und auf die Gesamtheit der zu wickelnden Extremität einwirken kann. Druckpolster und Pelotten können die Effektivität zusätzlich verstärken. Um die Verletzungsgefahr zu reduzieren, erfolgt kein Einsatz von beiliegenden Fixierklammern (sog. „Schwiegermütter“). Zur Fixierung des Bindenabschluss dienen Pflasterstreifen. Die Bindenbreite ist orientiert an Form und Durchmesser des jeweiligen Körperteils auszuwählen. Zur adäquaten Kompressionsversorgung sind mindestens zwei Binden notwendig, je nach Umfang auch mehr. Die Ferse ist immer mit einzubinden. Der Beginn der Bandagierung erfolgt am Großzehengrundgelenk. Die Binde folgt anschließend dem weiteren Zehenverlauf. Es ist darauf zu achten, dass der Fuß in Dorsalflexion (= im rechten Winkel zur Wade) steht; ansonsten besteht Spitzfußgefahr! Der Bindenanfang wird mit zwei Kreistouren fixiert. Dabei ist auf einen guten Anlagedruck zu achten. Zu lockere Touren am Vorfuß können Ödemausbildungen provozieren. Die Binde ist mit der Rolle nach oben in der Hand liegend zu führen. Dabei wird ein abnehmendes Druckgefälle von distal nach proximal hergestellt. Die Bindenrolle wird unmittelbar auf der Haut unter permanentem Zug geführt, so dass sich die Binde gleichmäßig an das Bein anmodelliert. Ein zu straffes Anziehen einzelner Bindentouren stört das Druckgefälle und kann bei Einschnürungen zu einer venösen Stauung bis hin zur Erhöhung des Thromboserisikos, nervalen Druckschäden oder Drucknekrosen führen. Im Einzelfall, z. B. bei stark ausgeprägten Vorfußödemen oder begleitenden Lymphödemen, sind auch die Zehen mit zu komprimieren, um einen Ödemeinfluß zu vermeiden.

Indikationen für sofortiges Entfernen der Kompressionsbandagierung
• Blau- oder Weißfärbung der Zehen
• Missempfindungen und Taubheitsgefühle
• Zunehmende Schmerzen
• Kurzatmigkeit und Schweißausbrüche
• Akute Bewegungseinschränkungen

Tipp: Zur Anlagekontrolle und zum Training einer adäquaten Kompressionsbandagierung existieren Kompressionsdruck-Messgeräte, z. B. Kikuhime®, PicoPress® (Abb. 5).

Möglichkeiten der Kompressionsversorgung in der Erhaltungsphase
Ödeme sind entstaut und ein stabiler Heilungsprozess ist erreicht. In dieser Phase können folgende Produkte zum Einsatz kommen:
• Ulkus-Strumpfsysteme

Diese Produkte bestehen aus zwei Komponenten: einem Unterziehstrumpf, der den Wundverband schützt und fixiert und einem klassischen Kompressionsstrumpf, der den Druck erwirkt (Abb. 6a und 6b). Der Unterziehstrumpf mit einem geringen Anlagedruck verbleibt auch nachts am Unterschenkel. Der Überziehstrumpf wird jeweils nur tagsüber getragen. Nach entsprechender Schulung sind Betroffene oft in der Lage, solche Systeme selber an- und auszuziehen.

• Medizinische Kompressionsstrümpfe (s. u.)

Möglichkeiten der Kompressionsversorgung nach Abheilung des Ulcus cruris venosum und als Rezidivprophylaxe
Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) kommen zum Einsatz, wenn eine Entstauung erzielt wurde, meist bei abgeheiltem UCV. Sie sind für die Langzeit- und Dauerbehandlung von Venenerkrankungen indiziert. Eine Bestrumpfung erhält das bisherige Therapieergebnis und beugt Rezidiven vor. MKS erzeugen nicht nur einen konstanten Anlagedruck, sie bieten im Gegensatz zur Bandagierung, die Sicherheit, dass sie nicht verrutschen oder unangenehm auftragen. Ein faltenfreies Anziehen beugt der Entstehung von Druckstellen oder Schnürfurchen vor. Um keine Ziehfäden im Material zu erzeugen, sollte der Patient beim Anziehen Uhr und Schmuck abnehmen sowie darauf achten, Finger- und Fußnägel sorgfältig zu schneiden und zu feilen sowie die Hornhaut an den Füßen zu entfernen.

Je nach Indikation werden MKS in verschiedenen Kompressionsklassen als konfektioniertes Fertigprodukt oder als Maßanfertigung, z. B. als Strumpf/-hose, angepasst. Ggf. sind MKS auch an anatomische Gegebenheiten anzupassen, z. B. durch eingenähte Druckpolster, sogenannte Pelotten. Für viele Indikationen, insbesondere das UCV, ist die Unterschenkelkompression ausreichend. Eine Oberschenkelkompression ist z. B. bei tiefer Beinvenenthrombose, Knieödemen, Varikophlebitis im Oberschenkelbereich, nach Varizen OPs sowie lymphatischen Erkrankungen (hier meist Strumpfhosen) erforderlich.

Strickarten
Die Fertigung von medizinischen Kompressionsstrümpfen erfolgt in zwei unterschiedlichen Strickverfahren. Im Rundstrickverfahren wird der Strumpf mit einer fest definierten Anzahl an Nadeln auf einem Strickzylinder produziert und ist daher nahtlos. Es können weder zusätzliche Maschen auf- noch Maschen wieder abgenommen werden. Eine Anpassung an die Beinform erfolgt lediglich durch Änderung der Maschengröße, also eine feste oder lockere Strickung bzw. der Fadenspannung und ist daher nur sehr eingeschränkt möglich. Rundgestrickte MKS kommen meist bei Venenerkrankungen zum Einsatz. Das Rundstrickverfahren hat Grenzen bei der Formgebung, insbesondere bei außergewöhnlichen Beinumfängen bzw. starken Variationen in den Extremitätenumfängen. Da im Flachstrickverfahren Maschen individuell auf- oder abgenommen werden können, ist hiermit auch eine Anpassung an außergewöhnliche Beinumfänge möglich, z. B. bei Lip-/ Lymphödemen. Der Strumpf wird an einem Stück gestrickt und am Ende zusammengenäht, so dass eine Naht entsteht. Flachstrickprodukte sind deutlich gröber, fester, dicker und weniger elastisch als rundgestrickte MKS.

Kompressionsklassen
Die Kompressionsklassen (KKL) werden nach der Intensität des Andrucks in der Ruhephase auf die Extremität eingeteilt. Medizinische Kompressionsstrümpfe unterscheiden sich nicht nur durch ihr Material und dessen Elastizität, sondern auch durch die KKL. Die Verordnung hängt zum einen von der Diagnose aber auch von der Patientenakzeptanz ab. Daher gibt es derzeit keine verbindlichen Normen zur Verordnung bestimmter Kompressionsklassen. Nachfolgende Angaben dienen lediglich der Orientierung:

Pflege von MKS
Beim Waschen der MKS sind grundsätzlich die Herstellerangaben zu berücksichtigen. Aus hygienischen Gründen sollte eine tägliche Reinigung erfolgen. Üblich ist die Wäsche bei 30-40° C im Feinwaschprogramm, ggf. separat im Wäschenetz, unter Beigabe eines Feinwaschmittels. Kein Einsatz von Vollwaschmittel, Haarshampoos oder Weichspüler! Das Trocknen erfolgt flachliegend auf dem Wäscheständer. Heizung, Wäschetrockner oder direkte Sonneneinstrahlung können der Elastizität oder einer eventuellen Beschichtung schaden. Bügeln, chloren oder chemische Reinigung zerstören das Material.

An- und Ausziehhilfen
Das An- und Ausziehen der medizinischen Kompressionsstrümpfe stellt für viele Patienten eine Herausforderung dar. Da ihre Verwendung den Bewegungs- und Kraftaufwand verringert, ermöglichen sie, insbesondere Patienten mit Bewegungseinschränkungen, den eigenständigen Umgang mit den Materialien. An- und Ausziehhilfen erleichtern den Umgang mit den MKS. Es gibt diverse unterschiedliche Modelle. Der Patient sollte vorab eine individuelle Beratung erhalten, um herauszufinden, welches Modell am besten für seine Bedürfnisse und körperlichen Fähigkeiten geeignet ist. Es wird nach Produkten unterschieden, die für das Anlegen von MKS mit offener und/oder geschlossener Spitze geeignet sind sowie nur das Anziehen oder das An- und Ausziehen erleichtern. Generell gibt es zwei große unterschiedliche Bereiche, die Gleiter (Abb. 7) und die Gestelle (Abb. 8) bzw. Kombinationen aus beiden. Letztere sind in sitzender wie auch stehender Position nutzbar und insbesondere für Patienten mit Bewegungseinschränkungen geeignet, die häufig nicht mehr an ihren Vorfuß heranreichen. Sie sind grundsätzlich für offene und geschlossene Strümpfe geeignet und relativ einfach zu reinigen bzw. zu wischdesinfizieren. Allerdings sind diese Gestelle relativ groß, sperrig und schwer. Die Gleiter bestehen aus sehr gleitfähiger Chemiefaser, z.B. Segeltuch oder Ballonseide. Sie reduzieren die Scherkräfte, so dass auch eine Wundauflage nicht verrutscht. Zudem sind sie klein, faltbar und passen in jede Handtasche. Allerdings benötigt der Patient ausreichend Beweglichkeit, um an seinen Vorfuß heranzukommen. Betreffend der Reinigung sind die Angaben der Packungsbeilage zu entnehmen. Die meisten Gleiter sind wischdesinfizierbar oder bei 30° C waschbar. Der unterstützende Einsatz von genoppten Gummi- bzw. Haushaltshandschuhen bietet eine zusätzliche Erleichterung, da die Griffigkeit erhöht und das Risiko von Materialschäden, z.B. durch die Fingernägel, gemindert wird.

Unterstützende Verfahren in der initialen Entstauungs- und Erhaltungsphase
Bei der intermittierenden pneumatischen Kompressionstherapie (IPK) (auch als apparative intermittierende Kompressionstherapie (AIK) bezeichnet) wird durch eine elektrische Pumpe in einem Ein- oder Mehrkammerluftkissen, das um das Bein angelegt wird, ein variabler Druck erzeugt. Diese Methode ermöglicht eine exakte Druckbestimmung, die bei Kompressionsbandagierungen nur mit Druckmessgeräten zu gewährleisten ist. Ohne Einsatz der Muskelpumpe verbessert die IPK die Blutzirkulation, die Funktion der Lymphgefäße, entstaut Ödeme und bewirkt gleichzeitig eine Druckentlastung in den Ruhephasen. Je nach Therapieplan kommt diese Methode in individuell abgestimmten Intervallen und mit individuell abgestimmten Druckwerten über dem Kompressionsverband zur Anwendung. Sie ist eine gute Unterstützung bei immobilen oder bewegungseingeschränkten Patienten. Die IPK ersetzt nicht die manuelle Lymphdrainage! Cave: Der Abfluss über das Lymphsystem muss gewährleistet sein Der Patient sollte bei der Behandlung liegen und nicht im Leistenbereich abknicken.

Fazit
Im Hinblick auf die Verschiedenheit dieser Produkte und der Variantenvielfalt ihrer Anwendung basiert die Kompressionstherapie als einer der wichtigsten Säulen der Therapie des UCV gleichermaßen auf der Kenntnis der adäquaten Materialien als auch auf der Befähigung der Versorger, diese sachgerecht anzuwenden. Nur unter Aufklärung und Einbeziehung des Patienten kann eine optimale Abheilung des Ulcus cruris venosum gelingen.

Kerstin Protz, Krankenschwester, Projektmanagerin Wundforschung am Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, Referentin für Wundversorgungskonzepte, Vorstandsmitglied Wundzentrum Hamburg e.V.

Quellen
Deutsche Gesellschaft für Phlebologie. Leitlinie: Intermittierende pneumatische Kompression (IPK oder AIK). 2005. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 037/007, Entwicklungsstufe 2. Status 2016: in Überarbeitung.
Deutsche Gesellschaft für Phlebologie. Leitlinie: Phlebologischer Kompressionsverband (PKV). 2009. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 037/005, Entwicklungsstufe 1. Status 2016: in Überarbeitung.
Deutsche Gesellschaft für Phlebologie. Leitlinie: Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum. 2008. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 037/009, Entwicklungsstufe 3. Status 2016: in Überarbeitung.
Eurocom e.V. Venenerkrankungen und ihre Therapie. Düren, 3. Auflage 2012
O`Meara S, Cullum N, Nelson EA, Dumville JC. Compression for venous leg ulcers. Cochrane Database Syst Rev 2012; 11: CD000265.
Partsch H, Clark M, Mosti G, Steinlechner E, Schuren J, Abel M, Benigni JP, Coleridige-Smith P, Cornu-Thénard A, Flour M, Hutchinson J, Gamble J, Issberner K, Juenger M, Moffatt C, Neumann HAM, Rabe E, Uhl JF. Classification of compression bandages: practical aspects. Dermatol Surg 2008; 34(5): 600-609.
Protz K (2016): Moderne Wundversorgung, 8. Auflage, Elsevier Verlag, München
Protz K, Dissemond J, Kröger K (2016): Kompressionstherapie – Ein Überblick für die Praxis, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg
Wundzentrum Hamburg e.V.: www.wundzentrum-hamburg.de

Autor

  • Kerstin Protz

    Projektmanagerin Wundforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Referentin für Wundversorgungskonzepte, Vorstandsmitglied Wundzentrum Hamburg e.V.