Komplementäre Pflege im psychiatrischen Kontext erfolgreich umgesetzt

5. Oktober 2019 | News Österreich | 0 Kommentare

† Nachruf

In Gedenken an Dolores „Dee“ Krieger, die am 16.Juni 2019 um 12.50 Uhr in ihrem Haus in der Nähe der Columbia Falls in Montana verstorben ist.

Dr. Krieger war Krankenschwester (RN), Professorin für Pflegewissenschaft an der Universität in New York, Schülerin der Heilerin Dora Kunz und Pionierin und Mitbegründerin der holistischen Pflegemethode Therapeutic Touch in den USA der Siebziger Jahre. Dolores Krieger & Dora Kunz hinterlassen ein großartiges Vermächtnis und eine Königsdisziplin für alle Pflegefachkräfte.

Das 2.Symposium „Komplementäre Pflege – Therapeutic Touch“ vom 19.9.2019 wird ihrem Lebenswerk gewidmet. (Gabriele Wiederkehr)

 

Am Donnerstag, den 19.September 2019 fand in den stimmungsvollen alten Gemäuern des ehemaligen Klosters und der späteren Kaserne im heutigen Therapiezentrum Ybbs das 2. Symposium „Komplementäre Pflege – Therapeutic Touch“ statt. Mehr als 120 TeilnehmerInnen und ReferentInnen folgten der Einladung von Initiatorin Gabriele Wiederkehr, Leitung des Instituts für Weiterbildung im Gesundheitswesen – Zentrum Lebensenergie und verbrachten den Tag mit spannenden Impulsvorträgen, Qi Gong unter den riesigen Platanen, vielfältigen praxisorientierten Workshops und einem qualitätsvollen Austausch.

Der sonniger Spätsommertag und der modern renovierte Festsaal der historischen Räumlichkeiten des Therapiezentrums Ybbs an der Donau waren ein perfekter Rahmen für das 2. Symposium zum Thema „Komplementäre Pflege – Therapeutic Touch“, das aufgrund des erfolgreichen Symposiums im Jahr 2017 (Nachlese hier: https://bit.ly/2l55E8R) und der hohen Nachfrage bereits zum 2. Mal stattfand.

Auch diesmal war das Ziel des Symposiums der komplementären Pflegemethode Therapeutic Touch eine Bühne zu geben, sie zu diskutieren, den professionellen Austausch zu fördern und fundiertes Wissen auszutauschen. Neu und sehr erfolgreich wurden die sechs Workshops zu Themen wie Faszien, TT Kurzinterventionen, Klangschalen, Menopause und TT im psychiatrischen Kontext von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern positiv und aktiv angenommen.

„Die Novellierung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes im Jahr 2016, bei der „die Anwendung komplementärer Pflegemethoden“ eine gesetzliche Grundlage erhalten hat, ermutigt immer mehr PflegeexpertInnen auch Therapeutic Touch als Intervention zu erlernen und anzubieten.

Mitgefühl, Fürsorge und Wohlbefinden werden über die therapeutisch eingesetzte Berührung vermittelt.

Aus meiner Sicht sind diese Qualitäten insbesondere für kranke Menschen wie auch für das „erkrankte“ Gesundheitssystem von größter Bedeutung.“

(Gabriele Wiederkehr, Initiatorin Symposium „Komplementäre Pflege – Therapeutic Touch“)

Nach der Eröffnung der Veranstaltung durch Vizebürgermeister Herbert Scheuchelbauer, der auf die bedeutende Geschichte des Therapiezentrums hinwies, begrüßte die Veranstalterin und Leiterin des Institut für Weiterbildung im Gesundheitswesen – Zentrum Lebensenergie, Frau Gabriele Wiederkehr, MSc das interessierte Publikum: Die Bedeutung der komplementären Pflegemethode Therapeutic Touch zu erkennen und in die Welt zu tragen sei ebenso das Ziel der Veranstaltung wie der Austausch über fundiertes Wissen und Erfahrungen zum Thema sowie das Verständnis, dass Selbstpflege von größter Bedeutung ist und dass Fürsorge, Mitgefühl, Entspannung und Wohlbefinden immens zur Gesundheit und zur Heilung beitragen.

Der anschließende Eröffnungsvortrag von DGKP Esther Schauberger, welche im Multiprofessionellen Kompetenzzentrum (MPKZ) im Therapiezentrum Ybbs als Pflegeexpertin arbeitet und über die professionelle Integration von komplementären Pflegemethoden wie Aromapflege, Qi Gong, Klangschalen, NADA Ohrakupunktur und Therapeutic Touch sprach, war ein stimmiger Start für alle weiteren Impulsvorträge, die an diesem Tag folgten.

Der zweite Vortrag des Tages stammte von Univ.-Ass. Petra Schumacher, MScN, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Pflegewissenschaft und Gerontologie an der UMIT – Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik. Es wurde die experimentelle Pilotstudie „The effect of Therapeutic Touch on Back Pain in Adults on a Neurological Unit“ vom Universitätsklinikum in Graz präsentiert, welche im Pain Management Nursing (2019) publiziert ist.  Den Originalartikel finden interessierte Leserinnen und Leser auf https://www.painmanagementnursing.org/article/S1524-9042(17)30510-6/pdf, 24.9.2019. Ziel der Pilotstudie war die schmerzlindernde Wirkung von Therapeutic Touch zu untersuchen. Erwachsene neurologische Patienten mit Rückenschmerzen wurden in der randomisierten kontrollierten Interventionsstudie untersucht. Zur Ergebnismessung zog die Forschungsgruppe den Quebec Back Pain Disability Scale (QBPDS) und die Numeric Pain Rating Scale zur Bewertung von Aktivitäten und Schmerzintensität, herangezogen. Auf Nachfrage des Publikums wurden die Schwächen der Pilotstudie kritisch beleuchtet. Therapeutic Touch wird als „nichtinvasive Pflegeintervention zur Behandlung von Rückenschmerzen (…) um eine professionellere Patientenversorgung zu gewährleisten“[1] beschrieben. Es konnte festgestellt werden, dass die Langzeitwirkung von Therapeutic Touch hinsichtlich der Schmerzlinderung von Patientinnen und Patienten als signifikant eingestuft werden kann[2].

Nach den ersten beiden spannenden Vorträgen war es Zeit für eine Pause mit Kaffee, selbstgemachtem Marillenkuchen und Vitaminen in Form von Obst, das die TeilnehmerInnen bei herrlichem Sonnenschein im historischen Ambiente des Therapiezentrums genießen konnten. Auch konnten die rund 120 BesucherInnen die Chance nutzen, bei der Fachbuchausstellung vorbeizuschauen oder sich am einzigen Firmenstand über das faszinierende Angebot an Aromaprodukten beraten zu lassen.

Nach der kurzen Stärkung ging es weiter mit weiteren zwei spannenden Vorträgen: Der Sportwissenschafter und Unternehmer Mag. Dr. Markus Stark sprach pointiert und überzeugend darüber, dass Zucker, das falsche Verhältnis von Omega-3-Fettsäuren zu Omega-6-Fettsäuren und Gluten (Weizen und anderen Getreide) unsere Gesellschaft krank machen. Zusammenhänge von Ernährung, Bewegung, Vitalstoffmangel und Darmgesundheit mit der Zivilisationserkrankung Fettleber wurden in schnellem Tempo beleuchtet. Nur ein bis zwei Mahlzeiten täglich wie bei der Paläoernährung der Steinzeit wären ausreichend, meint Dr.Stark. Der Zusammenhang der Psychoneuro-Endokrin-Immunologie mit Therapeutic Touch wurde zur Enttäuschung einiger Zuhörerinnen und Zuhörer nicht eingegangen.

Mag. Dr. Michaela Noseck-Licul ist Kulturanthropologin, Vortragende und Lektorin. Sie leitet die AGEM, die sich der Qualitätssicherung im komplementären Gesundheitsbereich widmet, und unterrichtet Ethik für MusiktherapeutInnen und Gesundheitsberufe sowie Anthropologie des Heilens an der Fachhochschule Krems.

Dr. Noseck-Licul zitiert unter anderem den Kulturanthropologen Thomas Csordas, der betont, dass traditionelle und komplementäre Heilmethoden keine Wunderheilungen bewirken, sondern Veränderungen anregen: „Healing is more like planting a seed, or like nudging a rolling ball to slightly change its trajectory so that it ends up in a different place, than it is like striking or mountains moving[3].“ (Csordas 2002:5). Komplementäre Pflege kann vom kulturellen Wissen der Medizinanthropologie und deren Lösungsansätze für Heilung profitieren.

Nach diesem interessanten Vormittag stärkten in der Mittagspause, die frisch zubereiteten Gemüseburger mit rote-Rüben-Dip und Hühnersticks vom Therapiezentrum Ybbs. Neben der Qualität der Speisen und der schönen Atmosphäre führte die 20 Minuten Einheit mit Duft Qi Gong[4] unter den großen Platanen im Garten des Therapiezentrums, unter Anleitung von Gabriele Wiederkehr zu einem Energiekick und Biophilia Effekt (Shinrin Yoku)[5] für den Nachmittag.

Die vielfältigen Themen der 6 Workshops führten zu einer begeisterten Teilnahme der BesucherInnen.

In Workshop A1 ging es um das Thema „Faszien“. Mit einer kurzen

Einleitung zur Beschaffenheit und Funktion von Faszien ladet die Workshop Leiterin Julia Englisch die zahlreichen Teilnehmerinnen zum Mitmachen ein während sie eine Fußbehandlung demonstrierte und anleitete. Die Resultate wurden im anschließenden Nachspüren beschrieben: als verbesserte Standfestigkeit, Leichtigkeit…bis in die Hüfte, sogar in den Schultern spürbar. Julia Englisch lebt ihren Grundsatz, „den ganzen Menschen als Einheit von Verstand, Körper und Seele zu erreichen und zu unterstützen. Seit ich mich intensiv mit Faszien beschäftige, ist dieses komplexe Netzwerk, das sich in unserem Körper befindet, Symbol für mich geworden, dass alles miteinander verbunden ist.

In Workshop A2 von Leiterin ManuEla Kainz wurde mit Klangschalen gearbeitet: Reizüberflutung, Leistungsdruck und Stress sind Ausdruck unsere Zeit, machen anfällig für Krankheiten und beeinflussen die Lebensqualität. Die innere Harmonie ist gefährdet – wir kommen aus dem Gleichgewicht. Wiederherstellung der individuellen Balance rückt immer mehr ins Zentrum. Die Arbeit mit Klangschalen kann Erholung und Regeneration unterstützen und eine wertvolle Möglichkeit im präventiven Bereich der Gesundheitsförderung darstellen. Ziel des Workshops war, die Wirkung von Klängen selbst zu erleben und Kurzinterventionen zur Verbesserung der eigenen Lebensqualität kennen zu lernen.

Workshop A3 widmete sich „Kurzinterventionen bei Schmerz und Angst“. Die Workshop Leitungen DGKP Susie Habrdle und Maria Haller-Hinterndorfer, Pflegelehrerin und Basale Stimulation Instructorin, hatten es sich zum „Ziel gemacht, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Therapeutic Touch mittels Kurzinterventionen in den Krankenhausalltag integriert werden können“.

Bei Workshop B1 mit der Pflegeexpertin DGKP (Psychiatrie) Esther Schauberger ging es um Pro & Contras beim Einsatz von Therapeutic Touch bei psychiatrischen Patientinnen und Patienten. Zahlreiche Pros wurden gemeinsam erarbeitet. Therapeutic Touch ist unter den Voraussetzungen der Freiwilligkeit, der Einwilligungsfähigkeit und der Fähigkeit der differenzierten Auswahl der geeigneten Technik für Klientinnen und Klienten an der Psychiatrie geeignet. Der positive Abschluss der anerkannten Weiterbildung „Komplementäre Pflege – Therapeutic Touch“ gemäß § 64 GuKG wird für die erforderliche Professionalität und Differenzierungsfähigkeit von Pflegekräften vorausgesetzt.

Beim Workshop „Cool bleiben, trotz Hitze“ mit der Pflegeexpertin Gabriele Wiederkehr ging es um den Umgang mit dem Elementen Feuer und Wasser in der Menopause. Diese spezielle Zeit des Übergangs birgt aufgrund der machtvollen Yang Energie des Feuerelements den Weg zur inneren Weisheit, Stille und Kraft der Yin Energie. So wird ein Weg in die geistige Kraft und eigene Spiritualität geebnet. Eine kraftvolle Qi Gong Übung mit spezifischem Mudra (Hand- und Fingerhaltung) lenkt das „Element Feuer“ zurück in die Knochen und ins Wurzelzentrum und macht die Energieleitbahnen durchgängig.

Im anschließenden „Open Space und Come Together“ präsentierten alle sechs Workshop Leiterinnen eine Zusammenfassung ihres Workshops im Forum und beantworteten offene Fragen. Die nachfolgenden Berichte aus der Pflegepraxis zu Erfolgsmodellen in diversen Krankenhäusern wie beispielsweise dem Rudolfinerhaus Wien, dem Haus der Barmherzigkeit Wien, aus Pflegewohnhäuser… runden den gemeinsamen Tag zum Thema „Komplementäre Pflege – Therapeutic Touch“ gelungen und mit positiver Grundstimmung und Wunsch auf mehr ab.

„Das Symposium hat mir in Erinnerung gerufen, wie wertvoll und wichtig meine Arbeit für Patienten ist.

 DANKE für die fabelhaften Inhalte, die spannenden Diskussionen und den freudigen Tag an diesem perfekt ausgewählten Ort!“

(eine Teilnehmerin)

Durch die erlangten Feedbacks der TeilnehmerInnen des 2. Symposiums ergab sich ein spannender Ausblick für die Agenda des 3. Symposiums „Komplementäre Pflege – Therapeutic Touch“ im Jahr 2021: Eines kann jetzt schon vorausgeschickt werden: Der Fokus wird noch stärker auf den praktischen Anwendungstechniken der Pflegeintervention Therapeutic Touch und auf der Stärkung der Selbstpflegefähigkeit liegen.

[1] 2019 American Society for Pain Management. Veröffentlicht von Elsevier Inc. Alle Rechte vorbehalten.

[2] Die Schmerzlinderung wurde in der Interventionsgruppe entsprechend dem Mittelwert der Quebec Back Pain Disability Scale (Tag 1: 72,53, Standardabweichung [SD] ± 14,10; Tag 4: 39,47, SD ± 8,77; p < .001). Die numerische Schmerzbewertungsskala betrug am ersten Tag durchschnittlich 4,33 Punkte (SD ± 2,09) und 2,47 Punkte (SD ± 1,12) am vierten Tag. Der Langzeiteffekt von Therapeutic Touch war signifikant und zeigte eine signifikante Wirkung (Pillais Spur ¼ .641, F (3.12) ¼ 7.1, p ¼ .005, hp 2 ¼ .641).

[3] „Heilung ist eher wie das Pflanzen eines Samens oder wie das Anstoßen eines rollenden Balles, um seine Flugbahn leicht zu ändern, so dass er an einem anderen Ort endet, dann ist es wie ein Schlag oder wie eine Bergwanderung.“

[4] Zhang, X. P., Kubiena, G. (1995). Duft – Qi Gong. Ein einfacher Weg zu innerer Harmonie. 4. Auflage. Wien-München-Bern: Verlag Wilhelm Maudrich.

[5] Q.LI, K.MORIMOTOI, M.KOBAYASHI, H.INAGAKI et al (2007). Visiting a Forest, but Not a City, Increases Human Natural Killer Activity and Expression of Anti-Cancer Proteins. https://doi.org/10.1177/039463200802100113

 

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