In der Gegenwart wird häufiger darüber diskutiert, wie Pflegende nach der Ausbildung im Beruf gehalten werden können. Denn die Zeit des Verbleibs im aufopferungsvollen Pflegeberuf wird immer kürzer. Besonders für junge Menschen ist die Arbeit als Pflegende oft lediglich ein Sprungbrett in ein anderes Feld psychosozialen Handelns. Umso höher ist einzuschätzen, dass Marion Roddewig eine Form der Kollegialen Beratung entwickelt hat, die bereits in der Ausbildungszeit wurzelt.
Mit der Studie „Kollegiale Beratung in der Gesundheits-und Krankenpflege“ fragt Roddewig „nach den Ressourcen, die es ermöglichen, sich während ihrer Ausbildung dauerhaft wohl zu fühlen“. Für Roddewig ist es eine Bestätigung dafür, dass sie die richtigen Meilensteine für die Begleitung während der Ausbildungszeit gestaltet hat. Als eine Methode des selbstgesteuerten Lernens trage es dazu bei, Handlungs-und Problemlösekompetenz zu entwickeln und negative Effekte ausbildungsinduzierter Beanspruchung zu kompensieren (S. 344).
Die Idee der kollegialen Beratung hat Roddewig als Fundament für das eigene Anleitungs-und Trainingsprogramm gewählt. Dabei ist es unerlässlich, dass Kommunikationsfertigkeiten untereinander eingeübt werden. In der Konzeption Roddewigs finden sich die Auszubildenden zu Beratungsgruppen zusammen, die alltägliche, aber oft schwierige Situation aus dem Ausbildungsalltag reflektieren. Es erscheint lapidar, wenn über die Schaffung einer freundlichen und kommunikationsförderlichen Atmosphäre geschrieben wird. Für die Auszubildenden in der Gesundheits-und Krankenpflege ist es in ihrem Ausbildungsalltag sicher keine Selbstverständlichkeit.
Aufmerksamkeit erregt, dass Beratung mittels der Methode Brainstorming durchgeführt. Das klassische Brainstorming werde in Gruppen zur kreativen Ideenfindung für alle erdenklichen Fragestellungen eingesetzt (S. 163). Das Brainstorming gibt den Teilnehmenden sicher eine gewisse Freiheit, um untereinander zu Lösungen in schwierigen Situationen zu kommen. Mehr Gewöhnung brauchen die Auszubildenden sicher bei der Beratungsmethode Skulptur. Jeder Skulpturdarsteller bekomme, stellvertretend für die realen Interaktionspartner, vom sogenannten Bildhauer eine charakteristische Mimik und Körperhaltung zugewiesen (S. 186).
Eine Pflegeschule oder ein Fachseminar für Altenpflege, die das Konstrukt der kollegialen Beratung für Auszubildende anwendet, ragt sicher aus der Menge der Aus-, Fort-und Weiterbildungseinrichtungen heraus. Allzu oft herrscht in den Institutionen noch ein paternalistisches Miteinander vor. Der Hierarchie von Auszubildendem und Verantwortlichem setzt die kollegiale Beratung, wie sie Roddewig denkt, das Miteinander auf Augenhöhe entgegen. SO kann die kollegiale Beratung in der Ausbildung von Pflegenden einmal mehr verdeutlichen, dass Peer-to-Peer-Beratung eine gewinnbringende Erfahrung sein kann.
Die Studie „Kollegiale Beratung in der Gesundheits-und Krankenpflege“ präsentiert einen Mix von quantitativer und qualitativer Forschung. Dieser Mix unterstreicht die Aussagekraft dieser überzeugenden Forschungsarbeit, die eigentlich viele Nachahmer braucht.
Marion Roddewig: Kollegiale Beratung in der Gesundheits-und Krankenpflege – Auswirkungen auf das emotionale Befinden von Auszubildenden, Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-86321-178-3, 433 Seiten, 49 Euro.