Mit dem von Ann Louise Barrick et al. verfassten und von Peter Offermanns, Jürgen Georg und Christoph Müller ins Deutsche übersetzte Werk erscheint auf dem deutschsprachigen Buchmarkt erstmals ein Lehrbuch, dass sich mit den Praktiken der Körperpflege von Menschen, die aufgrund einer Demenz oder ähnlichen Erkrankungen ein mitunter herausforderndes Verhalten zeigen befasst. Das alltägliche Thema der Körperpflege wird somit, für zu pflegende Menschen, aber auch für die die Pflege erbringenden Menschen aus einem besonderen Blickwinkel heraus betrachtet.
Schon zu Beginn des Buches, beim Blick ins Inhaltsverzeichnis und Lesen des Vorwortes, wird die scheinbare Absicht des Werkes deutlich, eine umfängliche Darstellung des vorhandenen Wissens rund um die Titelthemen des Buches und eine gleichsam kritische Auseinandersetzung mit diesen aus Sicht des hierzu vorhandenen Forschungs- und Kenntnisstands zu geben.
In den ersten Kapiteln werden (die wichtigsten) Grundlagen behandelt, Demenz und damit einhergehende Verhaltenssymptome, eine historische Betrachtung der Körperpflege sowie deren Bedeutung in unterschiedlichen Generationen und Kulturen, allgemeine Richtlinien bei der Unterstützung der Körperpflege, Grundlagen zur richtigen Einschätzung des gezeigten Verhaltens und hieran anschließend die Auseinandersetzung mit (in der Praxis) erprobten, personenorientierten Lösungen.
Wie ein roter Faden zieht sich hier und auch in den folgenden Abschnitten ein personenorientierter und somit ein den Bedarfen und den Bedürfnissen des jeweiligen Individuums würdigender Ansatz, der zu einer (Grund-)Haltung eines jeden Menschen, der mit der zweifelsohne verantwortungsvollen, sowie mitunter schwierigen und herausfordernden Aufgabe der Körperpflege eines Anderen betraut ist, werden sollte.
Es gelingt den Herausgebern, durch die anschauliche und gut verständliche Darstellung der Themen, dem geben von persönlichen Pflegetipps und vereinzelten Exkursen die Inhalte verständlich und kurzweilig zu vermitteln.
Anschließend widmen sich die Herausgeber im 2. Teil speziellen Themen aus dem Bereich der Körperpflege. Beginnend mit einem Kapitel zur personenorientierten Pflege, dem eine etwas umfangreichere Darstellung zu den Zusammenhängen von Schmerzen und Verhaltenssymptomen bei der Körperpflege folgt, geht das Werk im Weiteren auf die Hautpflege, Transfertechniken, die Gestaltung der räumlichen Umgebung – und somit auf die Relevanz eines dem „Akt der Körperpflege“ würdigenden, angemessenen Milieus sowie, in einem recht kurzen Kapitel, auf Pflegeprodukte und Utensilien ein. Es gelingt den Autoren in diesem Teil ausgezeichnet die Bedeutung der unterschiedlichen Themen für eine gelingende, den Kampf verhindernde, Körperpflege aufzuzeigen.
Einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen leistet dabei die Wahl der einzelnen Unterthemen, wodurch dem Lesenden verdeutlicht wird, dass für eine gelingenden Körperpflege nicht ein einzelner, sondern ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren maßgeblich ist.
Im 3. Teil, Unterstützende Pflegeaktivitäten, erfolgt schließlich eine ausführliche Darstellung von personenorientierten Techniken und Aktivitäten die, bei richtiger Anwendung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer, für alle beteiligten, gewaltfreien Durchführung der Körperpflege beitragen. Dies wird dabei nicht nur mit Bezug zu den unterschiedlichen Orten, an denen die Körperpflege erfolgen kann (stationäre Pflege, Pflege Zuhause), sondern auch mit Blick auf eine sich durch die Gestaltung und Umsetzung einer „gelingenden Körperpflege“ verändernde Pflegekultur beschrieben. Hierzu werden „Good Practice Modelle“ vorgestellt, wie beispielsweise das „Household Model“. (S. 227 ff.). Hieran anschließend erfolgt eine Darstellung (interaktiver) Methoden zum Erlernen der personenorientierten Körperpflege. Abgerundet wird der 3. Teil des Buches durch ein Kapitel zur „Selbstsorge Pflegender“. Dieses sei an dieser Stelle besonders hervorgehoben, da hiermit deutlich gemacht wird, dass all das vorher dargestellte in der praktischen Umsetzung nur gelingen kann, wenn die Erbringer der Pflegeleistung, ob beruflich oder privat, eine gute Selbstpflegekompetenz haben um somit ihr seelisches und körperliches Wohlbefinden bei der Verrichtung dieser anspruchsvollen Aufgabe(n) nicht aus dem Blick zu verlieren.
Abgerundet wird das Werk durch einen umfangreichen Anhang, indem neben hilfreichen Checklisten (zur Beurteilung des Verhaltens des zu Pflegenden und der Pflegeperson) auch noch weitere relevante Themen behandelt werden. So widmet sich Peter Offermanns dem Thema der Pflege traumatisierter Menschen. Dabei bezieht er sich beispielhaft auf die Menschen, die die schrecklichen Ereignisse und Erlebnisse der Shoah überlebt haben. Dies stimmt aus Sicht des Rezensenten noch einmal besonders nachdenklich, zumal hier beim lesen auch noch einmal ein gedanklicher Exkurs, hin zur Rolle von Gesundheitsfachpersonen während des Nationalsozialismus entstanden ist. Auch die weiteren Themen „Körperpflege als herausforderndes Verhalten eines psychisch Erkrankten“ (Christoph Müller) und „Stress provozierende und reduzierende Körperpflege“ (Jürgen Georg) warten mit einem hohen Praxisbezug auf und zeigen, dass dieses alltägliche Thema der „Körperpflege“ ein sehr umfängliches ist, über das es sich im (Pflege-)Alltag vielmehr nachzudenken lohnt.
Nachdem sich bei mir als Leser zu Beginn durchaus die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines ganzen (!) Fachbuches zum Thema der Körperpflege gestellt hat, ist diese Fragestellung nicht erst mit dem lesen der letzten Seiten, sondern bereits recht zu Beginn mit einem klaren „Ja, es macht Sinn hierzu ein Lehrbuch zu schreiben“ zu beantworten gewesen. Mit der Lektüre des Buches weitet sich der Blick auf diese Thematik, es ergeben sich neue bzw. alternative Behandlungsideen für die tägliche Arbeit. Sowohl für beruflich Pflegende (nicht nur im Bereich der Altenhilfe oder der Alterspsychiatrie), als auch für pflegende Angehörige stellt das Buch, besonders durch die Art und Weise wie es den Autoren gelungen ist, die Thematik darzustellen
( v.a. Themenwahl und Aufbau, Darstellung persönlicher Erfahrungen und Tipps), ein äußerst empfehlenswertes Lehrbuch dar. Diese Empfehlung sei an dieser Stelle unbedingt erweitert um die Aufforderung zum Einbezug des Werkes in die Aus- und Weiterbildung von Pflegepersonen, genauso wie in Schulungsveranstaltungen für pflegende Angehörige.
(Barrik, A.L. et al. (Hrsg.). Deutschsprachige Herausgeber: Offermanns, P., Georg. J., Müller, Ch.: Körperpflege ohne Kampf – Herausforderndes Verhalten in der Körperpflege erkennen, verstehen, meistern. 2., ergänzte Auflage. Bern: Hogrefe Verlag, 2001, 397 Seiten)