„Just a nurse“ – ein Essay über Suzanne Gordons Verse zum Thema Berufsstolz

5. September 2020 | Bildung | 0 Kommentare

„Just a Nurse … “ –Suzanne Gordons Verse erfreuen sich großer Bekannt- und Beleibtheit in der Gesundheits- und Krankenpflege. Man findet sie auf Plakaten, Folder und Lesezeichen – nicht zuletzt um für den Beruf zu werben. Weniger bekannt ist vielleicht, dass sie diesen sehr pointierten Text mit dem provokativen Titel „I am just a nurse“ – „… ich bin doch nur eine Krankenschwester …“ ausgehend von ihrem Ärger darüber, dass sich Pflegepersonen immer wieder klein machen, wenn es darum geht, etwas zu verändern oder sich für etwas einzusetzen, geschrieben hat. Rhetorisch brillant hat sie diese Aussage jedem Satz vorangestellt und setzt mit einem „but …“ fort. Dieses „aber …“ bezieht sich dann Satz für Satz auf Aussagen über den Tätigkeits- und Verantwortungsbereich von Pflegepersonen und konterkariert damit jedes Mal das „nur“ im Zusammenhang mit dem Beruf der Gesundheits- und Krankenpflege. Am Ende des Textes angelangt hat sie damit ein Bild von einem vielfältigen, spannenden, herausfordernden und höchst verantwortungsvollen Beruf gezeichnet, der das „Alpha und Omega“ des Gesundheitswesens ist. Ein Bild das einem wirklich stolz macht, eine Gesundheits- und Krankenschwester zu sein, das aber auch wieder schnell in sich zusammenfallen kann, wenn man sich die Realität ansieht.

 

Denn es ist gerade in Österreich um unseren Berufsstolz nicht immer sehr gut bestellt. Einerseits ist dies sicher durch die öffentliche und politische Wahrnehmung des Berufs an sich und der damit verbundenen untergeordneten Rolle der Pflege im österreichischen Gesundheitswesen bedingt. Der Beruf der Pflege ist zwar angesehen – im Sinne eines Berufs, den man als schwer und belastend anerkennt – andererseits wird er als Profession nicht unbedingt hochgeschätzt. Pflegen könne jeder der zwei Hände hat und irgendwie sozial veranlagt ist – das ist noch immer die gängige Meinung in der Gesellschaft und durchaus auch in der Politik. Dass Pflegetätigkeit und höhere Bildung nicht unbedingt Hand in Hand gehen muss, zeigt sich in der immer noch bestehenden Debatte um tertiäre Ausbildung oder anhand der Tatsache, dass Karriere in der Pflege in Österreich selten im Sinne Weiterentwicklung der Pflegetätigkeit per se einhergeht, sondern immer noch als etwas gesehen wird, das weg vom Patienten, weg von der eigentlichen Pflegetätigkeit führt. Der zweite Grund, weshalb es an Berufsstolz mangelt, kann auch als eine Konsequenz daraus gesehen werden: die eigene Abwertung (ich bin „nur“ eine Krankenschwester), das damit verbundene Gefühl der Machtlosigkeit („Ich kann ja eh nichts tun,“ „Ich bin nur ein kleines Rädchen im System.“) und die daraus resultierende Unterordnung oder Resignation.

An diesem Punkt hat Suzanne Gordon, die sich gerade über diese Haltung ihrer Berufskolleg*innen geärgert hat, angesetzt. Die Botschaft von ihr lautet daher: „Kollegen und Kolleginnen, macht Euch nicht klein, seid Stolz darauf „nur“ eine Krankenschwester / ein Krankenpfleger zu sein und tut etwas.“

 

Dieser Text wird oft – zugegeben: auch von mir selbst – herangezogen, wenn es darum geht, meist jüngere Kolleg*innen zu ermutigen, sich nicht unterkriegen zu lassen, wenn man z.B. Aussagen wie „Wozu studierst Du denn, wenn Du eh nur Krankenschwester werden willst.“, hört. Dieser Text eignet sich sehr gut dazu, ihren Berufsstolz anzufachen, ihnen klar zu machen, dass die Gesundheits- und Krankenpflege ein Beruf ist, auf den man zu Recht stolz sein kann. Nur sollte man eines nicht vergessen: dass Suzanne Gordon ihn auch geschrieben um ihre Kolleg*innen aufzurütteln, sie zu bewegen, Verantwortung zu übernehmen, Ihrem Mann (oder ihre „Frau“) zu stehen, für Patient*innen und deren Anliegen und Rechte einzutreten, für ein gerechtes Gesundheitswesen zu kämpfen, für bessere Arbeitsbedingungen, etc. Wir müssen lernen, als Pflegepersonen stolz darauf zu sein, dass wir einen Beruf haben, durch den wir vieles ermöglichen können, Hilfe leisten können, Situationen verbessern, Veränderungen herbeiführen, im Kleinen wie im Großen. Aber: auch wenn Berufsstolz etwas ist, dass sich auf den Beruf an sich bezieht (also eine kollektive Form von Stolz ist) – nur eine Pflegeperson zu sein ist noch kein Grund stolz zu sein. Berufsstolz darf sich nicht nur durch Möglichkeiten, sondern muss sich immer durch das Handeln, das Tun begründen.

In letzter Konsequenz können wir immer nur darauf stolz sein, was wir durch unseren Beruf bewirken – für die Patient*innen, Bewohner*innen, Klient*innen und deren Familien, was wir als Pflegepersonen für ein funktionierendes, gerechtes und effektives Gesundheitswesen beitragen.

Berufsstolz in dem Sinne hat nämlich Geschwister: Sie heißen „Verantwortung“ und „Demut“. Wir sind aufgefordert Verantwortung zu übernehmen – gegenüber unserer Aufgabe, aber vor allem gegenüber den Menschen, die der Pflege bedürfen. Der Pflegeberuf ist nicht nur einer mit dem man viel Gutes bewirken kann. Durch eine schlechte oder gleichgültige Ausübung kann man auch großes Leid auslösen. Pflegepersonen haben eine nicht zu unterschätzende Macht über andere, pflegebedürftige, Menschen. Und mit dieser Macht kann man ganz unterschiedlich umgehen. Ohne Demut dem (pflegebedürftigen) Mitmenschen, sowie der Aufgabe an sich gegenüber – denn sie ist eine schwierige und verantwortungsvolle – kann (Berufs)Stolz leicht zur Selbstgefälligkeit und Überheblichkeit werden.

Ein wichtiges Merkmal der professionellen Pflege ist auch die fürsorgende (= Caring) Haltung mit der man diesen ausübt. „Proud to be a Nurse“ darf daher nicht nur heißen, dass man stolz darauf ist, einen gesellschaftlich wichtigen Beruf zu haben, sondern dahinter muss immer eine bestimmte Haltung zum Beruf und zur Berufsausübung stehen. Nur so ist Berufsstolz gerechtfertigt.

Autor:in

  • Hanna Mayer

    Univ. Prof. Mag. Dr. Hanna Mayer ist diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester und Professorin für Pflegewissenschaft; seit 2007 leitet sie das Institut für Pflegewissenschaft, sowie das Master- und Promotionsprogramm Pflegewissenschaft an der Universität Wien; ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Gerontologische Pflege, Person Centred Care, Onkologische Pflege sowie Forschungsmethodologie und Forschungsethik; sie ist Dozentin für Pflegewissenschaft und -forschung im In-und Ausland, Herausgeberin des Journals für Qualitative Forschung in Pflege- und Gesundheitswissenschaft und Autorin zahlreicher Fachpublikationen