Interview mit Ing. Norbert Hofer (FPÖ)

14. Oktober 2017 | Politik | 0 Kommentare

Pflege Professionell: Sie haben sich entschieden für diese Wahl zu kandidieren. Mit welchen Kernthemen wollen sie den Wahlkampf führen?

Norbert Hofer: Ich weiß, dass das parlamentarische Geschehen oft langwierig sein kann. Jüngstes Beispiel ist die Abschaffung des Pflegeregresses, die vor dem Sommer plötzlich doch möglich war, wo aber alle meine diesbezüglichen Initiativen bis dahin von den Regierungsparteien über die Jahre abgelehnt oder vertagt wurden. Wir geben für so vieles Geld aus, aber für die Anliegen der Schwächsten in unserer Gesellschaft, die sich nicht selber helfen können, scheint oftmals keine Hilfe möglich.

Deshalb ist mein großes Schwerpunktthema die Einführung der Direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild, damit die Menschen unabhängig von der Politik von sich aus Initiativen setzen können, um positive Veränderungen zu erreichen. Aber auch die Valorisierung des Pflegegeldes, das seit seiner Einführung bereits 35 Prozent seines Wertes verloren hat und eine echte Strukturreform im Gesundheitsbereich, die Pflege- und Gesundheitsagenden zusammenführt, muss verwirklicht werden, um die langfristigen Finanzierungen sicherzustellen.

Pflege Professionell: Wer wäre für Sie erste/r KandidatIn für die Position als GesundheitsministerIn?

Norbert Hofer: Als Gesundheitsminister braucht es eine Persönlichkeit, die sich im Gesundheitswesen gut auskennt, aber sich auch zutraut, Reformen anzugehen. Der Föderalismus, vor allem im österreichischen Gesundheits- und Pflegewesen, bringt es mit sich, dass ein Gesundheitsminister mit viel Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen ausgestattet sein muss. Denn der Reformbedarf ist groß – ebenso wie die Widerstände in den Ländern.

Pflege Professionell: Welche Stärken prädestinieren Sie für einen Posten als „Bundeskanzler“?

Norbert Hofer: Ich strebe das Amt des Bundeskanzlers nicht an.

Pflege Professionell: Was bringt einen Norbert Hofer „auf die Palme“?

Norbert Hofer: Egoismus, Gier und Ungerechtigkeit, sowohl im privaten als auch im politischen Bereich. Während Politikergehälter jährlich valorisiert werden, gesteht man dies Pflegegeldbeziehern nicht zu.

Pflege Professionell: Was ist Ihnen als Person wirklich wichtig?

Norbert Hofer: Dass Österreich auch für unsere Kinder und Enkelkinder eine sichere  und lebenswerte Heimat ist. Dazu braucht es aber eine Politikwende. Gehen wir den von SPÖ und ÖVP eingeschlagenen Weg fort, wird der verursachte Schaden nicht mehr gutzumachen sein.

Pflege Professionell: Was würden Sie als erstes bewegen wollen, wenn Sie selbst die Funktion „Bundeskanzler“ besetzen würden?

Norbert Hofer: Es braucht in Österreich wieder mehr Gerechtigkeit und Fairness. Derzeit wird – mit dem Zutun der Regierung – die eigene Bevölkerung gegeneinander ausgespielt.

Pflege Professionell: Wir steuern auf eine Überalterung der Gesellschaft zu. Wie wollen Sie dieser Herausforderung entgegentreten?

Norbert Hofer: Wir müssen jetzt schon Vorsorge für die geburtenstarken Jahrgänge, die jetzt langsam ins Pensionsalter kommen, treffen. Dazu braucht es eine Ausbildungsoffensive im Pflegebereich, mit einem durchlässigen Modulsystem und einer leistungsgerechten Entlohnung. Wir dürfen uns auch nicht der Illusion hingeben, dass wir für immer Pflegekräfte aus den östlichen Nachbarstaaten in ausreichender Menge bekommen. Notwendig ist daher eine leistungsgerechte Bezahlung unserer Pflegekräfte sowie die Anerkennung ihrer Leistungen und die Planung und den Ausbau von stationären, teilstationären Pflegeheimen und Tageseinrichtungen.

Pflege Professionell: Wie würden Sie unser Gesundheitswesen verbessern wollen?

Norbert Hofer: Österreich leistet sich im stationären Bereich etwa doppelt so viele Aktutbetten pro 1.000 Einwohner wie der EU-Schnitt. Diese Schieflage beim Angebot von Akut- und Pflegebetten verursacht für die Steuerzahler Zusatzkosten von 13 Millionen Euro pro Tag! Und das nur, weil Patienten im falschen Bett liegen, aber deswegen nicht besser betreut sind. Daher brauchen wir eine Strukturreform im Gesundheitssystem nach den Vorschlägen des Rechnungshofes, um den Gesundheits- und Pflegebereich aus einer Hand zu finanzieren. Die dadurch jährlich frei werdenden Mittel von 4,75 Milliarden Euro müssen dafür einsetzen, um Schnittstellen endlich zu Nahtstellen zu machen. Derzeit werden die Patienten zwischen extra- und intramuralem Bereich hin- und hergeschoben, was zu einer Belastung der Betroffenen führt und viel Geld kostet.

Pflege Professionell: Wie wollen Sie unser Sozialsystem verbessern?

Norbert Hofer: Unser Sozialsystem hat in erster Linien jenen Menschen zu helfen, die unverschuldet in Not geraten sind oder sich aus eigener Kraft nicht helfen können. Neben betagten Menschen sind das vor allem auch Menschen mit Behinderungen und Alleinerzieher. Hier braucht es angemessene Leistungen für die Betroffenen um das Leben auch wirklich finanzieren zu können. Auf der anderen Seite ist es notwendig, strenge Kontrollen durchzuführen, um Missbrauch zu vermeiden. Ein solidarisches Sozialsystem kann nur auf Ehrlichkeit aufgebaut sein. Betrug oder das Erschleichen von Leistungen – wie das der Rechnungshof beispielsweise in Wien aufgedeckt hat – führen mittelfristig dazu, dass die notwendigen Leistungen nicht mehr finanzierbar sind.

Die derzeitige Diskrepanz, dass auf der einen Seite zig-tausende Personen, die ohne jede Kontrolle in unser Land eingereist sind und Sozialleistungen in teils großen Höhen lukrieren, während auf der anderen Seite pflegebedürftige und behinderte Menschen oftmals mit weniger auskommen müssen und auf teilweise auf Spenden privater Vereine angewiesen sind, ist extrem ungerecht und unwürdig. Diesen Zustand möchte ich jedenfalls verändern.

Frage zum Fallbeispiel 1: Welche Maßnahmen halten Sie für wichtig, sinnvoll und umsetzbar um zu gewährleisten, dass pflegebedürftigen Kindern- und Jugendlichen, therapieunterstützende und für die Bewältigung  des Alltages sowie der sozialen Integration notwendige Heilbehelfe und Therapiematerialien genehmigt werden? (Siehe Print/PDF Ausgabe)

Norbert Hofer: Es ist eine Schande, wie in Österreich mit Menschen mit Behinderungen – vor allem mit Kindern – umgegangen wird. Wir sprechen von einem solidarischen Gesundheitssystem, was bedeutet, dass ein Großteil der Bevölkerung mehr einzahlt als er braucht, aber einige wenige mehr brauchen, als sie einzahlen können. Die Gemeinschaft der Versicherten ist mit Sicherheit zu einem überwiegenden Anteil dazu bereit, dieser Familie die notwendigen Hilfsmittel zu finanzieren. Aber es ist völlig indiskutabel, dass eine Einzelperson der Sozialversicherungen darüber entscheidet, wie sich das tägliche Leben dieser Familie gestaltet.

Vermutlich kann ein Elternteil gar keinem Beruf mehr nachgehen, was ohnehin schon zu finanziellen Einbußen führt. Die psychische und physische Belastung ist sicher enorm. Dazu kommt, dass sie von Amtswegen zu Bittstellern gemacht werden. Anstatt das Sozialministerium-Service (ehemals Bundessozialamt) und Sozialversicherung hier zusammenarbeiten und die optimale Versorgung des Kindes sicherstellen, wird mit dem Kind ein Ping-Pong-Spiel betrieben.

Konkret braucht es eine Aufstockung der finanziellen Mittel (finanzierbar durch eine echte Gesundheitsreform und eine Zusammenlegung der Krankenkassen mit der Verpflichtung einer Leistungsharmonisierung) und einer besseren Ausstattung der Kompetenzen des Behindertenanwalts, damit sich auch die Sozialversicherungen dessen Anordnungen nicht wiedersetzen können.

Frage zu Fallbeispiel 2: Was raten Sie Frau Claudia S. und ihrer Familie, die unter diesem Zustand sehr leidet?

Norbert Hofer: Dieser Fall zeigt die Ungerechtigkeit im österreichischen Sozialsystem auf. Würde sich diese Frau von ihrem Mann scheiden lassen, hätte sich Anspruch auf Sondernotstandshilfe oder Mindestsicherung. Daher fordere ich schon lange, dass Sondernotstandshilfe, bzw. in weiterer Folge Ausgleichszulage, unabhängig vom Partnereinkommen sein muss.

Autor:in

  • Markus Golla

    Studiengangsleiter "GuK" IMC FH Krems, Institutsleiter Institut "Pflegewissenschaft", Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall)