Die zentralen Aufgaben des BMGF sind einerseits allgemeine Gesundheitspolitik, die Gesundheitsverwaltung des Bundes und der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, und andererseits Frauenangelegenheiten und Gleichstellung. Das Motto des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen (BMGF) ist „gesund und gleichberechtigt“, denn sowohl Gesundheit als auch Gleichstellung sind Grundpfeiler eines selbstbestimmten Lebens. Natürlich haben wir es uns nicht nehmen lassen, Frau Bundesministerin Dr.in Sabine Oberhauser, MAS zu einem Interview für unsere Sonderausgabe einzuladen.
Pflege Professionell: Wo liegen die Stärken des österreichischen Gesundheitswesens im internationalen Vergleich?
Sabine Oberhauser: Die Menschen, die im Gesundheitssystem arbeiten, sind unsere größte Stärke. Wir haben bestens ausgebildetes Personal, egal in welchem der vielen Berufe im Gesundheitswesen und wir haben einen sehr niederschwelligen Zugang zum Gesundheitssystem. Es gibt in Österreich ein System, das zu einem überwiegenden Teil auf öffentlicher Finanzierung beruht. Wir haben zwar private Zuzahlungen, aber in einem relativ geringen Ausmaß verglichen mit anderen westlichen Staaten. Unser Gesundheitssystem beruht auf den Grundprinzipien Solidarität, Leistbarkeit und Universalität. Dadurch ist der umfassende Schutz der Bevölkerung garantiert: über 99 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind durch die solidarische Krankenversicherung geschützt. Auch die Versorgungsdichte mit öffentlichen Gesundheitsleistungen ist im internationalen Vergleich ausgesprochen hoch.
Pflege Professionell: Was sind die Schwächen des österreichischen Gesundheitswesens im internationalen Vergleich?
Sabine Oberhauser: Insgesamt ist unser System noch immer sehr spitalslastig, aber auch im niedergelassenen Bereich gibt es Verbesserungsbedarf. Viele Ärztinnen und Ärzte sagen, sie können sich nicht vorstellen, in einer Einzelpraxis zu arbeiten, daher versuchen wir gerade die Rahmenbedingungen für die neue Primärversorgung festzulegen. Wir wollen mit der neuen Primärversorgung ein attraktives Zukunftsmodell schaffen und damit auch die Arbeitsbedingungen für die im niedergelassenen Bereich tätigen Gesundheitsberufe interessanter und attraktiver gestalten. Wo es sicher noch Verbesserungsbedarf gibt ist bei der Abstimmung zwischen den Systempartnern im Gesundheitswesen – etwa zwischen der der stationären und der niedergelassenen Versorgung. Ein System mit verteilten Kompetenzen führt naturgemäß zu Reibungsverlusten. Mit der Gesundheitsreform sind wir aber auf einem guten Weg. Mit der Zielsteuerung Gesundheit wurde ein Instrument geschaffen, das die verbindliche Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Sozialversicherung bei Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens sicherstellt.
Pflege Professionell: Wo liegen derzeit die wichtigsten Arbeitsfelder?
Sabine Oberhauser: Wir arbeiten – wie bereits angesprochen – intensiv am Ausbau des niedergelassenen Bereichs. Wir wollen mit der Gesundheitsreform vernetzte Angebote für die Patientinnen und Patienten stärken – vor allem in der Primärversorgung, also der umfassenden medizinischen Grundversorgung. Hier kommt der Pflege eine große Bedeutung zu: Das Fachwissen der Gesundheits- und Krankenpflege ermöglicht eine qualitätsgesicherte und bedarfsorientierte Betreuung im Rahmen der Primärversorgung, begonnen bei der Beratung über die Anwendung von Pflegehilfsmitteln bis hin zu Verbandswechsel und der Verabreichung von Injektionen und Infusionen nach ärztlicher Anordnung. Die wichtigsten Ziele sind: besseres Service für Patientinnen und Patienten durch z.B. längere Öffnungszeiten und moderne Arbeitsbedingungen für die Gesundheitsberufe. Ein weiterer zentraler Bereich ist Transparenz zum Nutzen der Patientinnen und Patienten. Mit „kliniksuche.at“ haben wir einen ersten wichtigen Schritt zur Orientierung im Spitalsbereich gesetzt. 2017 geht weiters die Gesundheitshotline in die Pilotphase: Dort bekommt man eine Einschätzung, ob ein Gesundheitsproblem dringend Behandlung braucht und wenn ja, wo man diese bekommen kann. Damit setzen wir eine weitere Maßnahme, um Spitäler zu entlasten. Nicht zuletzt haben wir in den Rahmen-Gesundheitszielen dem Bereich Gesundheitsförderung und Prävention den prioritären Stellenwert eingeräumt, der auch nötig ist. Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, etwa mit dem Projekt „Frühe Hilfen“, das sich an junge Familien richtet und von zahlreichen Stakeholdern unterstützt wird. Präventionsmaßnahmen in der frühen Kindheit sind besonders effektiv, wirken sich langfristig positiv auf die Gesundheit aus und sind ein Beitrag zu gesundheitlicher Chancengerechtigkeit.
Pflege Professionell: Wie gut funktioniert die Vernetzung zwischen den BerufsgruppenvertreterInnen und dem Ministerium? Gute Kooperationen oder ein ewiger Kampf?
Sabine Oberhauser: Wir haben eine gute Zusammenarbeit mit den Vertreterinnen und Vertretern der Berufsgruppen. Projekte und Maßnahmen können nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen, daher ist für mich das Einbinden der Berufsgruppen in Entscheidungsprozesse unabdingbar. Keine Frage, manche Verhandlungen sind oft langwierig und hart, aber wenn man einander respektvoll begegnet und ein gemeinsames Ziel verfolgt, kommen auch gute Ergebnisse heraus.
Pflege Professionell: Erhalten Sie eine entsprechende Unterstützung der VertreterInnen? Wenn „Ja“ wie sieht diese aus, wenn „Nein“ warum nicht?
Sabine Oberhauser: Unterstützung bekommt, wer sich Zeit für die Anliegen der BerufsgruppenvertreterInnen nimmt – und das mache ich. Wir haben im Juli die Registrierung der Gesundheitsberufe und die größte Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes seit 1997 im Nationalrat beschlossen. Das wäre nicht denkbar gewesen, ohne die Unterstützung der Vertreterinnen und Vertreter der Gesundheitsberufe.
Pflege Professionell: Im Moment wirkt es so, als ob bei der Ärzteschaft und bei der Krankenpflege immer mehr Unzufriedenheit herrscht? Wie kann man dies mit den derzeit möglichen Mitteln lösen?
Sabine Oberhauser: Wichtig ist es natürlich, die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass die Arbeit im Krankenhaus, in der Ambulanz oder im niedergelassenen Bereich reibungslos funktioniert. Ein Beispiel: Die Kompetenzstreitigkeiten in der Frage des mitverantwortlichen Tätigkeitbereichs haben die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Krankenhausalltag stark belastet. Die Diskussionen haben nicht in der oberen Etage stattgefunden, sondern am Bett der PatientInnen. Für viele hat das die Arbeit sehr unangenehm gemacht, mit der Novelle des GuKG haben wir klar festgelegt, wer welche Qualifikationen hat und wer welche Tätigkeiten durchführen darf.
Pflege Professionell: Was bräuchten Sie an weiteren Mitteln um die Situation zu verbessern?
Sabine Oberhauser: Natürlich bedeutet ein Mehr an Ressourcen auch mehr Möglichkeiten, die im Gesundheitswesen Tätigen zu entlasten. Aber mehr Geld bringt nicht zwangsläufig langfristige Verbesserungen, wir müssen bei den Rahmenbedingungen ansetzen. Pflegende verlassen den Beruf, weil er nicht nur psychisch belastend ist, sondern auch körperlich an die Substanz geht. In ländlichen Regionen sehen wir uns damit konfrontiert, dass ausreichend Nachwuchs an niedergelassenen ÄrztInnen fehlt, weil es eine 24-Stunden-Erreichbarkeit, sieben Tage die Woche bedeuten würde. Hier müssen wir ansetzen.
Pflege Professionell: Wie sehen Sie die Zukunft des Gesundheitssystems?
Sabine Oberhauser: Ich bin überzeugt, dass es genauso gut dastehen wird wie heute, solange es uns gelingt, den Menschen klar zu machen, dass unser solidarisches Sozialversicherungssystem, so wie wir es derzeit haben, ein gutes ist. Man muss da gegen jegliche Privatisierung ankämpfen! Gleichzeitig ist es klar, dass wir Reformen im Sinne der Patientinnen und Patienten brauchen, damit die wohnortnahe Versorgung mit Spitzenmedizin auch in Zukunft gewährleistet wird.
Pflege Professionell: Welche Visionen haben Sie?
Sabine Oberhauser: Ich glaube es gibt drei Hauptziele: das erste ist wie gesagt, dass das Gesundheitssystem so wie es ist bleibt. Das heißt, dass es solidarisch finanziert ist, dass niemand daran rüttelt, dass wenn man gesund ist für diejenigen bezahlt, die krank sind. Und wenn man krank ist, sich nicht fürchten braucht, dass man nichts bekommt. Zweitens müssen wir dafür sorgen, dass Kinder gut und gesund aufwachsen können. Ich war ja – wie Sie wahrscheinlich wissen – selbst Kinderärztin. Wenn Kinder auf die Welt kommen, sind sie meistens gesund. Wir müssen die Rahmenbedingungen und Verhältnisse so gestalten, dass es genügend Möglichkeiten und Wissen für gesunde Ernährung, für viel Bewegung und so weiter gibt, damit Kinder zu gesunden Erwachsenen werden können. Und das Dritte, und das kommt auch von meinem Beruf her, ist dass ich weiß, dass sich die Patientinnen und Patienten Zeit vom Arzt, von der Ärztin wünschen. Und Ärztinnen und Ärzte wie auch Pflegepersonen Zeit für PatientInnen haben wollen. Das heißt man muss das System so umgestalten, dass beide zu ihrem Recht kommen und zufrieden sind, die einen mit dem Beruf, in dem sie arbeiten, und die anderen mit dem Arzt oder der Ärztin, zu der sie hingehen können.
Pflege Professionell: Was würden Sie gerne den Berufsgruppen des Gesundheitswesens abschließend mit auf den Weg geben?
Sabine Oberhauser: Unser Gesundheitssystem steht und fällt mit dem Engagement und dem Einsatz der Angehörigen der jeweiligen Gesundheitsberufe. Die tägliche Arbeit jeder und jedes einzelnen trägt dazu bei, dass wir in Österreich ein Gesundheitswesen haben, um das man uns international beneidet. Ich weiß die Arbeit der ÄrztInnen, KrankenpflegerInnen, TherapeutInnen und der vielen anderen zu schätzen, weil ich sie nicht nur als Gesundheitsministerin, sondern auch als Kollegin kenne.
Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (BMGF)
Das Gesundheitswesen ist in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Die dafür erforderlichen Kompetenzen liegen jedoch nicht ausschließlich beim BMGF sondern auch bei anderen Bundesministerien, Ländern und Gemeinden, Sozialversicherungsträgern als selbstverwaltete Körperschaften sowie den gesetzlichen beruflichen Vertretungen wie Ärzte-, Apothekerkammer, etc. Das BMGF fungiert als Entscheidungsträger, Aufsichtsbehörde sowie auch als Koordinator zwischen den wichtigsten Akteuren und Akteurinnen im Gesundheitssystem. Dem BMGF kommt für die Bereiche Frauenangelegenheiten und Gleichstellung innerhalb der Bundesverwaltung eine zentrale Koordinierungsfunktion zu. Die Umsetzung der Frauen- und Gleichstellungspolitik kann nur gemeinsam mit allen Ministerien, Bundesländern, politisch Verantwortlichen etc. erfolgen. Zentrale Aufgabenbereiche des Ressorts zur Frauenförderung und Gleichstellung sind die Entwicklung und Begleitung von Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt an Frauen und Mädchen, insbesondere vor häuslicher Gewalt, der Abbau geschlechtsspezifischer Unterschiede bei Beschäftigung, am Arbeitsmarkt, beim Zugang zu Qualifizierung, bei Einkommen und bezahlter/unbezahlter Arbeit sowie die Sensibilisierung breiter Gesellschaftsschichten für Frauen- und Gleichstellungsanliegen. Darüber hinaus sind im BMGF die Gleichbehandlungskommission für die Privatwirtschaft und die Bundes-Gleichbehandlungskommission eingerichtet.