Er taucht immer wieder in sämtlichen sozialen Medien und Zeitungen auf, setzt sich für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Kinder und Jugendliche, Pflegethemen und vieles andere ein. Geschäftsführer, Familienvater und Gerechtigkeitskämpfer in vielen Bereichen! Ein Grund für Pflege Professionell diesen sozial aktiven Menschen zu einem Interview zu bitten…
Pflege Professionell: Können Sie uns zu Beginn etwas über sich als Person erzählen?
Erich Fenninger: Ich habe zu Beginn eine ganz normale Schul- laufbahn abgeschlossen, bin nach dem Gymnasium in der HTL gelandet und habe dort die Matura absolviert. Schon damals mit 12 Jahren begann ich mich für die Themen „Frieden“, „soziale Gerechtigkeit“, „Menschenrechte“ zu interessieren. Schnell wurden diese Bereiche für mich besonders wichtig. Es war die Zeit der NATO-Vorrüstung, des Doppelbeschlusses, der Bedrohung durch Atomwaffen, des Widerstandes gegen die ersten Atomkraftwerke und der Unterdrückung des lateinamerikanischen Raumes. DritteWelt-Länder wurden groß ausgebeutet und das Apartheid Regime in Südafrika hatte seinen Höchsttand. Ich habe mir schon damals sehr früh über diese Themen Gedanken gemacht und war über diese Ungerechtigkeiten regelrecht erzürnt. Genau aus diesem Grund habe ich mit 15 Jahren begonnen, bei Amnesty International ehrenamtlich zu arbeiten. Wir haben Briefe geschrieben, um die Menschenrechte für besagte Gruppen einzufordern. Doch es blieb nicht nur beim Schreiben, denn es waren natürlich auch Aktionen gefragt. An meinen ersten Vortrag kann ich mich noch gut erinnern. Ich habe ihn damals zitternd abgehalten, doch es hat mir sehr viel bedeutet. Schon damals war klar, dass ich nach der Matura nicht im technischen Bereich bleiben wollte. Ich fand zwar Freude an der gestalterischen Architektur, die mich bis heute noch begeistert, aber mein Herz schlug eindeutig für die soziale Arbeit. Den Zivildienst absolvierte ich im Flüchtlingslager Traiskirchen, der Dienst an der Waffe war einfach unvorstellbar. Voller Freude entdeckte ich zu dieser Zeit den Studiengang „Sozialarbeit“, welchen ich mit ganzem Herzen absolvierte. Es waren nicht nur die Themen im Studium, sondern auch das Auseinandersetzen mit mir als Person, welches mich wachsen ließ. Fragen wie „Wie kann man sozial benachteiligte Menschen unterstützen?“ oder „Wie arbeitet man in einem solchen Bereich, damit diese Menschen ein verbessertes Leben führen können?“ formten mich in meinem Tun. „Weg vom Paternalismus, hin zur Ermächtigung des Einzelnen“. Während des Studiums wollte ich unbedingt in die freie autonome Sozialarbeit, doch am Ende wurde es die institutionelle Kinder- und Jugendarbeit beim Jugendamt, die ich voller Überzeugung antrat, weil es dort um multipelste Problemstellungen ging. Da man in diesem Bereich mit der gesamten Familie arbeiten kann, lernte ich hier auch das systemische Arbeiten und die Vielfalt der Optionen, Menschen in verschiedenen Lebenslagen zu unterstützen. Ich wollte aber auch noch in anderen Bereichen der Sozialarbeit arbeiten und ging so drei Jahre später zur Volkshilfe Niederösterreich. Schon nach kurzer Zeit durfte ich die Leitung der Pflegedienste und der sozialen Arbeit übernehmen und wurde schließlich mit 27 Jahren zum Geschäftsführer bestellt. Der Vorstand hat mir damals sein Vertrauen geschenkt und ich bin bis heute dankbar dafür. Begonnen haben wir damals mit 250 MitarbeiterInnen. Nebenbei studierte ich Organisationsentwicklung und Sozialmanagement. Mit dem Wissen aus dem Studium konnte ich die Strukturen aufbauen und professionalisieren. Einige Zeit später waren 1600 MitarbeiterInnen bei der Volkshilfe Niederösterreich beschäftigt und es folgte die Zusatzaufgabe, die Volkshilfe Burgenland zu sanieren. Diese Pionierrolle hat mir sehr gut gefallen und war eine große Herausforderung. Trotzdem war ich neben der Volkshilfe auch weiterhin politisch engagiert, da mir mein Philosophiegebäude sehr wichtig war. Basierend auf den Philosophen der Moderne Hegel, Marx und Kant war meine Weltanschauung immer mein Antrieb, der mich neben der Volkshilfe agieren ließ. Ich habe auch immer wieder versucht, diese beiden Themen zu vereinen. Zu guter Letzt wurde ich gefragt, ob ich nicht die Volkshilfe Österreich übernehmen möchte. Nachdem ich extrem gerne an Entwicklungen beteiligt bin, habe ich diese Herausforderung angenommen. Die letzten zehn Jahre habe ich damit verbracht, an dieser Struktur zu arbeiten. So wurde aus der Volkshilfe eine NGO, die ihre Stimme für benachteiligte Menschen erhebt, nichtpaternalistisch und nichtalmosenorientiert agiert und sich um mehrere Themenbereiche gleichzeitig kümmert. Hierbei steht die Sichtweise der betroffenen Personen stets im Vordergrund. Die Volkshilfe unterstützt im kleinen Rahmen, geht aber auch offen und offensiv auf die Straße, wenn es um die Rechte der Hilfsbedürftigen geht. Gesamt gesehen bin ich sehr dankbar und sehe es als Privileg, dass meine Arbeit und mein Engagement für soziale Gerechtigkeit in einem Kontext stehen können. Genau das macht mein Leben aus und ich sehe es noch nach all diesen Jahren als persönliche Mission, ohne jemanden missionieren zu wollen.
Pflege Professionell: Gibt es dann überhaupt noch einen privaten Erich Fenninger?
Erich Fenninger: Ich habe schon sehr früh für mich beschlossen, dass es keine Grenzen zwischen meinem Engagement, der beruflich sowie politischen Seite und meinem Privatleben geben kann. Ich habe trotz allem drei Söhne, der Jüngste ist gerade 13 geworden, die diese Einstellung mitleben. Meine Frau und ich haben schon zu Beginn beschlossen, mit unseren Kindern egalitär zu leben, denn von „Erziehung“ im traditionellen Sinn halte ich überhaupt nichts. Erziehung bedeutet für mich Kinder in eine Richtung zu ziehen oder dorthin zu stellen, wo man selbst gerne wäre. Aufgrund unserer Herangehensweise erleben wir oft tolle Familiengeschehen, in denen wir sprechen, diskutieren und uns die Meinung der Kinder anhören, die dadurch ein entsprechendes Selbstvertrauen und eine eigene Meinung entwickeln können.
Pflege Professionell: Sie sind in der Ära des Widerstandes groß geworden und erleben jetzt eine neue Veränderung in Europa und in der Politik einen massiven Rechtsruck und einem Abwenden von Hilfsbedürftigen. Ist das nicht extrem frustrierend für einen Mann mit dieser Einstellung und Engagement?
Erich Fenninger: Zum Grundverständnis zur Person Erich Fenninger: Ich bin erst dann frustriert, wenn ich nicht einschreiten kann. Ich habe das schon mit 15 Jahren nicht ausgehalten, die Nachrichten nur passiv als Medienkonsum anzusehen, ohne den Versuch zu starten, einen entsprechenden Beitrag zu leisten, um die Welt zu verbessern. In den 60er, 70er und 80er Jahren hätte man sich sicher nicht vorstellen können, dass sich die Welt 2016 so sehr spaltet wie nie zuvor. Die Vermögenskonzentration hat einen Höchststand erreicht und ist in den Händen von so wenigen. Auf der anderen Seite ist die Armut in der Bevölkerung überdurchschnittlich stark angestiegen. 62 Menschen haben so viel Vermögen angehäuft, wie die komplette untere Hälfte der Weltbevölkerung besitzt. Dies ist einfach nicht mehr zumutbar und die einzige Lösung ist leider nur noch ein Kampf gegen die Superprivilegierten, die andere Millionen Menschen in Armut und Arbeitslosigkeit halten. Für mich gibt es da eine ganz klare Verbindung zum Rechtsruck. Es ist mir aber wichtig, ist die Ursache nicht im Fremden zu sehen, auch wenn die Rechten den Ausländer oder Flüchtling zum Feindbild machen. Es geht hier ganz einfach um Ungerechtigkeit. Wir leben in einer gefährlichen Zeit, wie Slavoj Žižek schon gesagt hat, weil es eben nicht ausgemacht ist, wie die Zukunft sein wird. Man kann es mit 1928/29 vergleichen, als es ebenso eine hohe Arbeitslosigkeit, eine hohe Armut und Privilegien für ein paar Auserwählte gegeben hat. Nur so konnten damals faschistische Parteien die Macht übernehmen. Dieselben ökonomischen Bedingungen haben wir nun 2016. Amerika hat seinerseits versucht, der Weltwirtschaftskrise auszuweichen indem Erbschaftssteuern und Vermögenssteuern eingeführt wurden und ist dabei bis zu 85% gegangen. Das war einer der Gründe, warum es diese Form des Faschismus auf diesem Kontinent nicht gegeben hat. Roosevelt hat damals vollkommen dagegen gearbeitet, weil er dies nicht mit seinen Ansichten vereinbaren konnte. Das Negative in Europa ist derzeit, dass dieser Neoliberalismus der die Welt erobert hat, eine besondere Ausprägung des Kapitalismus ist. Dies ist nicht nur Wirtschaft, sondern in vielen Punkten auch Ideologie. Nur dadurch wurde es den Superprivilegierten ermöglicht, eine Hegemonie aufzubauen. Die Meinungen und Anliegen dieser Superprivilegierten, die absolut nicht im Interesse der Bevölkerung liegen, werden aber dennoch von den Menschen übernommen. Im Sinne der Aufklärung muss man dekonstruieren, warum die Lebensbedingungen heute schlechter sind, warum so viele Menschen in so schlechten Wohnverhältnissen leben, warum können so viele Menschen die Miete nicht mehr bezahlen können, warum seit 30 Jahren die Lohnquote stagnierend ist und die Gewinne der Konzerne aber ins Unermessliche steigen. Dagegen müssen wir uns wehren und nicht gegen die Zuwanderer, die in unser Land kommen.
Pflege Professionell: Sie waren früher in Niederösterreich und Burgenland tätig. Man hat irgendwie das Gefühl, dass die Bereitschaft zur ehrenamtlichen Arbeit am Land stärker ist als in der Stadt. Ist dies eine Einbildung oder wie sehen sie das?
Erich Fenninger: Aus meiner Sicht ist die Nichtanonymität des ländlichen Bereichs der Grund dafür. In einer kleinen Gemeinde, wo man sich kennt, ist die Vertrautheit und die Bereitschaft dem Gegenüber zu helfen, einfach wesentlich mehr vorhanden, als im anonymen, urbanen Raum. Es zeichnen sich auch viele Gemeinden dadurch aus, dass wirklich jeder jeden kennt. Mittlerweile hat sich das Angebot am Land sehr verändert. Es gibt Pflegestammtische und palliative Gruppen. Dadurch ist vieles schneller sichtbar und letztlich in der ganzen Gemeinde bekannt. Wenn es zum Beispiel eine neue Initiative, Hauskrankenpflege oder Sozialstation gibt, weiß es ziemlich schnell jede Person der Umgebung. In Großstädten entstehen ebenso Initiativen und Angebote. Es ist aber viel schwieriger, dies für die ganze städtische Bevölkerung publik zu machen. Auch hier gibt es eine große gegenseitige Unterstützung, die aber trotzdem eher regional bezogen ist. So wissen zum Beispiel die Floridsdorfer, wenn es eine neue Initiative in ihrem Bezirk gibt, WienerInnen aus anderen Bezirken bekommen das aber nicht so mit. Durch die Vernetzungsmöglichkeiten kommt es aber auch zur globalen Zusammenarbeit. So kann eine Vorarlbergerin mit einer Wienerin über soziale Netzwerke Kontakt aufnehmen und entsprechend Unterstützung anbieten.
Pflege Professionell: Wenn man sich Ihre Arbeit und die der Volkshilfe ansieht, sind die Themen wirklich vielseitig und umfangreich: Menschenrechte, Pflegethemen, Kinderarmut und soziale Gerechtigkeit. Das Thema Kinderarmut scheint aber bei Ihnen und der Volkshilfe ein wirklich großes Thema zu sein, welches bei anderen NGOs eher klein beleuchtet ist. Wie ist das entstanden?
Erich Fenninger: Es gibt natürlich zu diesem Thema einen persönlichen Zugang, der darin besteht, wie ich Kinder sehe. Kinder sollen eine richtige Kindheit und somit auch Freiheiten haben. Ich sehe sie als ebenbürtige Menschen. Das beginnt schon bei Säuglingen, die einen entsprechenden Respekt verdienen. Für mich gibt es keinen Bedarf an Erziehung, sondern das Bedürfnis des Schutzes und der bedingungslosen Liebe. Es geht hierbei nicht um Leistung, denn Liebe muss ohne Grund sein und darf auch einen solchen nicht kennen. Dieser Schutz, der mir wichtig ist müssen Kinder spüren, um sich selbstständig frei entwickeln zu können. Hierbei richtet sich alles an den Stärken des Kindes, eine Normierung und Verpflichtungen darf es in diesem Bezug nicht geben. Der zweite Punkt ist die Armut der Familien und Kinder. Wenn man sich näher auseinandersetzt, dann begreift man erst, welchen massiven Raub an Lebenschancen Armut zur Folge hat. Wir wissen mittlerweile, dass arme Menschen sechs bis neun Jahre weniger Lebenszeit haben, als Menschen, die nicht von Armut betroffen sind. Man kann hier also wirklich von einem Raub der Lebenszeit sprechen. Ein Stärken dieser Personen fordert viel Zeit und auch hier gibt es Verantwortliche. Menschen, die arm sind, haben es sich nicht ausgesucht, in Armut zu leben. Dies geschieht durch eine strukturelle Benachteiligung. Das Wesen der Ökonomie ist es, zu schauen, dass jeder Mensch einen Job hat. Arbeit ist die Grundlage für eine Auseinandersetzung mit der Umwelt. Genau aus dieser Essenz werden arme Menschen ausgeschlossen. Zu diesem Thema gibt es meiner Meinung nach genau zwei Optionen: Entweder ist man gegen Armut oder man lässt Armut zu. In der Sozialarbeit und in der empirischen Forschung sieht man ganz schnell, dass Kinder, die bei finanziell starken Eltern aufgewachsen sind, eine wesentlich positivere Entwicklung aufweisen, als Kinder, die bei finanziell benachteiligten Familien groß werden. Ich habe mich in den letzten Jahren mit Forschungsthemen auf europäischer Ebene auseinandergesetzt und man sieht eindeutig, dass Kinder in Armut von ihren Chancen und potentiellen Lebenswegen abgeschottet werden. Die sozialen Kontakte werden dadurch minimiert, der Freundeskreis ist sehr eng, sie feiern ihre Geburtstage nicht und es kommen keine Freundinnen zu Besuch, weil es an Räumlichkeiten fehlt. Sie erfahren keine Anerkennung. Das trifft nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene, wenn sie keine Wertschätzung erfahren. Wenn man dann in jedem Lebensbereich gemaßregelt und nicht unterstützt wird, kann es zu keiner Änderung kommen. Die Kinder dieser Umgebung lernen das automatisch mit, das die Eltern unter Dauerdruck sind und in den entsprechenden Institutionen nicht gewollt werden. Dadurch haben diese Kinder kulturell, sozial, kognitiv und gesundheitlich eine extrem schlechte Entwicklung. Bourdieu, der große Soziologe aus Frankreich meint, dass das soziale Kapital, also Netzwerke, die kulturelle Umgebung und Sozialkompetenzen ausschlaggebend sind für eine gute Entwicklung. Das kann aber nicht aufgebaut werden, wenn der Lebensbereich eingeschränkt ist. Ein deutsches Klinikum brachte letztes Jahr ein neues Screeningverfahren heraus, das zeigt, wurde, dass Kinder aus armen Familien beim Schuleintritt viel schlechter Deutsch können, in der Mengenlehre negativer abschneiden und die Visomotorik vermindert ist, als bei Kindern aus guten Verhältnissen. In der Schule werden diese Kinder noch mehr abgestempelt. Die Gesellschaft bemüht sich also überhaupt nicht, diese Chancenungleichheit aufzuheben. Das ist für die Volkshilfe und mich einfach ein Grund und ein essentieller Antrieb, gegen diese Ungerechtigkeit anzutreten. Diese Kinder brauchen eine Chance!
Pflege Professionell: Im europäischen Vergleich ist Österreich mit Sicherheit kein armes Land. Ist das Thema Kinderarmut dann bei uns wirklich so groß?
Erich Fenninger: Wir sind mit Sicherheit kein armes Land, aber es gab in den 70ern und 80ern eine ausgeglichene Verteilung des Wohlstandes. Somit wurden Optionen geschaffen. Dies ist aber leider Vergangenheit und die Chancenungleichheit wird immer größer. Man kann natürlich sagen „Unsere Großeltern ist es damals im Krieg auch schlecht gegangen.“, aber da ging es den meisten schlecht und die Situation wurde von allen getragen. Natürlich ist es positiv, dass es uns im Vergleich zu anderen Ländern in Europa gut geht, aber wir haben trotzdem nach europäischen Bemessungszahlen über eine Million Personen, die armutsgefährdet sind. 400.000 gefährdete Kinder sind meiner Meinung nach eine wirklich hohe Zahl und die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Der Gini-Koeffizient besagt wie gleich eine Gesellschaft ist, welcher mittlerweile auch in Österreich keine guten Zahlen vorweist.
Pflege Professionell: Sie sprechen sehr oft über Europa. Wie weit geht ihre und die Arbeit der Volkshilfe über die Grenzen Österreichs hinaus?
Erich Fenninger: Strukturell sind wir im europäischen Netzwerk „Solidar“ eingebunden, welches ein Bündnis von verschiedensten NGOs ist. Die Ausrichtungen dieser NGOs sind zwar unterschiedlich. Wir alle arbeiten nationalstaatsübergreifend am sozialpolitischen und menschenrechtsorientierten Sektor zusammen. Die Volkshilfe ist im Vergleich zu anderen Mitgliedern wirklich ein kleiner Träger. Wir versuchen internationale Solidarität zu leben. Das Wichtige an dieser Arbeit ist aber die Zusammenarbeit mit den ansässigen einheimischen Gruppen, die vor Ort alles organisieren und in Bewegung setzen. Hierbei ist es vor allem von Relevanz, dass die Betroffenen in den Assessments entsprechend eingebunden werden, denn nur sie können wirklich sagen, was benötigt wird. So etwas kann man nicht von „weit weit weg“ entscheiden. So halfen wir und viele andere Organisationen zum Beispiel beim Erdbeben in Pakistan. Viele der NGOs kauften damals Zelte, bis die Einheimischen um einen Stopp des Zeltekaufs baten, weil sie lieber Blechplatten haben wollten, um ihre Häuser wiederaufzubauen. Die Zelte wären sowieso in einigen Monaten kaputt gewesen. In derselben Zeit konnten die Pakistani aber ihre Ruinen mit den Blechplatten schützen und darunter renovieren. Solche Projekte gehen natürlich nur mit Spenden.
Pflege Professionell: Hat sich die Spendenbereitschaft in Österreich in den letzten 20 Jahren verändert oder ist diese gleich geblieben?
Erich Fenninger: Die Spendenberichte, bei denen diese Situation wissenschaftlich untersucht wird, zeigt, dass die Bereitschaft gewachsen ist. Es hängt aber sehr damit zusammen wofür gespendet werden soll. Die Leute sind stärker bereit, bei großen Katastrophen zu spenden, als bei mehreren kleinen Aktionen. Wir erleben als Volkshilfe immer wieder, dass Menschen spenden, die ein geringeres Einkommen haben, aber trotzdem mit den Betroffenen teilen wollen. Was wir zum Beispiel nicht tun, ist eine Spendenannahme von Firmen, die nachweislich an Ausbeutungen beteiligt sind.
Pflege Professionell: Thema Krankenpflege. Man hat das Gefühl, dass dem Staat langsam das Geld für diese Leistungen ausgeht. Das Thema Pflege ist aber auch bei der Volkshilfe ein großes Thema. Wie sehen Sie die derzeitige Situation in der Gesundheits- und Krankenpflege?
Erich Fenninger: Die Leute die Pflege „machen“ und jeden Tag organisieren, leisten einen wesentlich härteren Job als vor 20 Jahren, weil mittlerweile wirklich alles ökonomisiert ist. Es geht fast nur noch um Effizienzsteigerung, die Betreuungszeit wird reduziert weil wirklich alles finanzierungsgetrieben ist. Die Pflegepersonen bekommen immer weniger Zeit für ihre Handlungen, da es wirklich nur noch minutengenaue Vergaben gibt. Es wird an jedem Ende gekürzt. Man kann also sagen, dass die Zeit immer knapper wird und sich die Leistungen verdichten. Der Mensch kommt hier eindeutig zu kurz. Ich sehe hier Chancen der Veränderung wenn wir uns gemeinsam mit den MitarbeiterInnen und anderen Trägern gegen diese Begebenheiten wehren. Man kann ja nicht als Geschäftsführer die Forderungen der Fördergeber eins zu eins auf den Mitarbeiter weitergeben. Wir haben die Verantwortung, uns für unsere MitarbeiterInnen einzusetzen und wissen natürlich, dass soziale Arbeit leider noch immer unterbezahlt ist. Hierfür müssen wir einfach gemeinsam kämpfen. Wenn der Staat für solche Leistungen das Geld nicht aufbringen kann, dann müssen einfach andere Wege gefunden werden. Hier dürfen sich aber auch nicht die PolitikerInnen von den Finanzeliten dieser Welt instrumentalisieren lassen. Es ist auf jeden Fall noch ein weiter Weg.
Pflege Professionell: Sie bearbeiten so viele unterschiedliche Themen. Wenn sich Erich Fenninger zwischen seinen Themen entscheiden müsste, wie würde er sein Tun priorisieren?
Erich Fenninger: Das ist eine wirklich schwierige Frage. Wir haben natürlich immer wieder Finanzierungsprobleme und wir müssen oft Eigenmittel investieren. Aber wenn die Finanzierung zu hoch wird, müssen wir leider auch immer wieder mit Projekten oder bestimmten Leistungen aufhören. Das tut weh und passiert leider immer wieder. Trotzdem wollen wir von den großen Themen nichts aufgeben. Wir könnten keines unserer Kernthemen auf der Strecke lassen.