„Im Interview“ – Ing. Norbert Hofer

17. Mai 2016 | Politik | 0 Kommentare

Pflege Professionell: Sind Sie mit unserem Gesundheitssystem zufrieden?

Norbert Hofer: Im Großen und Ganzen ja, wenngleich natürlich noch einige Maßnahmen notwendig sind, um die Finanzierbarkeit auch in den nächsten Jahrzehnten sicherzustellen. Dazu gehört beispielsweise der Abbau von Akutbetten. Österreich leistet sich fast doppelt so viele Aufbetten wie der EUSchnitt. Das kostet uns mehrere Milliarden Euro jedes Jahr.

Pflege Professionell: Welchen Beitrag könnten Sie als Bundespräsident zum Gesundheitswesen leisten?

Norbert Hofer: Als Bundespräsident habe ich die Möglichkeit, bei Fehlentwicklungen im Gesundheitsbereich die Bundesregierung dahingehend zu ermahnen, eine Kurskorrektur vorzunehmen.

Pflege Professionell: Anhand der demografischen Entwicklung wird aus dem Gesundheitswesen ein wirtschaftliches „Fass ohne Boden“. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Norbert Hofer: Diese Entwicklung ist seit längerem bekannt, bisher hat die Politik nicht wirklich darauf reagiert. Je älter Menschen werden, umso häufiger werden sie krank und/oder pflegebedürftig. Dies ist die Herausforderung für die Zukunft. 80 Prozent der Pflegeleistungen werden in der Familie erbracht. Würden diese von Professionisten durchgeführt, so entstünden Kosten von 3 Milliarden Euro. Aber neben der Tatsache, dass wir älter werden, müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass es immer mehr Personen gibt, die keine eigene Familie gründen und daher sich im Alter weniger auf ein familiäres Netz verlassen können. Es wird daher der Anteil jener Menschen stark ansteigen, die in Pflegeheimen zu versorgen sind. Wenn es nicht zu einem finanziellen Super-Gau kommen soll, brauchen wir längstens eine Gesundheitsreform mit den oben beschriebenen Punkten, um uns mit dem eingesparten Geld den Pflegebereich auch wirklich nachhaltig leisten können.

Pflege Professionell: Was würden Sie der Regierung zu diesem Thema mit auf den Weg geben?

Norbert Hofer: Gesundheitsreform jetzt – und zwar eine echte Reform, mit der Finanzierung aus einer Hand und der Zusammenlegung der Krankenkassen. Dazu braucht es aber den Willen der Regierung, sich gegen die Landeshauptleute durchzusetzen, die leider Reformen im Gesundheitsbereich seit vielen Jahren blockieren.

Pflege Professionell: Worin sehen Sie die entscheidenden Hebel damit auch unsere Kinder und Kindeskinder noch ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem zur Verfügung haben?

Norbert Hofer: Dazu braucht es, wie oben erwähnt, einen effizienteren Einsatz der Mittel. Dies soll erreicht werden durch einen Abbau der Akutbetten, einer Bündelung der Kompetenzen und Finanzströme im Gesundheitswesen, die so genannte „Finanzierung aus einer Hand“ und die Zusammenlegung der Krankenkassen. Damit würden wir – wie vom Rechnungshof bestätigt – jährlich bis zu 4,75 Milliarden Euro einsparen.

Pflege Professionell: Wie stehen Sie zu einer Privatisierung des Gesundheitssektors, um die Wirtschaftlichkeit zu erhalten?

Norbert Hofer: Eine Privatisierung des Gesundheitswesens lehne ich ab. Auch die öffentliche Hand könnte wirtschaftlich handeln. Das Problem – gerade im Gesundheitssektor – sind die vielen unterschiedlichen Kompetenzen. Diese müssen dringend gebündelt werden. Gesundheitsversorgung ist ebenso wie beispielsweise Landesverteidigung oder Bildung eine der wesentlichen Aufgaben der öffentlichen Hand. Diese muss allen Menschen zugänglich sein und darf nicht gewinnorientiert sein. Nur so ist eine ethische Gesundheitsversorgung sichergestellt.

Pflege Professionell: Welchen Einfluss würden Sie geltend machen damit unser Gesundheits- und Sozialsystem keine Spielwiese für Spekulanten und Geschäftemacher wird?

Norbert Hofer: Sollte ein Plan der Regierung in eine solche Richtung gehen, so werde ich als Bundespräsident mit Sicherheit die Regierung zu einem Gespräch bitten. Die Gesundheitsversorgung darf kein Spielball wirtschaftsliberaler Überlegungen sein.

Pflege Professionell: Durch die Veränderungen und die Arbeitssituation werden Angestellte im sozialsozial- und medizinischen Bereich immer unzufriedener. Menschen gehen in ihren Jobs an die Leistungsgrenze. Mittlerweile ist die Unzufriedenheit so groß, dass immer mehr ÄrztInnen und Pflegepersonen auf die Straße gehen und demonstrieren. Wie treten Sie dem entgegen?

Norbert Hofer: Ich habe großes Verständnis für die Probleme des medizinischen Personals. Die Arbeitsbedingungen haben sich in den letzten Jahren zusehends verschlechtert. Neben vielfältigeren Aufgaben und den immer mehr werdenden Dokumentationspflichten auf der einen Seite, ist es vor allem der Spargedanke im Gesundheitswesen, der dem Personal massiv zusetzt. Im ärztlichen Bereich wird die Situation zusätzlich dadurch verschärft, dass das Ärztearbeitszeitgesetz zusätzliche Kapazitätsprobleme mit sich gebracht hat. Ich verstehe daher die berechtigten Anliegen und glaube, dass Einsparungen beim Personal der falsche Weg sind. Was es braucht ist das Abstellen von Doppelgleisigkeiten, der Abbau von teuren Akutbetten und die Errichtung von Schwerpunktkrankenhäusern. Auch wäre es endlich notwendig, die Finanzierung „aus einer Hand“ sicherzustellen. Seit Jahren ist dies eine Forderung von mir, ebenso wie die Zusammenlegung der Krankenkassen.

Pflege Professionell: Die Kranken- und Altenpflege ist schon seit Jahrzehnten multikulturell aufgestellt. (Fast die Hälfte der Pflegepersonen haben einen Migrationshintergrund) Welche Chancen sehen Sie hierbei fürs Gesundheitswesen?

Norbert Hofer: Gerade im Pflegebereich gibt es sehr viele Mitarbeiter – vor allem Frauen – aus anderen Ländern. Eines ist all diesen Personen gemein: Eine gute und fundierte – in Österreich anerkannte – Ausbildung und sehr gute Sprachkenntnisse. Ich sehe dies als Tatsache, nicht als Chance für das Gesundheitswesen. Es ist aber so, dass vor allem im privaten Pflegebereich, Frauen aus den osteuropäischen Ländern tätig sind, da diese oftmals kostengünstiger arbeiten. Sich darauf zu verlassen, dass Gesundheitsdienstleister aus dem Ausland unser fehlendes Personal ausfüllen, halte ich für gefährlich. Notwendiger wäre, selbst ausreichend Personal auszubilden und sich nicht immer darauf zu verlassen, dass dies andere Länder für uns tun.

Pflege Professionell: Die Pflege wird noch immer unterbezahlt. Obwohl die meisten Menschen in diesem Job schwere Schichtdienste mit hoher Belastung machen, zählt dieser Beruf noch immer als unterbezahlter „Frauenberuf“. Wie könnte man dies ändern?

Norbert Hofer: Es ist völlig richtig, dass der Pflegeberuf nicht leistungsgerecht entlohnt wird. Lohnverhandlungen führen in Österreich die Sozialpartner. Dies hat zwar durchaus seine Vorteile, auf der anderen Seite zeigt sich im Pflegebereich, dass hier die Gewerkschaft ganz offensichtlich zu wenig Verhandlungsgeschick hat. Ich glaube, es ist auch ein gesellschaftliches Umdenken notwendig, denn die Leistungen, die vom Pflegepersonal erbracht werden, sind durchaus anerkannt. Dennoch ist vielen Menschen in Österreich nicht bekannt, dass das Pflegepersonal chronisch unterbezahlt ist. Dass in Sozialberufen überwiegend Frauen arbeiten, liegt wohl in der Natur der Sache, nämlich dass Frauen über eine höhere soziale Kompetenz verfügen.

Pflege Professionell: Wo sehen Sie die österreichische Pflege in fünf Jahren?

Norbert Hofer: Die großartigen Leistungen der Pflegerinnen und Pfleger werden dazu führen, dass in fünf Jahren noch viele Angehörige ihre Pflegebedürftigen im Falle des Falles in sicherer Obhut wissen.

Pflege Professionell: Eine Therapie stiftet evidenzbasiert nicht den erwarteten Nutzen. Zum Beispiel eine Chemotherapie mit weniger als drei Monate Lebensverlängerung. Was halten Sie in solchen Fällen von nutzabhängigen Selbstbeteiligung durch die Versicherten selbst?

Norbert Hofer: Davon halte ich nichts. Denn jeder Patient hofft bis zum Schluss auf das „Wunder“, die Wende in seiner Krankheitsgeschichte. Es ist Aufgabe der sozialen Krankenversicherungen die bestmögliche Therapie jedem Patienten angedeihen zu lassen.

Pflege Professionell: Wollen Sie den Menschen in Gesundheitsberufen noch ein paar Worte zukommen lassen?

Norbert Hofer: Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsbereich! Als langjähriger Patient, der sehr viele Monate in Krankenhäusern zugebracht hat, weiß ich um die vielfältige und schwierige Arbeit. Nicht nur die Belastung durch den Schichtdienst und die verantwortungsvolle Tätigkeit, sondern auch die unterschiedlichen Patienten mit ihren individuellen Wünschen, Sorgen und Problemen belasten Ihren Arbeitsalltag. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass das medizinische Personal wirklich bemüht ist, sich auch ausreichend Zeit für die Patienten zu nehmen und jederzeit Hilfestellungen leistet. Daher gebührt Ihnen allen mein tiefster Respekt, obwohl ich hoffe, Ihre Dienste nicht mehr allzu oft in Anspruch nehmen zu müssen.

Das Interview wurde zuerst in der Ausgabe Pflege Professionell 4/2016 publiziert.

 

Autor

  • Markus Golla

    Studiengangsleiter "GuK" IMC FH Krems, Institutsleiter Institut "Pflegewissenschaft", Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall)