„Im Alter würdevoll leben können…“ Interview mit August Wöginger & Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP)

29. August 2017 | Demenz, Pflegende Angehörige, Politik | 0 Kommentare

Ein Angestellter des Roten Kreuzes, der im Parlament für den Sozialbereich zuständig ist? Eine diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester im österreichischen Bundesrat, die sich um pflegepolitische Fragen kümmert? Bei der ÖVP ist dies schon seit vielen Jahren ein fixer Bestandteil in der Gesundheitspolitik. August Wöginger, jahrelanger Betriebsratvorsitzender beim Roten Kreuz Oberösterreich, und Sonja Ledl-Rossmann, Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und ehemalige Heimleitung eines Pflegeheimes, sind von ihrem Know How und Hintergrund ein perfektes Interviewduo, um unsere Fragen zu beantworten…

Pflege Professionell: Die Bevölkerung wächst und wird immer älter. Parallel dazu wächst aber das Gesundheitssystem nicht mit – im Gegenteil, es werden eher Kapazitäten abgebaut oder nicht nachbesetzt. Wie möchte man diesem Auseinanderdriften entgegnen?

August Wöginger: In der Gesundheits- und in der Sozialpolitik wurde in den letzten zehn Jahren viel verschlafen. In Österreich stehen zusehends nicht mehr die Anliegen der Menschen im Mittelpunkt, sondern das System und die Bedürfnisse der Behörden. Deshalb braucht es in Gesundheit und Pflege entschiedenere Schritte und eine gemeinsame Anstrengung, um für wirkliche positive Veränderung zu sorgen. Bundesparteiobmann Sebastian Kurz hat daher vor einigen Wochen zehn Punkte im Gesundheits- und Pflegebereich vorgestellt, auf die unter anderem auch mit den folgenden Antworten eingegangen wird.

„Wir müssen ein Pflegesystem schaffen, das es jedem Einzelnen ermöglicht, im Alter würdevoll zu leben und die optimale Betreuung zu haben.“ – August Wöginger

Pflege Professionell: Viele Ärztinnen und Ärzte der Babyboomer-Generation werden in den kommenden Jahren in Pension gehen, es gibt aber immer weniger Jungärzte, die nachrücken. Wie will man hier gegensteuern?

August Wöginger: In den nächsten zehn Jahren kommt mehr als die Hälfte der Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag ins Pensionsalter. Der Gesundheitsausschuss hat daher im Juni anlässlich des Primärversorgungsgesetzes auch einen Aktionsplan zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung für jede Gemeinde beschlossen. Darin sind Änderungen in der Ausbildung, Lehrpraxis, bessere Arbeits- und Honorarbedingungen, flexiblere Kassenverträge usw. zur Attraktivierung des Hausarztberufes vorgesehen.

Pflege Professionell: Ein wesentlicher Indikator für die Qualität von medizinischen Leistungen ist das Erreichen von Mindestmengen. Nach wie vor gehört Österreich zu jenen Ländern, in denen ausgewählte medizinische Leistungen nicht auf bestimmte Standorte konzentriert werden. Welche Pläne stehen diesbezüglich auf Ihrer Agenda?

(C) August Wöginger

August Wöginger: Mit diesem Thema ist die Bundes-Zielsteuerungskommission von Gesundheitsministerium, Ländern und Sozialversicherung bereits befasst.

Pflege Professionell: Wie wollen Sie sicherstellen, dass die geplanten Primärversorgungszentren gutmit dem Pflege- und Betreuungssystem zusammenarbeiten?

August Wöginger: Dem Primärversorgungs-Kernteam gehört auch ein/e Angehörige/r des gehobenen Gesundheits- und Krankenpflegedienstes an, darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit Anbietern von Pflegeleistungen möglich.

Pflege Professionell: Einerseits bekennt man sich zum öffentlichen Auftrag der Gesundheitsversorgung, andererseits will man privaten Investoren Tür und Tor öffnen. Wohin soll es tatsächlich gehen?

August Wöginger: Das Primärversorgungsgesetz wurde auf freiberufliche und gemeinnützige Leistungsanbieter beschränkt. Andererseits spricht nichts gegen private Anbieter von Gesundheitsleistungen, solange sichergestellt ist, dass die krankenversicherten Patienten unabhängig von Alter, Einkommen oder Gesundheitszustand Zugang zu allen medizinischen Leistungen haben, wenn nötig auch zu Spitzenmedizin in Uni-Kliniken und hochspezialisierten Einrichtungen. Leistungen haben, wenn nötig auch zu Spitzenmedizin in Uni-Kliniken und hochspezialisierten Einrichtungen.

Pflege Professionell: Personal ist eine der wichtigsten und wertvollsten Ressourcen im Gesundheitswesen. Gegenwärtig stellt es sich so dar, dass es keine einheitliche Bemessung des Personalbedarfs gibt. Jedes Bundesland kalkuliert nach anderen Grundlagen und es stehen keine transparenten, objektivierten und vergleichbaren Berechnungsmodelle zur Verfügung. Was planen Sie da?

August Wöginger: Das Monitoring von vergleichbaren Personalkennzahlen im stationären Bereich ist eine Aufgabe der Qualitätssicherung im Gesundheitswesen im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit. Zentrale Vorgaben für Personalschlüssel erscheinen aber wenig sinnvoll, zu unterschiedlich sind die jeweiligen Rahmenbedingungen.

Pflege Professionell: An der Schnittstelle zwischen dem Gesundheits- und Sozialsystem gibt es sehr viel Reibung und auch Reibungsverluste. Ein Beispiel dafür ist der „Drehtüreffekt“ bei Menschen mit hohem Pflegebedarf. Welche Konzepte verfolgen Sie, um ein gutes Miteinander und eine koordinierte Vorgehensweise vor allem zwischen dem Akutspital und der Langzeitpflege herzustellen?

August Wöginger: Der wichtigste Punkt für ein nahtloses Ineinandergreifen der Spitals- und der extramuralen Versorgung im Zusammenhang mit Pflegeheimen ist, die hausärztliche Versorgung auch in Pflegeheimen sicherzustellen. Bei der Pflege zu Hause ist der Ausbau des Unterstützungsangebots für pflegende Angehörige durch mobile Dienste, leistbare Ersatzpflege und teilstationäreEinrichtungen das Wichtigste. Die Finanzierungen durch den Pflegefonds sind bereits darauf ausgerichtet.

Pflege Professionell: Welches sind ihre Schwerpunkte in der Kinder- und Jugendgesundheit?

August Wöginger: Die stationäre Kinder-Rehabilitation ist bereits in Umsetzung. Das Bundesministerium für Familien und Jugend hat zudem kürzlich gemeinsam mit dem Hauptverband einen digitalen Eltern-Kind-Pass vorgestellt, der Eltern an Untersuchungen, Impfungen und Behördenwege erinnert. Hier sollte man weiter ansetzen in Richtung Jugendlicher. Echte Versorgungslücken bestehen in der Versorgung Jugendlicher mit krankheitswerten psychischen Problemen durch spezialisierte Psychiater, Psycholog/innen und Therapeut/innen, etwa bei Essstörungen oder Substanzmissbrauch.

Pflege Professionell: Österreich verfügt über eine bundesweit verhandelte und sehr gute Demenz-Strategie. Es fehlen die Mittel, diese umzusetzen. Wie werden Sie das lösen?

August Wöginger: Sebastian Kurz will auch bei Demenzerkrankungen Sicherheit schaffen, eine entsprechende Absicherung durch die öffentliche Hand soll gewährleistet sein.

Pflege Professionell: Das österreichische Gesundheitssystem ist eines der besten der Welt und gleichzeitig ein extrem ungerechtes. Sogar Studien belegen, dass zusatzversicherte PatientInnen bei OP-Terminen vorgezogen werden. Wie kann diese extreme Versorgungsschere in den nächsten Jahren beseitigt werden?

August Wöginger: Der niedergelassene Bereich muss gestärkt und die Spitäler und die teilweise überfüllten Spitalsambulanzen müssen entlastet werden. Alle Krankenversicherten sollen Zugang zu allen erforderlichen medizinischen Leistungen haben – unabhängig von Alter, Einkommen und Gesundheitszustand; und dies möglichst wohnortnah. Im Zehn-Punkte-Programm von Sebastian Kurz sind auch definierte Limits auf Wartezeiten auf wichtige Operationen und Untersuchungen sowie eine genaue Kontrolle des Bedarfs und ein Regulierungsabbau, um mehr Angebot zuzulassen, enthalten.

Pflege Professionell: Warum ist die Pflegekarenz noch nicht über einen Rechtsanspruch abgesichert?

August Wöginger: Es gibt bereits einen Rechtsanspruch auf Pflegefreistellung sowie auf Pflegekarenzgeld.

Pflege Professionell: Durch die unbezahlte Pflege- und Betreuungsleistung pflegender Angehöriger und Zugehöriger werden jährlich Leistungen im Wert von 3 Milliarden Euro erbracht, die damit nicht als Ausgaben bei der öffentlichen Hand anfallen. Ohne ihre Leistung, die nicht mit einer Freiwilligenarbeit zu verwechseln ist, würde die informelle Pflege und Betreuung nicht gesichert sein. Welche finanzielle Unterstützung neben der Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung oder der Ersatzpflege der Betroffenen kann geschaffen werden, um ihre oft entstehende prekäre Lebenssituation abzuwenden? Ist die Schaffung eines eigenen, regelmäßigen Betreuungsgeldes mit Rechtsanspruch ein Ansatz, den Sie unterstützen?

August Wöginger: Das Betreuungsgeld gibt es bereits: das Bundespflegegeld. Zusätzlich zur beitragsfreien Sozialversicherung gibt es bei Pflegekarenz, Pflegeteilzeitkarenz oder Hospizkarenz das Karenzgeld. Unterstützt werden auch die 24-Stundenbetreuung sowie durch den Pflegefonds der Ausbau von mobilen Diensten und teilstationären Angeboten zur Unterstützung pflegender Angehöriger.

Pflege Professionell: Bei der Begutachtung zur Einstufung des Pflegegeldes haben pflegende Angehörige und Zugehörige keinen Parteienstatus. Trotz der Aufforderung, eine Art Tagebuch zu schreiben, werden sie in den meisten Fällen der Begutachtung vor Ort nicht einbezogen oder haben keine Einspruchsmöglichkeit, wenn die betroffenen Pflegebedürftigen nicht in der Lage sind, ihre tatsächliche Situation zu schildern oder zu begründen. Pflegende Angehörige und Zugehörige sind die ExpertInnen vor Ort. Wie können sie im Begutachtungsverfahren eine rechtsgültige Position als Partei erlangen? Womit rechtfertigen Sie gegebenenfalls die Ablehnung der rechtsgültigen Parteistellung?

August Wöginger: Die pflegenden Angehörigen haben im Namen der pflegebedürftigen Person, die ihre Situation nicht selbst beschreiben kann, Parteistellung, wenn sie aufgrund einer Vorsorgevollmacht tätig sind. Darüber hinaus können sie jederzeit an der Feststellung des Sachverhaltes mitwirken.

Pflege Professionell: Das Thema „Vereinbarkeit von Pflege und Beruf“ ist sowohl in Unternehmen als auch in der Politik ein Diskussionsthema. In Österreich wird der Großteil der hilfs- und pflegebedürftigen Menschen zuhause gepflegt und betreut. Meistens wird diese Aufgabe von den Frauen erbracht. Welche Unterstützungsmöglichkeiten können Sie den pflegenden Angehörigen (vor allem Frauen) bieten? Was planen Sie darüber hinaus zur besseren Unterstützung der pflegenden Angehörigen?

August Wöginger: Die Angehörigen sind der größte Pflegedienst des Landes und verdienen unsere volle Unterstützung. Ein serviceorientierter Staat darf die pflegenden Angehörigen nicht wie Bittsteller behandeln. Es gilt, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, nicht das System. Um insbesondere auch die Angehörigen zu entlasten, will Sebastian Kurz noch deutlichere Schritte der De-Regulierung setzen. Einfache Systeme im Bereich der Pflegebehelfe zählen ebenso dazu wie eine Orientierung an modernen Lebenskonzepten im Hinblick auf die Pflegefreistellung.

Pflege Professionell: Die Finanzierung des Pflegesystems ist bis 2021 gesichert. Dennoch fehlt eine strukturelle Lösung für den Finanzierungsbedarf. Wie sehen dazu Ihre Vorschläge aus?

August Wöginger: Jemand, der ein Pflegefall wird, soll nicht anders behandelt werden als jemand, der an Krebs erkrankt. Bei beiden Lebensrisiken, die jeden treffen können, muss die Gesellschaft solidarisch unterstützen. Ziel ist, die langfristige Finanzierbarkeit des Pflegesystems zu sichern.

Pflege Professionell: Was werden Sie beitragen, damit man in Österreich je nach Bundesland nicht unterschiedlich hohe Kostenbeträge für ein und dieselbe Leistung entrichten muss?

August Wöginger: Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat angekündigt, noch in diesem Jahr eine Vereinheitlichung dieser Zuzahlungen und Kostenbeiträge umzusetzen, soweit es die SV-Leistungen betrifft. Für Heilbehelfe und Hilfsmittel, die in der geteilten Zuständigkeit von Ländern, Bundessozialämtern und Sozialversicherung gewährt werden, hat der Sozialminister bereits vor zwei Jahren in Aussicht gestellt, dass die Krankenkassen als Ansprechstelle zur Verfügung stehen sollen, um den Spießrutenlauf von einem Amt zum anderen endlich zu beenden – leider ist bis jetzt nichts passiert.

Pflege Professionell: Im letzten Finanzausgleich ist es gelungen, bis zum Jahre 2021 eine jährliche Finanzierung von € 18 Mio. für Hospiz und Palliative Care bereitzustellen. Das ist ein großer Erfolg. Gleichzeitig kommt das Geld aus drei verschiedenen Quellen, nämlich der Sozialversicherung, dem Pflegefonds und aus Landesmitteln. Was werden Sie tun, dass die Mittel bei den Menschen auch rasch ankommen? Welche Lösung schlagen Sie vor, damit nicht Anbieter von Leistungen vor Ort mit den drei verschiedenen Geldgebern nach drei verschiedenen Vorschriften abrechnen müssen?

August Wöginger: Die Koordinatorinnen des Hospiz- und Palliativforums, LH a.D. Waltraud Klasnic und Dr. Elisabeth Pittermann, leisten wichtige Überzeugungsarbeit, dass Hospizprojekte beispielsweise direkt beim Pflegefonds eingereicht werden könnten.

Pflege Professionell: In Städten werden mehr Menschen in Institutionen versorgt als auf dem Land. Dies ist vor allem auf räumliche Unterschiede der Infrastruktur und der angebotenen Pflegeleistungen zurückzuführen. Die Bundesländer erhalten über den Pflegefonds für Pflegeleistungen finanzielle Unterstützung, setzen diese aber nicht immer ein. Würden Sie die Bundesländer auffordern, mehr in Pflegeleistungen zu investieren?

August Wöginger: Den größten Teil der Organisation von Sachleistungen in der Pflege tragen die Gemeinden und die Hilfsorganisationen wie Hilfswerk, Caritas, Rotes Kreuz oder Volkshilfe. Die Verantwortlichen vor Ort wissen am besten, wie, was und in welchem Umfang benötigt wird.

Pflege Professionell: Der Bericht der Volksanwaltschaft hat so einige Wellen geschlagen. Handelt es sich Ihrer Meinung hierbei um Einzelfälle und wie wollen Sie diese Situationen ändern? In den letzten Wochen wurden sehr medienwirksam Missstände in Pflegeeinrichtungen aufgezeigt. Mit welcher Strategie wollen Sie solchen Mängeln in Zukunft begegnen?

August Wöginger: Missstände wie bei den aufgezeigten konkreten Fällen gehören abgeschafft. Die Mehrheit der Pflegekräfte arbeitet allerdings höchst engagiert und oft bis an die Grenzen der Belastbarkeit.

Pflege Professionell: Beschäftigte in den österreichischen Alten- und Pflegeheimen klagen, dass die Arbeit immer dichter wird und ständig neue Aufgaben dazu kommen. Letztlich bleibt immer weniger Zeit für die Auseinandersetzung mit den BewohnerInnen und die Gestaltungsmöglichkeiten der TrägerInnen sind begrenzt. Faktum ist, dass die Pflege „mehr Zeit“ benötigt. Welche Lösungsansätze haben Sie hierfür?

August Wöginger: Sebastian Kurz will auch Bürokratie abbauen. Es gilt, die Systemkosten sozusagen zugunsten der eigentlichen Pflege umzuleiten. Dies könnte zu einer echten Entlastung der vielen engagierten Beschäftigten führen, damit sie sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren können.

Pflege Professionell: In anderen europäischen Ländern übernimmt die akademisierte Pflege zunehmend Tätigkeiten von der Medizin. Auch im niedergelassenen Bereich. Dies hat sowohl qualitative als auch wirtschaftliche Vorteile. Welches Konzept legen Sie diesbezüglich vor?

August Wöginger: Mit dem neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetz wurden der Pflege und insbesondere dem gehobenen Dienst eine große Anzahl von Aufgaben im medizinisch-therapeutischen Bereich zur verantwortlichen Durchführung übertragen. Dieses Gesetz muss jetzt in Ausbildung und Praxis umgesetzt werden, bevor über weitere Schritte nachgedacht wird.

(C) Parlament Photo Simonis Wien

LeserInnenfrage: Wie werden Sie ganz allgemein mit den steigenden Kosten im Gesundheitswesen umgehen? Effizienter Mitteleinsatz und Behandlung in der passenden Versorgungsstufe. Stärkung der Hausarztversorgung und des niedergelassenen Bereichs. Kommt für Sie eine Limitierung von Gesundheitsleistungen in Frage ( z.B. ab einem gewissen Alter keine Knie-Op).

Sonja Ledl-Rossmann: Nein.

LeserInnenfrage: Finden Sie es notwendig, dass Pharma-Studien von Medikamenten von unabhängigen Forschern geprüft werden?

Sonja Ledl-Rossmann: Ja. Geschieht auch im Rahmen der Zulassung.

LeserInnenfrage: Kommt für Sie eine Kompetenzerweiterung ähnlich wie in den nordischen Ländern in Frage?

Sonja Ledl-Rossmann: Die 2015 beschlossene neue Pfl egeausbildung und das geänderte Berufsbild muss sich in der Praxis bewähren, bevor an weitere Schritte gedacht wird.

LeserInnenfrage: Die Ausbildung in der Pflegefachassistenz ist zeitlich sehr eng. Die Verantwortung ähnlich wie die der Diplomierten. Was ist Ihre Meinung zu dieser Ausbildung?

Sonja Ledl-Rossmann: Das Berufsbild sieht wesentliche Unterschiede vor. Man kann in 2 Jahren auch nicht alle Ausbildungsinhalte der bisher 3-jährigen „diplomierten“ Ausbildung hineinpacken.

LeserInnenfrage: Österreich hat im Vergleich zu anderen Ländern viele Spitalsbetten. Was werden Sie tun, um die Primärversorgung voranzutreiben?

Sonja Ledl-Rossmann: Das Primärversorgungsgesetz ist noch vor dem Sommer beschlossen worden.

LeserInnenfrage: Wie wollen Sie alle Stakeholder im Gesundheitswesen einbinden, um eine effektive und effiziente Versorgung der Menschen zu gewährleisten?

Sonja Ledl-Rossmann: Die Einbindung – ob formal oder informell – in alle Reform- und Planungsvorhaben hat bei uns gute Tradition. Nur so kann man Betroffene zu Beteiligten machen.

LeserInnenfrage: Welche Modelle haben Sie, um den arbeitenden Menschen eine entsprechende Work-Life-Balance zu bieten?

Sonja Ledl-Rossmann: Dafür gibt es je nach berufl ichem Umfeld die verschiedensten Möglichkeiten in gemeinsamer Verantwortung von ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen.

LeserInnenfrage: Warum gibt es in Österreich das Berufsbild der School Nurse nicht? Obgleich scheinbar immer mehr Kinder übergewichtig sind, sich nicht sinnvoll ernähren und bewegen. Sind Sie der Meinung, dass Schulärzte die Situation unter Kontrolle haben?

Sonja Ledl-Rossmann: Die Schulärzte bekommen gerade zusätzliche Kompetenzen im präventiven Bereich. Ob sie auch kurative Aufgaben erfüllen sollen, ist Sache der Krankenkassen. Den neuen Primärversorgungseinheiten können vom Land auch schulärztliche Aufgaben übertragen werden.

LeserInnenfrage: Wie ist Ihre Meinung zu Gesundheitserziehung und Schulungen von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern?

Sonja Ledl-Rossmann: Ein gesunder Lebensstil liegt in erster Linie in der Verantwortung des Einzelnen. Gesunde, ausgewogene Ernährung, Bewegung und Vermeidung von Substanzmissbrauch bringen bis zu 17 Jahre mehr Lebenserwartung!

LeserInnenfrage: Warum gibt es für die Pflege so viele Kollektivverträge und Gehaltsschemen? Wäre eine einheitliche Bezahlung nicht sinnvoller?

Sonja Ledl-Rossmann: Die Bezahlung richtet sich so wie bei allen Arbeitsverhältnissen nach der Branche, in der der Arbeitnehmer tätig ist.

LeserInnenfrage: Warum entscheidet die GKK welche Produkte in den Wundkoffer kommen, obwohl nicht mal die eigenen Ambulanzen an der GKK mit gewissen Wundspühllösungen oder Verbandsstoffen arbeiten, da es Studien gibt Beispiel Prontosan, das zu basisch ist um Keime abzutöten?!!

Sonja Ledl-Rossmann: Da müssen Sie die GKK fragen.

LeserInnenfrage: Warum wird von seiten der Politik nicht mehr Förderung in die Prävention und Wissensvermittlung von Gesundheits- und Krankheitswissen gesteckt, um Überforderung auf diesem Sektor zu minimieren?!

Sonja Ledl-Rossmann: Es gibt sehr gute und wirksame Projekte für Prävention und für Vermittlung von Gesundheitskompetenz, z.B. Fit2work, die Kleinbetriebsberatung der AUVA im Arbeitnehmerschutz,die Kinderimpfprogramme, Mutter-Kind-Pass oder generelle und spezielle Vorsorgeuntersuchungen (zB Brustkrebsscreening, Coloskopie).

Autor

  • Markus Golla

    Studiengangsleiter "GuK" IMC FH Krems, Institutsleiter Institut "Pflegewissenschaft", Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall)