Der Psychologe Bo Hejlskov Elven kann als Türöffner in eine neue Zeit bezeichnet werden. Das herausfordernde Verhalten von Menschen mit ganz unterschiedlichen Schwächen und Gebrechlichkeiten ist sein zentrales Anliegen. Ganz fern jeden mechanistischen Denkens geht es dem Psychologen um das Phänomen an sich und vor allem darum, dass Menschen, die geistig behindert, seelisch erkrankt oder dementiell verändert sind, verstanden werden.
Mit dem Buch „Herausforderndes Verhalten bei Demenz“ setzt Elven wieder ein Zeichen, das nicht übersehen werden kann. Mehr noch, sein Signal darf nicht überhört werden. Schließlich haben die Menschen, deren kognitive Fähigkeiten eingeschränkt sind, Respekt und Wertschätzung verdient. Da sich dies nicht auf Leitbilder und Lippenbekenntnisse beschränken kann, braucht es Anregungen für die Praxis und den Alltag mit den Betroffenen.
Für seine Bücher nutzt Elven immer die Alltagserfahrung und die Alltagskompetenz von Menschen. Am Buch „Herausforderndes Verhalten bei Demenz“ wirken nun eine erfahrene Pflegefachfrau und eine Psychologin mit, die die Erscheinungsformen von herausforderndem Verhalten vor Ort kennen und nach machbaren Lösungen und Auflösungen von auffälligem Verhalten schauen. Während langer Jahre ist in den Fachpublikationen vorgeschlagen worden, beispielsweise das Milieu der Wohnumgebungen anzupassen, um Betroffene in der seelischen Balance halten zu können.
Elven fordert gemeinsam mit seinen Mitstreiterinnen ein, die Haltung gegenüber den Menschen und den Herausforderungen zu verändern. Helfende Menschen neigten dazu, „herausforderndes Verhalten als eine Abweichung von der Norm zu werten“ (S. 23). Elven, Agger und Ljungmann ermutigen, „es schlicht als Teil des Alltags zu verstehen“ (S. 23). Psychosozial Tätige werden aus der alltäglichen Arbeit heraus den Widerspruch formulieren. Ob dies den Betroffenen gerecht wird, steht allerdings zur Diskussion.
Elven, Agger und Ljungmann ist zu unterstellen, dass sie herausforderndem Verhalten die Tragik und die Dramatik nehmen wollen. Sie sind davon überzeugt, dass Menschen immer dies tun, was ihnen sinnvoll erscheint. Mit dem Blick auf Menschen, deren kognitive Fähigkeiten zunehmend eingeschränkt sind, schreiben sie: „Bei Sinn und Bedeutung geht es nicht um das Verstehen. Viele Pfleger sind der Ansicht, dass sie das Verhalten der Bewohner einfach dadurch ändern können, dass sie mit ihnen reden … „Sie sehen doch sicher ein, dass …“ ist kein guter Ansatzpunkt, wenn ein Mensch in einer komplexen Situation nicht in der Lage ist, Ursache und Wirkung abzuschätzen …“ (S. 30).
Manchmal erscheint es geradezu lapidar gesagt, dass Affekte ansteckend sind. In der Praxis der Begleitung dementiell veränderter Menschen wird psychosozial Tätigen dies oft sehr schnell bewusst. Elven, Agger und Ljungmann zeigen nochmals auf, dass „die Atmosphäre durch die Stimmung sowohl der Bewohner als auch der Mitarbeiter geprägt ist“ (S. 59). Allein durch Persönlichkeit und Auftreten lösten Pflegende Angstgefühle in den betroffenen Menschen aus.
Insbesondere Bo Hejlskov Elven ist für sein Engagement ein lautes und unüberhörbares Dankeschön zu sagen. Seine Anstöße sind Wegzeichen für eine respektvolle und wertschätzende Begleitung von Menschen. Seine Anregungen ermöglichen, dass hoffentlich immer mehr Pflegende die Pforten zu einem Paradigmenwechsel in der pflegerischen Praxis durchschreiten.
Bo Hejlskov Elven / Charlotte Agger / Iben Ljungmann: Herausforderndes Verhalten bei Demenz – Bedürfnisse erkennen und gelassen darauf eingehen, Ernst Reinhardt Verlag, München 2020, ISBN 978-3-497-02937-2, 133 Seiten, 26.90 Euro.