Pflegerische Informationssysteme funktionieren oft nicht so wie gewünscht
Moderne Informationssysteme sollen die pflegerische Arbeit in den Kliniken und im Sozialbereich eigentlich unterstützen und so Effizienz und Qualität der Patientenversorgung erhöhen. Doch die Realität sieht oft anders aus: Nach einer aktuellen Umfrage der Hochschule Osnabrück sind weniger als die Hälfte der Pflegedirektorinnen und -direktoren mit ihrer IT-Abteilung zufrieden!
Die Gründe sind vielfältig: Oft werden IT-Systeme ausgewählt, die nicht den Anforderungen der pflegerischen Praxis entsprechen. Dies behindert pflegerische Arbeitsabläufe. Dann ist teilweise die Anzahl oder Leistungsfähigkeit der eingesetzten Computer und Laptops nicht ausreichend. Dadurch entstehen unnötige Wartezeiten. Auch müssen Pflegepersonen häufig verschiedene IT-Systeme parallel verwenden, die schlecht aufeinander abgestimmt sind. Dies führt zu Mehrfachaufwänden bei der Dokumentation und erhöht dadurch das Risiko von Fehlern. Schließlich sind viele IT-Systeme nicht sehr benutzerfreundlich gestaltet. Auch dadurch kommt es zu Zeitverlusten und Fehlern.
All dies führt dazu, dass die Potentiale, welche moderne Informationssysteme auch in der Pflege bieten würden, nicht vollständig realisiert werden können. Statt die Effizienz und Qualität zu erhöhen, kommt es zu Ineffizienz, Frustration, unnötigen Mehraufwänden … und unter Umständen zu einer sub-optimalen Patientenversorgung.
Wie kann diese Situation verbessert werden?
Die Tiroler Landesuniversität UMIT hat sich diese Frage schon länger gestellt und entschieden, dass die digitalen Kompetenzen von Pflegepersonen gestärkt werden sollten. In einer mehrjährigen Pflegeinformatik-Initiative wurden von der UMIT dann sequentiell verschiedene Angebote aufgebaut.
Es begann 2011 mit dem Zertifikatslehrgang „Informationsmanagement und eHealth in der Pflege“, welcher in drei Tagen in verschiedene Themengebiete der Pflegeinformatik einführt. Der Zertifikatslehrgang wurde gut angenommen und wird seitdem regelmäßig an der UMIT angeboten.
Im Jahr 2015 wurde dann von der UMIT in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift Pflegewissenschaft die ENI-Tagungsreihe wiederbelebt. ENI (European Nursing Informatics) ist eine grenzübergreifend ausgerichtete, anwendungsorientierte Fachtagung zu allen Themen des IT-Einsatzes im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich. Nach dem guten Erfolg des „Revivals“ wurde die ENI auch im Jahre 2017 wieder an der UMIT organisiert (Aufzeichnungen der Vorträge sind unter www.kongress-eni.eu abrufbar). 2019 wird die ENI voraussichtlich in der Schweiz stattfinden.
Schließlich wurde ebenfalls 2015 die Österreichische Gesellschaft für Pflegeinformatik ins Leben gerufen, um auch in Österreich eine Vereinigung zu haben, welche die Interessen von Pflegepersonen bei der praktischen und theoretischen Weiterentwicklung der Pflegeinformatik koordiniert. Diese Gesellschaft arbeitet eng mit ihren Schwesterorganisationen in Deutschland (GMDS-Arbeitsgruppe Informationsverarbeitung in der Pflege) und in der Schweiz (IG Pflegeinformatik der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik) zusammen.
Diese Initiativen haben zum Aufbau von Netzwerken von Personen geführt, die am IT-Einsatz im Pflege- und Sozialbereich interessiert sind. Was aber noch fehlte, war ein abgestimmtes Weiterbildungsangebot für Pflegepersonen. Tatsächlich gibt es derzeit im deutschsprachigen Raum kaum berufsbegleitende Weiterbildungsangebote im Bereich Pflegeinformatik, eHealth und Informationsmanagement. Es erschien daher notwendig, hier entsprechende Angebote zu entwickeln. Immerhin werden in der pflegerischen Grundausbildung kaum Kompetenzen im Bereich der Auswahl, Einführung und Nutzung von pflegerischen Informationssystemen vermittelt.
Um ein modernes Curriculum entwickeln zu können, initiierte die UMIT mit anderen Partnern die Entwicklung von Empfehlungen zur Weiterbildung in Pflegeinformatik. Diese Ausbildungen wurden zwischen den drei DACH-Ländern abgestimmt und konnten 2017 unter dem Titel „Welche Kernkompetenzen in Pflegeinformatik benötigen Angehörige von Pflegeberufen in den D-A-CH-Ländern? Eine Empfehlung der GMDS, der ÖGPI und der IGPI“ in der Fachzeitschrift MIBE veröffentlicht werden.
Modern und innovativ: Universitätslehrgang Health Information Management
Basierend auf diesen Empfehlungen sowie Empfehlungen anderer Fachverbände entwickelte die UMIT dann ein modernes und integriertes Curriculum für eine berufsbegleitende Weiterbildung im Bereich Pflegeinformatik. Als Name der Weiterbildung wurde „Health Information Management“ gewählt, also Informationsmanagement im Gesundheitswesen. Dieser Titel beschreibt klar den Kern der Weiterbildung: Es geht nicht um Informatik, sondern um das sinnvolle Management von IT-Systemen im Gesundheitswesen. Und der Titel macht auch deutlich, dass das Thema nicht nur Pflegepersonen betrifft, sondern auch andere Berufsgruppen aus dem Gesundheitswesen wie z.B. Personen aus den Bereichen Qualitäts- und Prozessmanagement, Medizin, Hygiene und Informatik.
Absolventinnen und Absolventen des Universitätslehrgangs „Health Information Management“ sollen als Brückenbauer zwischen „Informatik“ und „Anwendung“ fungieren und die Sprachen beider Welten sprechen und verstehen. Durch den demographischen Wandel und den rasanten medizinischen sowie technischen Fortschritt wird der Bedarf an Fachkräften in diesen Bereichen in Zukunft noch weiter steigen.
Der Universitätslehrgang wird in zwei Varianten angeboten: In drei Semestern werden vor allem praxisorientierte Kompetenzen erworben, der erlangte Abschluss lautet „Akademische Expertin/Akademischer Experte“. In fünf Semester können darüber hinaus auch wissenschaftliche und theoretische Kompetenzen vertieft werden, hierfür wird der akademische Grad „Master of Arts (M.A.)“ vergeben.
Der Universitätslehrgang ist von der AQ Austria akkreditiert, das Konzept wurde dabei in einem internationalen Begutachtungsverfahren geprüft und als zukunftsweisend angesehen.
Das Besondere am Universitätslehrgang „Health Information Management“: Er wird vollständig online-gestützt angeboten, um Personen aus dem gesamten DACH-Bereich und Nachbarländern die Teilnahme berufsbegleitend zu ermöglichen. Verpflichtende Anwesenheiten an der Universität gibt es nicht.
Berufsbegleitend und online-gestützt studieren: Wie funktioniert das?
Das didaktische Konzept basiert auf dem Ansatz des kooperativen Lernens. Berufstätige Personen möchten die eigenen Erfahrungen in den Lernprozess einbringen, das Erlernte im Beruf zur Lösung von Problemen einsetzen, sich mit anderen Lernenden austauschen sowie zeit- und ortsunabhängig lernen. Der Universitätslehrgang adressiert genau diese Bedürfnisse.
Lernen funktioniert nachweisbar am besten, wenn es gemeinsam in einer Gruppe erfolgt („soziales“ Lernen). Im Rahmen des Universitätslehrgangs wird daher gemeinsam in einer virtuellen Lerngruppe gelernt, unterstützt von einer kooperativen Online-Lernumgebung. Das Lernen wird dabei durchgehend von international renommierten und erfahrenen Lehrpersonen begleitet.
Das Motto beschreibt die Philosophie des kooperativen Lernens:
„Gemeinsam Kompetenzen erwerben“.
Jedes Modul dauert in der Regel sechs Wochen. Dieser Zeitraum ist in Wochenblöcke aufgeteilt. Diese klare Modulstruktur hilft bei der Zeitplanung und unterstützt beim „Durchhalten“. In jedem Wochenblock erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Lernaufgaben, welche zu bearbeitet sind. Hierfür werden Materialien, die bei der Lösung unterstützen, bereitgestellt; dies können z. B. gefilmte Vorträge, besprochene Foliensätze, Videos, Skripten, Bücher oder Artikel sein.
Die Lernaufgaben sind praxisnah gestaltet, ermöglichen das Entwickeln eigener Gedanken und Lösungen, erlauben die unmittelbare Anwendung theoretischer Konzepte, fördern den interdisziplinären Austausch in der Gruppe und ermöglichen das Anknüpfen und Weiterentwickeln eigener Vorerfahrungen. Alle Lernaufgaben beinhalten kooperative Elemente wie z.B. das gegenseitige Feedback zu eigenen Lösungen und Ideen oder auch das gemeinsame Entwickeln von Konzepten.
Erste Erfahrungen bestätigen das Konzept
Im September 2017 war es dann soweit: Die erste Kohorte an Studierenden startet im Universitätslehrgang Health Information Management an der UMIT. Im Rahmen von Netzwerktagen lernten sich alle persönlich kennen und dann ging es auch gleich los mit dem ersten online-basierten Modul „Projektmanagement“. Weitere Module beinhalten z.B. IT-gestütztes Prozessmanagement im Gesundheitswesen, angewandte Informatik, IT- und Informationsmanagement im Gesundheitswesen, eHealth und elektronische Gesundheitsakten oder Informationssicherheit.
Die bisherigen Erfahrungen sind gut. Die Studierenden entwickeln aktiv Kompetenzen und können dabei gemeinsam mit den Mit-Studierenden diskutieren und lernen. Die Diskussionen zu einzelnen Aufgaben finden auf hohem Niveau statt. Ein großer individueller Lernfortschritt ist bei den meisten Studierenden klar erkennbar.
Gemeinsames Lernen funktioniert also auch online-gestützt, was auch die Statements von unseren Studierenden bestätigen:
- „Durch die starke Orientierung anhand von Lernaufgaben entsteht in diesem Kurs eine ganz andere Dynamik.“
- „Ich bin immer noch hingerissen von der Intensität der Diskussionen, die ich bei einem Online-Kurs nicht erwartet habe.“
- „Spannend und herausfordernd zugleich!“
- „Anstrengend, macht aber auch großen Spaß!“
Für das gelungene didaktische Konzept wird der Universitätslehrgang mit dem eLearning-Award 2018 in der Kategorie „soziales Lernen“ ausgezeichnet.
Fazit
Pflegepersonen sollten sich aktiv in die Gestaltung der Informationssysteme einbringen, da diese ihre Arbeit immer mehr prägen werden, und dies nicht anderen Berufsgruppen wie Informatikerinnen und Informatikern überlassen. Der Universitätslehrgang bietet hierfür eine zielgerichtete und berufsbegleitende Weiterbildung.
Fact Sheet:
Zertifikatslehrgang Informationsmanagement und eHealth in der Pflege (3 Tage, Präsenz): Infos unter www.umit.at/pflegeinformatik; der nächste Lehrgang findet 18. – 20.4.2018 statt.
Universitätslehrgang Health Information Management (3 Semester, online-gestützt, Abschluss: Akademische Expertin/Akademischer Experte): Infos unter www.umit.at/him, Start im September 2018
Universitätslehrgang Health Information Management (5 Semester, online-gestützt, Abschluss: Master of Arts): Infos unter www.umit.at/him, Start im September 2018