Das Gütesiegel ist in aller Munde. Warum ist in diesem Bereich eigentlich ein eigenes, selbstentwickeltes Gütesiegel erforderlich, würden normale Zertifizierungsprozesse wie ÖNORM etc. nicht reichen? Würde die Überprüfung der Einhaltung der bestehenden Vorschriften nicht einen einfacheren Weg zeigen, die Qualität der Dienstleistung zu verbessern?
Das Gütesiegel ist – neben den Standesrichtlinien für diese Gewerbebehörde – eine zusätzliche qualitative Definition der Leistungen einer Vermittlungsagentur und wird zu einer deutlichen Verbesserung in der Zusammenarbeit zwischen Agenturen, Personenbetreuerinnen und betreuten Personen führen.
Wer hat das Gütesiegel initiiert?
Das Basiskonzept wurde ursprünglich von der Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung der Wirtschaftskammern Wien und Niederösterreich entwickelt. Das Bundesministerium für Soziales und Gesundheit hat dieses Konzept weiterentwickelt.
Wer hat daran mitgearbeitet und hat es eine breite Basis?
An der Ausarbeitung in der aktuell vorliegenden Form haben auf Einladung des Ministeriums auch selbstständige Personenbetreuerinnen, NGOs, Pflegeexperten, die genannten Fachgruppen und der Fachverband der WKO mitgearbeitet.
Wer wird prüfen?
Für das Zertifizierungsverfahren wurde der Verein zur Förderung der Qualität in der Betreuung älterer Menschen ausgewählt, der langjährige Expertise und Erfahrungen im Zusammenhang mit Qualitätsentwicklung und -sicherung aufweist.
Gibt es schon Interessenten für das Gütesiegel?
Ja, sehr viele Agenturen haben ihr Interesse bekundet, das ÖQZ24 – so der Name des Zertifikats – zu erwerben. Die ersten Zertifikate werden Ende 2019 vergeben werden.
Was haben Firmen davon, sich zertifizieren zu lassen?
Mit der positiven Zertifizierung wird eine Agentur deutlich hervorgehoben werden und sowohl gegenüber selbstständigen Personenbetreuerinnen als auch Angehörigen von zu betreuenden Personen als qualitativ hochwertig zu erkennen sein.
Was passiert mit Firmen, die sich nicht zertifizieren lassen?
Das Gütesiegel ist freiwillig, jede Agentur soll für sich entscheiden, ob sie sich zertifizieren lassen möchte oder nicht.
Auch die Betreuer sind Firmen. Wenn eine Firma sich an die Spielregeln hält, der Betreuer aber nicht – was ändert das an der Qualität?
Wir arbeiten bereits am nächsten Schritt, einer Zertifizierung der Personenbetreuerinnen. Näheres dazu wird Kürze von uns vorgestellt werden.
Was kann man sonst tun, um die Qualität der Personenbetreuer zu heben?
Die Fachgruppen der WKW und WKNÖ haben 2016 zunächst in einem Pilotprojekt die Personenbetreuerinnen-Akademie ins Leben gerufen und aufgrund des Erfolgs 2018 in den Regelbetrieb übergeführt. Selbständige Betreuungskräften können gesundheitsfördernde Aus- und Weiterbildungskurse absolvieren, die in Form von Wochenendmodulen in der Slowakei, Rumänien und Ungarn angeboten werden. Derzeit werden insgesamt 30 Module zu den Themenschwerpunkten Reduktion von Belastungen, Umgang mit Demenz, Kinästhetik, Ernährung im Alter, Bewältigung von Konfliktsituationen sowie Umgang mit dem Tod von Kundinnen und Kunden angeboten.
Inwieweit wird die Zertifizierung die Dienstleistung für den Kunden verbessern/ verteuern?
Es wird daran gearbeitet, dass es für den zu betreuenden Kunden keinesfalls teurer wird, die WKÖ fordert eine entsprechende Evaluierung der bestehenden Förderungen.
Wer ist der Verein, der die Zertifizierung durchführt, welche Personen/ Institutionen stehen hinter diesem Verein?
Der Verein zur Förderung der Qualität in der Betreuung von älteren Menschen (www.oeqz.at) hat zum Zweck, einen Beitrag zur Schaffung der größtmöglichen individuellen Lebensqualität betreuungsbedürftiger Menschen zu leisten. Er setzt die Richtlinien des Sozialministeriums um, die für den Zertifizierungsprozess definiert wurden und prüft dementsprechend die Vermittlungsagenturen.
Nur Firmen mit Sitz in Österreich können sich zertifizieren lassen. Was passiert mit Firmen, die im Ausland ihren Firmensitz haben? Dürfen die in Österreich weiter vermitteln? Welche Konsequenz hat es für den Kunden?
Die Agentur muss einen Firmensitz in Österreich haben und es muss österreichisches Recht gelten. Dadurch ist sowohl für den Kunden als auch die Personenbetreuerin Rechtssicherheit gegeben. Es ist ein EU-Gesetz, dass jeder im EU-Raum seine Dienste anbieten darf und kann.
Inwieweit berührt das Siegel Haftungsfragen?
Gar nicht
Das Gütesiegel führt zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Pflege und Betreuung. Inwieweit verbessert das die Qualität der Dienstleistung und ist das umsetzbar?
Die Richtlinie sieht vor, dass die Pflegeanamnese durch eine in Österreich zur Berufsausübung berechtigte diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin bzw. einem -pfleger spätestens am Tag des Betreuungsstarts durchzuführen ist. Das ist neu. Die Standes- und Ausübungsregeln sehen vor, dass Personenbetreuerinnen, die pflegerische Tätigkeiten übernehmen, dies erst tun dürfen, wenn die Delegation dazu durch einen Arzt bzw. Diplompflegeperson erfolgt ist. Es hat also auch schon vorher eine Verbindung beider Bereiche gegeben.
Haben Kunden der Dienstleistung, die die Fachvisiten verweigern, einen Verlust von Förderungen zu befürchten (Beispiel: Mutter Kind Pass)?
Das Gütesiegel und die Anforderungen zum Erwerb beziehen sich ausschließlich auf die Dienstleistungen, die die Vermittlungsagentur erbringt. Es hat daher nichts mit den Förderungen zu tun, die eine betreuungsbedürftige Person erhält. Jeder Betreuungsbedürftige sucht in der Regel selbst um Förderung an. Vermittlungsagenturen können den Klienten dabei jedoch unterstützen und beraten.
Im Dienstleistungsprogramm ist ein „Notfallplan“. Er enthält eine Lücke von 3 Tagen in der Versorgung. Wie kann man diese Lücke schließen und warum ist das nicht im Gütesiegel fixiert?
Die Vermittlungsagentur wird auch während dieser 3 Tage versuchen gemeinsam mit den Angehörigen eine sinnvolle und qualitativ hochwertige Betreuung sicher zu stellen bzw. zu organisieren.
Warum sollen muttersprachliche Ansprechpersonen für selbstständige Gewerbetreibende, die in Ö ihr Gewerbe ausüben, fixiert werden? Wäre es nicht einfacher, einen Sprachlevel, z.B. B1, als Grundvoraussetzung für die Gewerbeausübung zu fixieren?
Es ist allgemein in Europa nicht üblich, Verträge in einer anderen Sprache abzuschließen außer eventuell Englisch. Gerade in der Betreuung ist Sprachkenntnis sicher ein Kriterium. Wenn ich nicht gut genug Deutsch spreche, um einen Vertrag inhaltlich zu erfassen, wie kann ich dann als Betreuer/in arbeiten? Es ist eine zusätzliche Serviceleistung für die Personenbetreuerinnen. Eine Forderung nach B1 -Sprachniveau ist in vielen Betreuungs-Fällen nicht notwendig. Dennoch arbeitet die WK an vermehrten Deutschkursen für Interessierte an dieser Tätigkeit.
Welche Verbesserungen sind bei den Förderungen der 24h Betreuung angedacht um die Dienstleistung für den Kunden weiter interessant zu machen? (Regress ist ja gefallen, damit ist das Pflegeheim für die Angehörigen billiger als die 24h Betreuung)
Die WK fordert – nicht erst seit dem Wegfall des Regresses – eine massive Evaluierung des 24-Stunden-Fördermodells.
Immer wieder wird „Betreuung“ mit „Pflege“ verwechselt, der Terminus 24h Betreuung oft missverständlich interpretiert. In der Schweiz bezeichnet man das Betreuungsmodell als „live in“. Wäre es nicht besser, den so zweideutigen Terminus zu ändern, auch um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass kein Mensch 24h durcharbeiten kann/ soll?
Die WK arbeitet immer mit dem korrekten Begriff „Personenbetreuung“ und vermeidet den irreführenden Begriff einer 24-Stunden-Verfügbarkeit.
Welche Rolle soll die 24h Betreuung in Zukunft spielen und wen sehen Sie als die „Big Player“?
Zahlreiche Studien haben ja bereits gezeigt, dass ein Großteil von zu betreuenden Personen zu Hause betreut werden möchten. Das deckt sich auch mit der weiterhin großen Nachfrage nach dieser Dienstleistung. Und wir sind überzeugt, dass diese Betreuungsform in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnt. Es gibt aufgrund der unterschiedlichen geografischen Lage keine Big Player, sondern eine Vielzahl an seriös arbeitenden Vermittlungsagenturen in NÖ und eine hohe Anzahl an sehr guten selbstständigen Personenbetreuerinnen, die ihre Dienste anbieten.