Fieber bei Kindern

30. Oktober 2019 | Fachwissen | 0 Kommentare

Fieber bei Kindern ist ein häufiger Grund für Kontakte mit dem Gesundheitssystem. Es wird geschätzt, dass gesunde – das heißt nicht chronisch kranke Kinder – in den ersten 18 Lebensmonaten etwa acht fieberhafte Infekte durchmachen (NICE Clinical Guideline, 2017). In Arztpraxen und Krankenhausambulanzen finden etwa 15% –25% der Konsultationen aufgrund von Fieber statt. Nur wenige dieser Kinder (in der Primärversorgung unter 1%) fiebern aufgrund ernsthafter bzw. potentiell bedrohlicher Infektionen (Barbi, Marzuillo, Neri, Naviglio, & Krauss, 2017). In den meisten Fällen wird Fieber durch selbstlimitierende virale Infekte verursacht.

Bei diesen Kontakten mit dem Gesundheitssystem haben Pflegepersonen Gelegenheit, über die physiologische Funktion von Fieber aufzuklären, Eltern [1] über wirksame Methoden zur Unterstützung des Wohlbefindens fiebernder Kinder zu informieren, und auch nicht empfohlene Interventionen zur Fiebersenkung mit ihnen zu diskutieren (Clarke, 2014; Sullivan & Farrar, 2011). Damit Pflegepersonen das tun können, müssen sie über physiologisches Grundlagenwissen in Bezug auf die menschliche Temperaturregulation verfügen und auch Vor- und Nachteile der verschiedenen Messmethoden, die derzeit gültigen Empfehlungen in Bezug auf die Pflege fiebernder Kinder, sowie die häufigsten Ängste in Bezug auf Fieber kennen.

Mit diesem Artikel möchte ich das derzeit durch empirische Forschung gesicherte Wissen in Bezug auf normale Körpertemperatur, Methoden zur Temperaturmessung und die Pflege fiebernder Kinder, sowie Empfehlungen verschiedener Guidelines zusammenfassen.

Fieber: Wissen und Wahrnehmung

Fieber ist ein Symptom, über das es viel Erfahrungswissen, aber relativ wenige auf empirische Forschung gestützte Daten gibt. Forschungslücken bestehen unter anderem in Bezug auf die Fragen, welche Körpertemperaturbereiche „normal“ sind, bzw. ab welcher Temperatur von Fieber zu sprechen ist (Hausmann et al., 2018), welche Methoden der Temperaturmessung bei Kindern verschiedener Altersgruppen am effektivsten sind (Barbi et al., 2017) und wie kindliches Unbehagen durch Fieber (Distress) durch Eltern interpretiert wird. Unwohlsein durch Fieber ist schwer definierbar und nicht objektiv messbar, weshalb auch die Wirkung von Antipyretika auf das Wohlbefinden, bzw. auf die Reduktion von fieberbedingtem Distress schwer beurteilbar ist (National Institute for Health and Care Excellence, 2018).

Fiebernde Kinder fühlen sich in der Regel nicht wohl, sie können weinerlich und weniger aktiv sein und sie wollen häufig wenig oder gar nichts essen. Das kann für Eltern besorgniserregend sein. Das Symptom Fieber wird sehr unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt: Fieber wird als natürliche Abwehrreaktion des Körpers gesehen, aber auch als unmittelbare Bedrohung für das Kind – besonders, wenn die Körpertemperatur sehr rasch ansteigt und nur kurzfristig durch Antipyretika gesenkt werden kann (Kelly et al., 2016). Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Vorstellungen und Erwartungen von Eltern, ab welcher Körpertemperatur Antipyretika angezeigt sind bzw. verabreicht werden sollten.

Übermäßige Sorgen und Fehlannahmen in Bezug auf Fieber wurden von Schmitt (1980) als „fever phobia“ bezeichnet. Dazu gehören Ängste, dass die Körpertemperatur immer weiter steigt, wenn Fieber nicht gesenkt wird, und auch, dass Fieber Krämpfe auslösen, zu einer Hirnschädigung, sowie zum Tod führen kann (Crocetti, Moghbeli, & Serwint, 2001; Gunduz, Usak, Koksal, & Canbal, 2016) . Fieber Phobia in nicht auf einzelne Regionen oder Länder beschränkt, besteht unabhängig von elterlicher Bildung und sozio-ökonomischem Status (Walsh & Edwards, 2006) und wird auch bei Angehörigen von Gesundheitsberufen beschrieben (Clarke, 2014).

Information über die Physiologie der Temperaturregulation und über die Unterschiede zwischen Fieber und Hyperthermie kann für Eltern fiebernder Kinder hilfreich sein, mit irrationalen Ängsten umzugehen, und ihr fieberndes Kind mit weniger innerlicher Anspannung versorgen zu können.

Homöostase der Körpertemperatur

Die Körpertemperatur gesunder Menschen bewegt sich innerhalb einer sehr geringen Schwankungsbreite, unabhängig von Außentemperatur und körperlicher Aktivität. Gemäß einer weitgehend anerkannten Hypothese steuert die temperatursensitive präoptische Region des Hypothalamus als Temperaturregulationszentrum sowohl Wärmeproduktion (durch metabolische Prozesse und muskuläre Aktivität), als auch Wärmeabgabe (über Haut und Lunge) (Mackowiak, 1998; Ward, 2019). Durch die Blutzirkulation gelangt die im Körperinneren generierte Wärme in die Peripherie und beeinflusst so die Temperatur der verschiedenen Körperregionen, sowie das Ausmaß der Wärmeabgabe (Mackowiak, 1998). Vergleichbar sind diese Prozesse mit dem Regelkreis einer Zentralheizung, die von einem zentralen Thermostat gesteuert wird:  Es wird so lange Wärme produziert, bis der eingestellte Sollwert erreicht ist.

Abbildung 1: Vereinfachte Darstellung der physiologischen Temperaturregulation

Die generell als gültig erachtete normale durchschnittliche bzw. maximale  Körpertemperatur von 37°C bzw.38°C basieren auf Carl Wunderlichs Publikation „Das Verhalten der Eigenwärme in Krankheiten“ aus dem Jahr 1868 (Hausmann et al., 2018; Wunderlich, 1868). Die dieser Studie zugrundeliegenden Temperaturmessungen erfolgten zweimal täglich axillär.

Die Körpertemperatur ist kein stabiler Wert: Sie ändert sich im Tagesverlauf mit der niedrigsten Temperatur in den späten Nachtstunden und der höchsten Temperatur am späten Nachmittag. In den 1990er Jahren wurden bei einer Untersuchung an jungen Erwachsenen oral gemessene Temperaturen bis 37,2°C am Morgen und bis 37,7°C am Abend gemessen (Mackowiak, Wasserman, & Levine, 1992). Die Höhe der Körpertemperatur variiert unter anderem auch abhängig von Geschlecht, Hormonstoffwechsel, Grad der Aktivität und Nahrungsaufnahme, ist aber auch altersabhängig. Die durchschnittliche Körpertemperatur beträgt bei Neugeborenen 37° C und bei Adoleszenten 36,7°C, die 99. Perzentilen (Definition von Fieber) variieren zwischen 37,96°C bei Neugeborenen und 37,8°C bei Adoleszenten (Chamberlain et al., 1995).

Nach derzeitigem Erkenntnisstand kann „Normaltemperatur“ weder als bestimmter Temperaturwert noch als ein für alle Menschen gültiger Temperaturbereich definiert werden.  Studien bei Erwachsenen zeigen relativ große Spannweiten „normaler“ Körpertemperatur. Die Körpertemperatur gesunder Erwachsener beträgt laut einer 2002 durchgeführten Übersichtsarbeit axillär zwischen 35,5°C und 37,0°C, im Ohr gemessen zwischen 35,4°C und 37,8°C,  oral zwischen 33,2°C und 38,2°C und rektal zwischen 34,4°C und 37,8°C (Sund-Levander, Forsberg, & Wahren, 2002). Laut Geneva, Cuzzo, Fazili, und Javaid (2019) liegt die durchschnittliche Körpertemperatur gesunder Erwachsener zwischen 36,16°C und 37,02°C, bzw. bei durchschnittlich 35,97°C, wenn axillär, und bei durchschnittlich 37,04°C, wenn rektal gemessen wird.

Auch ein aktuelles Crowdsourcing-Projekt des Boston Children´s Hospital geht Fragen der normalen Variationsbreite bzw. individueller Unterschiede in Bezug auf die Körpertemperatur und der Wirkung von Antipyretika auf den Krankheitsverlauf nach (http://feverprints.com). Ziel von „Feverprints“ wird auch die Erforschung von typischen Temperaturverläufen bei bestimmten Krankheiten sein. Dateneingabe und -übertragung erfolgen über eine durch die Forschungsgruppe entwickelte Applikation auf den privaten Smartphones der Teilnehmenden. Diese sind aufgefordert, täglich ihre Körpertemperatur zu messen (wann immer sie das wollen) und auch eventuell vorhandene Symptome, sowie die Einnahme von Antipyretika zu dokumentieren.

Für die erste Publikation wurde ausschließlich oral gemessene Temperatur von symptomlosen Erwachsenen ausgewertet (Hausmann et al., 2018). Die durchschnittliche Körpertemperatur der 2792 durchgeführten Messungen von 208 Teilnehmenden betrug 36,5°C. Fieber wurde als die 99. Perzentile der durchschnittlichen Körpertemperatur definiert: Im Tagesdurchschnitt betrug die 99. Perzentile 37,5°C, mit tageszeitabhängigen Schwankungen zwischen 36,9°C (am frühen Morgen) und 37,9°C (am späten Nachmittag). Daraus folgt, dass bei einer Körpertemperatur von 37,5°C früh am Morgen vermutlich von Fieber zu sprechen ist,  um 16 Uhr dagegen nicht.

Aufgrund dieser Daten kann Fieber als „Erhöhung der Körpertemperatur über die normale tägliche Schwankungsbreite“ (NICE Clinical Guideline, 2013) definiert werden.

Was ist Fieber und was ist Hyperthermie?

Erhöhte Körpertemperatur wird durch Fieber – mit Sollwert-Erhöhung des Temperaturregulationszentrums im Hypothalamus, aber auch durch Hyperthermie – ohne Beteiligung des Temperaturregulationszentrums – verursacht.

Hyperthermie entsteht aufgrund übermäßiger Wärmezufuhr oder körperlicher Anstrengung bei großer Hitze und Luftfeuchtigkeit. Das Temperaturregulationszentrum ist dabei nicht beteiligt, weshalb Antipyretika wirkungslos sind. Die einzige Maßnahme zur Behandlung von Hyperthermie ist die Kühlung des Körpers (Ward, 2019). Klinische Bilder von Hyperthermie sind Hitzekrankheit und in weiterer Folge Hitzschlag: Liegt die Lufttemperatur über 35°C, ist der Körper nicht mehr in der Lage, genügend Wärme abzugeben. Wenn die Luftfeuchtigkeit über 75% beträgt, funktioniert die Wärmeabgabe über Evaporation nicht mehr (Ishimine, 2019). Die Folge ist ein Anstieg der Körperkerntemperatur, einhergehend mit Tachykardie, Tachypnoe, geröteter Haut, Übelkeit und Erbrechen, sowie mit Krämpfen, Delir oder Halluzinationen. Hitzeschlag kann lebendbedrohlich sein: Steigt die Kerntemperatur über den maximal tolerierbaren Wert von 42°C an und übersteigt die Dauer der Wärmeeinwirkung den tolerierbaren Zeitraum (dieser beträgt 45 Minuten bis 8 Stunden), ist mit irreversiblen Schäden zu rechnen (Ishimine, 2019). Kinder sind diesbezüglich mehr gefährdet als Erwachsene: Sie nehmen bei hoher Umgebungstemperatur mehr Wärme auf (wegen der im Verhältnis größeren Körperoberfläche) und können Wärme schlechter abgeben (aufgrund des geringeren Blutvolumens), sie schwitzen weniger als Erwachsene und beginnen erst bei höheren Temperaturen zu schwitzen (Ishimine, 2019).

Es gibt auch andere, sehr selten auftretende Hyperthermie-Formen (die hier nicht weiter beschrieben werden); unter anderem maligne Hyperthermie – aufgrund einer genetisch bedingte Störung der Kalziumhomöostase nach Medikamentengabe, das Medikamente-induzierte Serotonin-Syndrom,  sowie zentrales Fieber bei Schädigung des Temperaturregulationszentrums (z. B. bei einem Schädel-Hirn-Trauma) (Barbi et al., 2017).

Abbildung 2: Fieber und Hyperthermie: Unterschiedlicher Temperatur-Sollwert bei gleicher Körpertemperatur

Fieber ist – im Gegensatz zur Hyperthermie – eine komplexe physiologische Reaktion des Körpers auf den Kontakt mit Pyrogenen, die zu einer Steigerung der Prostaglandin-Synthese und dadurch zu einem Hochstellen des Temperatur-Sollwertes im Hypothalamus führt. Der Anstieg von Prostaglandin E-2 erklärt auch die häufig mit Fieber assoziierten Myalgien und Arthralgien (Ward, 2019). Das Höherstellen des Temperatur-Sollwertes bewirkt, dass vom Körper Wärme produziert bzw. die Abgabe von Wärme reduziert wird. Kinder, die anfiebern, haben deshalb kühle Hände und Füße (Vasokonstriktion) und sie können auch zittern (Schüttelfrost). Eine zusätzliche Decke wird dann oft sehr gerne angenommen. Der Versuch, den Körper physikalisch zu kühlen, wenn die Füße des Kindes kalt sind, bewirkt, dass der Körper umso mehr versucht, Wärme zu erzeugen, bzw. die Wärmeabgabe zu reduzieren und damit zu weiterer Vasokonstriktion und zur Verstärkung des Kältegefühls. Sobald der neue „Sollwert“ erreicht ist, wird durch Weitstellung der peripheren Gefäße wieder Wärme abgegeben. Kinder, die abfiebern, schwitzen (manchmal sehr stark), Hände und Füße fühlen sich warm bis heiß an, auch das Gesicht kann hochrot sein und die vorher gewünschte Decke ist auch nicht mehr notwendig.

Antipyretika, wie Ibuprofen und Paracetamol bewirken durch eine zentrale Hemmung der Prostaglandin-Synthese, dass der erhöhte Temperatur-Sollwert wieder „herabgestellt“ wird (Ward, 2019).

Fieber verlangsamt das Wachstum von Bakterien und die Replikation von Viren und unterstützt somit das Immunsystem. Der mit Fieber einhergehende Anstieg des Sauerstoff-Verbrauchs, der CO2-Produktion und der Herzfrequenz ist für sonst gesunde Kinder nicht problematisch. Bei bestehenden kardialen Problemen, bei bestimmten chronischen Krankheiten oder im Zustand nach Reanimation kann Fieber belastend und potentiell schädlich sein (Ward, 2019). Die Wärme-Erzeugung bei Fieber ist ein physiologischer, selbstlimitierender Mechanismus. Das oberste Temperaturlimit dürfte bei 42°C liegen. In den meisten Fällen steigt Fieber bei funktionierendem Temperaturregulationszentrum aber nicht über 41°C, wenn nicht auch ein Element von Hyperthermie „beteiligt“ ist (Ward, 2019).

Bei zwei bis vier Prozent aller Kinder kommt es in der frühen Kindheit zu einem fieberassoziierten Krampfanfall. Fieberkrämpfe sind ungefährlich, können aber vor allem für Eltern bedrohlich wirken.

Was ist ein Fieberkrampf?

Ein Fieberkrampf ist ein generalisierter Krampfanfall, bei einem fiebernden, bzw. gerade anfiebernden Kind, der in den meisten Fällen nicht länger als drei bis vier Minuten dauert und meistens ohne Intervention sistiert. Betroffen sind Kinder im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren. Ursache für das Auftreten von Fieberkrämpfen dürfte erhöhte Vulnerabilität des sich entwickelnden Nervensystems gegenüber Fieber in Kombination mit genetischer Veranlagung sein. Es wird zwischen einfachen und komplizierten Fieberkrämpfen unterschieden: Einfache Fieberkrämpfe dauern maximal 15 Minuten – in den meisten Fällen nicht länger als drei bis vier Minuten – und treten nur einmal innerhalb von 24 Stunden auf. Wesentlich seltener sind komplizierte Fieberkrämpfe. Diese dauern länger als 15 Minuten, können sich innerhalb von 24 Stunden wiederholen und sind mit leicht erhöhtem Risiko einer sich später entwickelnden Epilepsie assoziiert (Millichap, 2019).

Die Gabe eines krampflösenden Medikaments wird erst bei einer Krampfdauer über fünf Minuten empfohlen. Antipyretika können das Wiederauftreten eines Fieberkrampfes nicht verhindern (Barbi et al., 2017). Die prophylaktische Verabreichung von Diazepam kann das Wiederauftreten eines Fieberkrampfs verhindern, wird aber wegen der möglichen Nebenwirkungen nicht empfohlen (Millichap, 2019).

Wie kann die Körpertemperatur gemessen werden?

Die Körpertemperatur ist einer der am häufigsten gemessenen Vitalparameter in der Kinderkrankenpflege, und es wird auch von Eltern erwartet, dass sie die Höhe der zu Hause gemessenen Körpertemperatur ihres Kindes genau angeben können.

Idealerweise soll die Temperaturmessung die Kerntemperatur erfassen, leicht anwendbar, sowie valide und reliabel sein. Die Temperaturmessung in der Arteria pulmonalis, die als Goldstandard für die Erfassung der Kerntemperatur gilt, bedarf eines Pulmonaliskatheters und ist somit nur bei wenigen IntensivpatientInnen anwendbar (Emergency Nurses Association, 2015). Auch andere invasive Methoden, wie ösophageale und transurethrale Temperaturmessung, sind Intensivstationen vorbehalten.

Für die Kinderkrankenpflege relevanter ist die Temperaturmessung in Mund, Axilla und Rektum sowie Ohr und Stirn (Temporalarterie).  Die verschiedenen Messmethoden zeigen unterschiedliche Temperaturwerte, da die Körpertemperatur nicht an allen Körperstellen gleich hoch ist und sie unterscheiden sich auch in Bezug auf Genauigkeit, Präzision, Praktikabilität und Anwendbarkeit (Emergency Nurses Association, 2015). Studien über Genauigkeit und Verlässlichkeit der verschiedenen Messmethoden kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen, weshalb es auch keine einheitlichen Empfehlungen gibt.

Die rektale Messung wird häufig als Referenzstandard für die Messung der Kerntemperatur bezeichnet (Ward, 2019), obwohl sich eine Änderung der Kerntemperatur erst nach einer gewissen Zeitverzögerung auch bei rektaler Messung zeigt (Chamberlain et al., 1995; Ward, 2019). Kontraindiziert ist die rektale Temperaturmessung bei Neutropenie (Ward, 2019) und bei erhöhter Blutungsneigung, nicht empfohlen wird sie bei PatientInnen mit Diarrhoe (Emergency Nurses Association, 2015). Rektale Temperaturmessung wird von Kleinkindern wenig toleriert, für ältere Kinder und Jugendliche ist sie in der Regel nicht akzeptabel.

Oral gemessene Temperatur ist etwa 0,6°C niedriger als die in Pulmonalarterie bzw. rektal gemessene Temperatur. Diese Temperaturmessung gilt als genauer im Vergleich zur Messung in Ohr oder Axilla und als etwa ebenso genau wie die temporale Messung (Emergency Nurses Association, 2015). Sie wird im angloamerikanischen Raum empfohlen, wenn Kinder alt genug sind, um kooperieren zu können (Ward, 2019). Im deutschsprachigen Raum ist sie wenig üblich.

Bei der Temperaturmessung im Ohr wird die vom Trommelfell ausgehende Infrarot-Strahlung erfasst.

Die Temperatur entspricht etwa der rektal gemessenen Temperatur. Studienergebnisse über Genauigkeit und Verlässlichkeit der Messung im Ohr variieren allerdings stark (Emergency Nurses Association, 2015; Ward, 2019). Sie gilt als weniger genau im Vergleich zu temporaler, oraler oder axillär gemessener Temperatur. Wichtig ist die korrekte Anwendung des Thermometers: Das Ohrläppchen muss etwas zurückgezogen werden, damit die Temperatur des Trommelfells gemessen werden kann.

Axilläre Temperaturmessung gilt als genauer im Vergleich zur im Ohr gemessenen Temperatur, aber als weniger genau im Vergleich zur rektalen Messung. Studien kommen auch hier zu unterschiedlichen Ergebnissen: Bei Kindern hatten axilläre und rektale Messungen einerseits ähnliche Variabilität im Vergleich zur zentral in der Pulmonalarterie gemessenen Temperatur (Emergency Nurses Association, 2015). Andererseits wurden bei älteren Kindern Temperaturunterschiede bis 1,98°C zwischen axillärer und rektaler Messung festgestellt. Bei Neugeborenen sind diese Unterschiede wesentlich geringer (Emergency Nurses Association, 2015).

Bei der Temperaturmessung auf der Stirn wird die von der Haut abgegebene Wärme über der Arteria temporalis gemessen (Geijer, Udumyan, Lohse, & Nilsagard, 2016). Diese Messmethode zeigte im direkten Vergleich mit der Messung in der Pulmonalisarterie bei fiebernden Erwachsenen, sowie im Vergleich mit ösophageal gemessener Temperatur bei normothermen Erwachsenen gute Ergebnisse. Auch bei normothermen Kindern waren Temperaturunterschiede zu rektaler oder ösophagealer Messung gering. Bei fiebernden Kindern waren Temperaturunterschiede im Vergleich zu rektalen Messungen jedoch variabel. Vorteile temporaler Temperaturmessung sind der geringere Zeitaufwand für die Messung und die bessere Akzeptanz durch Kinder (Emergency Nurses Association, 2015).

Studien über die subjektive Beurteilung der Körpertemperatur zeigen, dass Eltern in der Regel durch Berühren der Stirn gut erkennen können, ob ihr Kind fiebert. Mit einer Sensitivität von 74% bis 97%[1] und einer Spezifität von 67% bis 91%[2] in Bezug auf das Erkennen von Fieber hat die subjektive Beurteilung der Körpertemperatur ähnliche diagnostische Genauigkeit wie die Temperaturmessung in Achselhöhle und Ohr. Leitlinien-EntwicklerInnen betonen, dass diese Tatsache von Pflegepersonen und ÄrztInnen in der Praxis anerkannt werden sollte (NICE Clinical Guideline, 2017).

Was empfehlen Leitlinien?

Die Guideline der American Academy of Pediatrics empfiehlt, Kinder unter vier Jahre rektal, und ältere Kinder oral zu messen (Barbi et al., 2017). Gemäß der britischen Guideline des National Institute for Health and Care Excellence (2017) sollen Säuglinge unter vier Wochen axillär, und Kinder im Alter von vier Wochen bis fünf Jahre axillär oder im Ohr gemessen werden, da diese Methoden rascher, leichter anwendbar und akzeptabler für Kindern und Bezugspersonen sind. Orale und rektale Temperaturmessung wird dagegen nicht empfohlen.

Wichtig ist in jedem Fall, immer mit der gleichen Methode zu messen und (im Krankenhaus) auch zu dokumentieren, wo die Temperatur gemessen wurde. Der gemessene Wert soll nicht durch Addition oder Subtraktion auf eine fiktive rektale bzw. zentrale Körpertemperatur „umgerechnet“ werden, sondern es soll der tatsächlich gemessene Wert dokumentiert werden (Sund-Levander, Grodzinsky, Loyd, & Wahren, 2004).

Klinische Beurteilung fiebernder Kinder

Fieber ist in den meisten Fällen Symptom einer dahinterliegenden Krankheit. Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass Fieber über 40°C mit höherem Risiko für Komplikationen einhergeht, obwohl das vielfach angenommen wird (Ward, 2019). Komplikationen im Rahmen einer fieberhaften Erkrankung sind auf die Krankheitsursache zurückzuführen oder werden durch antipyretische Medikamente verursacht (Barbi et al., 2017). Die Fieberhöhe, die Dauer des Fiebers und das Ansprechen auf Antipyretika korrelieren nicht mit der Schwere bzw. Bedrohlichkeit der verursachenden Krankheit, und ermöglichen auch keine Unterscheidung, ob es sich um eine virale oder bakterielle Infektion handelt (Barbi et al., 2017).

Fiebernde Kinder haben in der Regel auch andere Symptome, die Hinweise auf die mögliche Fieberursache geben. Deshalb sollen neben der Körpertemperatur auch Leitsymptome wie Puls, Atemfrequenz, Rekapillarisationszeit und Sauerstoffsättigung gemessen und der Allgemeinzustand des Kindes, sowie dessen Verhalten beobachtet werden. Hinweise auf eine möglicherweise schwerwiegende Krankheit sind Verweigerung der Flüssigkeitsaufnahme, nicht wegdrückbare Petechien, Nackensteifigkeit, ein Krampfanfall, reduzierter Bewusstseinszustand, sowie reduzierter Allgemeinzustand (NICE Clinical Guideline, 2017). Ärztliche Abklärung wird auch empfohlen, wenn Fieber länger als fünf Tage andauert, bei Verschlechterung des Zustands, und wenn sich Eltern zunehmend Sorgen machen oder sich überfordert fühlen (NICE Clinical Guideline, 2017).

Sonderfall chronisch kranke Kinder

Bei bestimmten chronischen Krankheiten kann Fieber mit höherem Risiko einhergehen. Das betrifft unter anderem Kinder mit kardiopulmonalen Erkrankungen (Barbi et al., 2017), bekannter Immundefizienz (Wahn, Dobke, & Niehues, 2017) oder Sichelzellkrankheit (Buchanan & Yawn, 2014) In diesen Fällen gelten besondere Regeln für Behandlung und Pflege.

Sonderfall Neugeborene und junge Säuglinge

Bei Neugeborenen und jungen Säuglingen (bis zum Alter von 3 Monaten) kann Fieber das einzige Anzeichen für eine behandlungsbedürftige Infektion sein. Die Inzidenz schwerer bakterieller Infektionen, wie Harnwegsinfekt, Bakteriämie, Meningitis oder Pneumonie ist in dieser Altersgruppe höher als bei älteren Kindern (Smitherman & Macias, 2019). Deshalb ist bei Neugeborenen und jungen Säuglingen jedes Fieber von 38°C und darüber auf jeden Fall ärztlich abzuklären. 

Was können Eltern tun?

Das oberste Ziel ist nicht Normothermie, sondern die Reduktion fieberbedingter Beschwerden; unter anderem durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr, ruhige Beschäftigung für das Kind und eine für das Kind angenehme Raumtemperatur. Es wird nicht empfohlen, fiebernde Kinder auszukleiden oder sehr warm anzuziehen (NICE Clinical Guideline, 2017).

Antipyretika sollen in der Regel nur gegeben werden, wenn sich Kinder unwohl fühlen. Geeignet sind dafür Paracetamol oder Ibuprofen, aber nicht Aspirin. Es wird nicht empfohlen, Kinder aus dem Schlaf zu wecken, um Fieber zu senken, und es wird auch nicht empfohlen, verschiedene Antipyretika abwechselnd zu verabreichen (Barbi et al., 2017; Ward, 2019). Ibuprofen und Paracetamol sind relativ sichere Medikamente. Nebenwirkungen sind am ehesten bei zu hoher Dosierung oder aufgrund von kumulativen Effekten bei zu häufiger Verabreichung, sowie bei Dehydrierung des Kindes möglich (Barbi et al., 2017; Kanabar, 2017).

Kühles Abwaschen ist die Behandlung der Wahl bei Hyperthermie (Hitzschlag), bzw. wenn es sich um eine Kombination von Fieber und Hyperthermie handelt (Ward, 2019). Bei Fieber wird physikalische Kühlung nicht empfohlen. „Essigpatscherln“ bzw. kühle Umschläge oder Waschungen sind nur dann angezeigt, wenn diese vom Kind als angenehm empfunden werden und wenn die Extremitäten des Kindes warm sind. Wenn eine rasche Senkung der Körpertemperatur erforderlich ist, soll frühestens 30 Minuten nach Verabreichung des Antipyretikums gekühlt werden. Abwaschen ist wirksamer als das Eintauchen in Wasser, weil die Evaporation von der Haut zusätzlich zur Wärmeabgabe beiträgt. Das Wasser soll nicht kalt, sondern nur lauwarm (etwa 30°C) sein. Alkohol darf nicht verwendet werden, weil dieser durch die Haut aufgenommen wird und toxisch ist (Ward, 2019).

Was können Pflegepersonen tun?

Pflegepersonen können Eltern dabei unterstützen, damit diese ihr fieberndes Kind bestmöglich versorgen können (Ward, 2019). Dazu gehört, Ängste und Sorgen ernst zu nehmen und Information dann anzubieten, wenn Eltern dafür bereit sind. Außerdem können Eltern angeleitet werden, auf Zeichen und Symptome schwerwiegender Krankheiten, sowie auf möglichen Flüssigkeitsmangel zu achten, anstatt sich auf die Höhe der Körpertemperatur zu konzentrieren (Barbi et al., 2017; NICE Clinical Guideline, 2017). Mithilfe der obigen Ausführungen sollten Pflegepersonen dafür gewappnet sein!

Literatur

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[1] Mit den Begriffen „Eltern“ und „Bezugspersonen“ sind immer Väter, Mütter, sowie andere primäre Bezugspersonen des Kindes gemeint.

[2] Fieber wird richtig erkannt

[3] Fieberfreiheit wird richtig erkannt

Autor:in

  • Brigita Schwarz

    Brigita Schwarz, BScN MSc; Diplom der Kinderkranken- und Säuglingspflege, Studium der Pflegewissenschaft, Tätigkeit im St. Anna Kinderspital: allgemeinpädiatrische Station sowie Stabstelle für Qualität und Entwicklung in der Pflege; Lehrtätigkeit, Schwerpunkte: PatientInnenedukation, familienorientierte Pflege, Weiterentwicklung evidence-basierter Pflegepraxis, E-Mail: brigita_schwarz@hotmail.com,