Im psychiatrischen Alltag gewinnt man den Eindruck, dass die Fahreignung bei psychischen Erkrankungen eher ein beiläufiges Thema ist. Betroffene werden zwar darauf hingewiesen, dass sie bei Einnahme von Psychopharmaka auf das Führen von Kraftfahrzeugen verzichten sollten. Damit wird den haftungsrechtlichen Aspekten Genüge getan. Doch erleben sicher die wenigsten Betroffenen, dass ihnen detailliert erläutert wird, weshalb beispielsweise das Autofahren kontraproduktiv bei der Einnahme von Psychopharmaka ist.
Gerd Laux, Alexander Brunnauer und Matthias Graw ist dafür zu danken, dass sie dem vernachlässigten Thema große Aufmerksamkeit geschenkt haben. Sie haben sich Unterstützung bei zahlreichen Expertinnen und Experten geholt und legen ein übersichtliches Buch vor, das Praktikerinnen und Praktiker sicher gerne in die Hand nehmen.
Immer wieder kommt es im psychiatrischen Alltag vor, dass Betroffene darüber klagen unzureichend über die Medikation aufgeklärt zu sein. Für Medizinerinnen und Mediziner ist dies ein Fallstrick, vor allem, wenn man bedenkt, dass in klinischen Dokumentationen die Aufklärung nicht hinterlegt ist. Graw stellt fest, dass die Verantwortung für die Entscheidung, „ob jemand in seinem konkreten Gesundheitszustand eine Fahrt mit dem Fahrzeug antreten darf oder nicht“ (S. 2), beim Fahrer selbst liege. Der Fahrer müsse bei der Entscheidung wissen, was es mit den Medikamenten auf sich habe. Brunnauer und Laux weisen darauf hin, dass es ein zwei-bis fünffaches Verkehrsunfallrisiko bei psychischen Erkrankungen gebe. In ihrem Beitrag wird deutlich, dass die Evidenzlage diesbezüglich sicher als schwierig einzuschätzen ist.
Die Autorinnen und Autoren setzen sich mit den unterschiedlichen Aspekten der Fahreignung bei verschiedenen Krankheitsbildern auseinander. Schon die grundlegenden Artikel machen deutlich, dass die Fahreignung bei psychischen Erkrankungen und der Einnahme von Psychopharmaka größere Aufmerksamkeit verdient haben. Jürgen Peitz beschäftigt sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, differenziert in diesem Zusammenhang die Wirkungsmacht sozialer, ärztlicher und behördlicher Kontrolle. Bei der sozialen Kontrolle schreibt Peitz: „Hier greifen subtile Mittel der Einflussnahme auf den z. B. uneinsichtigen Angehörigen und auch Pflichten“ (S. 14).
Es wird deutlich, dass das Führen eines Kraftfahrzeugs in unserer Kultur etwas mit der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit zu tun hat. Diese Entfaltung muss nach Peitz zu Recht in Einklang zu bringen sein mit dem Anspruch auf weitgehende Verkehrssicherheit und den Haftungsrisiken für den Kraftfahrer und die behandelnden Mediziner und Psychotherapeuten.
An viele Stellen liest sich das Buch sehr formal. Dies macht jedoch nichts. Es verdeutlicht, dass dem Thema Fahreignung und Aufklärung der angemessene Raum gegeben werden muss. Die Tragweite der nicht erfolgten Aufklärung und Auseinandersetzung mit der Fahreignung kann ansonsten nicht ermessen werden.
Mit dem Buch „Fahreignung bei psychischen Erkrankungen“ haben Laux, Brunnauer und Graw einen wichtigen Beitrag zu einem angemessenen Umgang mit seelischen Erkrankungen und seinen Auswirkungen geleistet.
Gerd Laux, Alexander Brunnauer & Matthias Graw (Hrsg.): Fahreignung bei psychischen Erkrankungen, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin 2019, ISBN 978-3-95466-423-8, 166 Seiten, 39.95 Euro.