Eine gelungene Teamarbeit ist heute im Gesundheitswesen im Allgemeinen sowie im Pflegebereich im Besonderen nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Sie zählt zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren. Eine Vielzahl von Studien und Fachartikeln bestätigt immer wieder, dass Menschen, die in einem funktionierenden Team arbeiten, verantwortungsvoller, motivierter und kreativer sind. Sie erleben die Vorteile einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit. Ob in Krankenhäusern, in Praxen, in ambulanten Einrichtungen, auf Stationen im Operationssaal oder in einzelnen Projekten – ein reibungsloser Ablauf und eine gute Teamarbeit sind von außerordentlich hohem Wert. Wir treffen dabei sowohl professionelle als auch inter- bzw. multiprofessionelle Teams an – Teams, die auf längere Dauer angelegt sind oder sich kurzfristig bilden (z.B. OP-Teams) an. Oft treffen wir in der Praxis jedoch auch auf Personenmehrheiten und Gruppen, die sich etikettenartig als Teams bezeichnen, jedoch in keiner Weise wie Teams agieren („Pseudo-Teams“).
Echte Pflegeteams unterscheiden sich bereits in ihrem Aufbau deutlich von (Arbeits-)Gruppen; professionelle Führungskräfte halten besonders die Wechselwirkungen zwischen Leitung, informeller Führung und Rangdynamik in dynamischer Balance; die wesentlichen Faktoren in den Teamentwicklungsphasen werden bewusst beachtet; die Rahmenbedingungen für eine echte Mitarbeitermotivation werden geschaffen; die echten Problemfelder der Teamarbeit werden erkannt und umgehend konstruktiv bearbeitet und man ist sich dabei der überwiegenden Vorteile von Teamarbeit gegenüber reiner Einzelarbeit bewusst. In diesem Artikel sollen wichtige Aspekte für die Gestaltung der Rahmenbedingungen für eine echte Mitarbeitermotivation herausgearbeitet und etwas näher ausgeführt werden.
Motivation und Teamsteuerung
Motivation ist ein ganz entscheidender Themenbereich in der Teambildung bzw. -entwicklung und -stärkung. Im Zusammenhang mit Gruppen bzw. Teams stellt sich stets eine Kernfrage: Wie gelingt es Pflegeführungskräften, dass Mitarbeiter/innen bezüglich der (Gesamt-)Zielerreichung aus sich heraus bereit sind, ihr Bestes zu geben. Motivationsansätze und -theorien gibt es in der Literatur sehr viele.
Extrinsische und intrinsische Motivation
Die intrinsische Motivation beschreibt den inneren Antrieb eines Menschen, etwas zu leisten. McClelland fand heraus, dass für ca. 10% der Menschen der Umstand, etwas geleistet zu haben, an sich sehr motivierend ist. Weitere Formen der intrinsischen Motivation sind z.B.: Freude am Erkenntnisgewinn oder die Befriedigung, Teil einer Gruppe zu sein.
Die extrinsische Motivation beinhaltet die Rahmenbedingungen der Arbeit. Dazu zählen u.a. die Bezahlung, Prämien, Belohnungen, angenehme Arbeitsbedingungen und Incentives.
Deci meinte sogar, dass die intrinsische Motivation darunter leiden könnte, wenn die Bezahlung zu unmittelbar mit der Leistung zusammenhängt.
Die meisten Forscher und Praktiker in diesem Bereich sind der Meinung, dass die intrinsische Motivation das Kernelement darstellt, das jedoch durch extrinsische Faktoren wie Bezahlung, Prämien etc. u.a. verstärkt werden kann.
In einer Formel könnte man dies nach dem Autorenteam Schlick (Führung leicht gemacht, 2003, S. 52) folgendermaßen sehr gut zum Ausdruck bringen:
Gesamtmotivation = I x (E + 1)
I….…Intrinsische Motivation
E…..Extrinsische Motivation
Aus dieser Formel ergeben sich folgende Ableitungen:
• Ist die intrinsische Motivation null, so bleibt die Gesamtmotivation null – unabhängig davon, wie hoch die extrinsischen Faktoren sind
• Beträgt die extrinsische Motivation null, so beläuft sich die Gesamtmotivation auf den Wert der intrinsischen Motivation.
• Sind die externen Faktoren allerdings demotivierend, so vermindern sie die Gesamtmotivation.
Die Zwei-Faktoren-Theorie von F. Herzberg
Die Zwei-Faktoren-Theorie, die auf F. Herzberg, Arbeitswissenschaftler und klinischer Psychologe, zurückgeht, setzt auf der Bedürfnispyramide von Abraham Maslow auf. Trotz verschiedenster Diskussionen gehört diese Theorie nach wie vor zu den populärsten Theorien der Arbeitsmotivation.
Um den Inhalt der Arbeitsmotivation zu spezifizieren, befragten Herzberg und dessen Team-Kollegen etwa 200 Personen nach Arbeitssituationen, in denen sie sich besonders motiviert gefühlt hatten und nach solchen, in denen sie sich besonders schlecht gefühlt hatten. Die Ergebnisse machten deutlich, dass in den „guten“ Situationen andere Aspekte aufgezählt werden, als in den „schlechten“. Herzberg und sein Team folgerten daraus, dass zwei voneinander unabhängige Faktorenkategorien für Mitarbeiter in Arbeitsorganisationen wichtig sind:
– Hygienefaktoren („dissatisfier“, extrinsische Faktoren oder Kontextfaktoren), welche Unzufriedenheit der Arbeiter auslösen, wenn sie nicht erfüllt werden.
Zu den Hygienefaktoren zählt Herzberg jene Merkmale der Arbeit, die Außerhalb der Arbeit selbst gelegen sind, wie Bezahlung, Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitsbedingungen, Reglementierungen und Verwaltungsprozesse der Organisation, Verhalten der Führungskräfte und die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen am Arbeitsplatz.
– Motivatoren („satisfier“, intrinsische Faktoren oder Kontent-Faktoren), welche Zufriedenheit der Arbeitnehmer bewirken, wenn sie in der Arbeit gegeben sind.
Die Motivatoren werden durch Merkmale wie der Arbeitstätigkeit selbst und der Person, welche die Arbeit ausführt, beschrieben: Leistung, Anerkennung, Verantwortung, Beförderung, die Arbeit selbst, Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung gelten als wichtige Beispiele für Motivationsfaktoren (Weinert, 1998,
S. 149-150).
(Abbildung: Vergleich Maslow – Herzberg)
Herzberg und seine Kollegen stellten mit ihrer Zwei-Faktoren-Theorie fest, dass Hygienefaktoren nicht zur Zufriedenheit führen, allenfalls zur Nicht-Unzufriedenheit; umgekehrt führen Motivatoren zur Zufriedenheit und im Falle des Fehlens zur Nicht-Zufriedenheit, aber nicht zur Unzufriedenheit.
Sie fordern, dass einerseits Hygienefaktoren optimiert werden, andererseits auch die „psychologische Anreicherung“ von Arbeitstätigkeiten, welche als „job enrichment“ bezeichnet wird und Garant für die Zufriedenheit der Mitarbeiter sein kann.
Schlussfolgerungen für Pflegeführungskräfte aus der Zwei-Faktoren-Theorie von F. Herzberg:
• Hygienefaktoren sind nicht unwichtiger als Motivatoren.
• Die negativen Aspekte in den Hygienefaktoren sollen eliminiert werden.
• Konzentration auf die Motivatoren:
o Leistung: Klare Zielvorgabe, Rückmeldung über den Grad der Zielerreichung
o Anerkennung der eigenen Leistung: Bewertende Stellungnahme durch den Vorgesetzten (Anerkennung und Kritik als Führungsmittel)
o die Arbeit selbst: Interessanter Arbeitsinhalt, der den Mitarbeiter fordert und fördert (Erweiterung des Handlungsspielraums, job enrichment)
o Verantwortung: Dem Mitarbeiter sollte mehr Handlungs- u. v. a. mehr Entscheidungsspielraum übertragen werden
o Aufstieg: Möglichkeiten des Erreichens von Positionen mit mehr Handlungs- und Entscheidungsspielräumen
o Möglichkeit zum Wachstum: Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten
Motivation und Motivierung
Der Psychologe und Managementtheoretiker Reinhard K. Sprenger vertritt vor allem in seinem Buch „Mythos Motivation“ die Auffassung, dass jeglicher Versuch, Mitarbeiter zu motivieren, fehlschlagen muss. Er führt dies darauf zurück, das jede ,,Motivierung“ einen extrinsischen Charakter hat und üblicherweise auf folgendem Vorurteil beruht: „Der Mitarbeiter ist nicht bereit, 100% dessen, was er leisten könnte zu leisten; deshalb muss ich ihn motivieren, mehr zu leisten.“
Sprenger unterscheidet daher deutlich zwischen Motivation und Motivierung:
• Motivation kommt von innen und ist der Zustand, den der Manager erreichen möchte.
• Motivierung ist der Versuch, von außen Motive zu erzeugen.
Das Hauptproblem hierbei liegt laut Sprenger darin, dass dieses Misstrauen den Mitarbeitern bewusst oder unbewusst auffällt und sie darauf reagieren – es beeinträchtigt ihr Selbstwertgefühl. Jedes Unternehmen bzw. jede Organisation ,,pflegt“ bewusst oder unbewusst eine Organisationskultur, die sowohl die Arbeitsintensität, die Arbeitsqualität, das Betriebsklima als auch die Arbeitsmotivation prägt.
Motivierung führt zu Demotivierung/Demotivation
Der Versuch, Mitarbeiter sehr oft durch Motivierung zu höheren Leistungen anzuspornen, führt diese permanent an ihr Leistungsmaximum und darüber hinaus. Einerseits führt diese Motivierungsstrategie laut Sprenger unter Umständen zu Krankheit oder innerer Kündigung, andererseits erbringt kein Mitarbeiter nach mehrfach erfolgter Motivierung ohne zusätzliche Prämie noch 100% seines dauerhaften Leistungsvermögens.
Innere Kündigung und Krankheit
Jeder Mensch hat Leistungsreserven, die er nur im Notfall (Angst, Panik, usw.) nutzen kann, jedoch nur für kurze Zeit. Danach ist er erschöpft und muss seine Reserven wieder auffüllen. Tut er dies nicht, wird er nach einiger Zeit zusammenbrechen und für das Unternehmen nicht mehr die erwartete Leistung erbringen. Dies führt häufig zur Kündigung des Mitarbeiters bzw. zur „inneren Kündigung“. Unter innerer Kündigung wird das Verrichten von „Dienst nach Vorschrift“ verstanden. Das heißt, der Mitarbeiter verrichtet genau so viel Arbeit, wie unbedingt für den Erhalt des Arbeitsplatzes notwendig ist. Der Mittelpunkt des Lebens wird auf die Freizeit verlagert.
Weiter konzentriert sich der Mitarbeiter in Zukunft nicht mehr darauf, wie er seine Leistung am besten in das Unternehmen bzw. die Organisation einbringt, sondern wie er sich seine nächste Belohnung abholt (z.B. Misserfolgsvermeidung, niedriges Ansetzen von Zielen etc.). Hinzu kommt, dass diese Belohnungen sehr schnell an Wert verlieren und durch bessere ersetzt werden müssen – man spricht dann von der Gewöhnung an den Reiz. Dieser „Teufelskreis“ treibt die Kosten für das Unternehmen bzw. die Organisation deutlich in die Höhe, aber die Wirkung auf die Motivation der Mitarbeiter wird mit jedem Mal geringer und verflüchtigt sich immer schneller. Das Generieren von extrinsischer Motivation führt im Allgemeinen zum Abbau der intrinsischen Motivation.
Deshalb schließt Sprenger, dass es im Allgemeinen besser ist, keine extrinsischen Motivationsfaktoren einzusetzen.
Motivation aus neurobiologischer Sicht
Die beiden Neurobiologen, Joachim Bauer und Gerald Hüther haben sich in mehreren Artikeln bzw. Büchern diesem sehr aktuellen Thema aus neurobiologischer Sicht gewidmet und dessen Bedeutung für Führungskräfte herausgearbeitet. J. Bauer, habilitierter Mediziner und Neurobiologe, der als Professor am Universitätsklinikum Freiburg lehrt, ist ein deutscher Internist, Psychotherapeut und Psychiater. Sein Spezialgebiet ist die Psychosomatische Medizin. J. Bauer ist Autor mehrerer wissenschaftlicher Sachbücher und hat sich speziell in seinem Buch „Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren“ um die Bedeutung der Motivationssysteme beschäftigt. Wesentliche Kernpunkte werden in der Folge zusammengefasst:
Nach J. Bauer haben die biologischen Antriebsaggregate des Menschen – die Motivationssysteme – ihren Sitz sehr zentral im Mittelhirn und sind über Nervenbahnen mit vielen anderen Hirnregionen verbunden. Der „Treibstoff“ dieser Motivationssysteme besteht aus drei Botenstoffen:
1. Dopamin, das ein Gefühl des Wohlbefindens erzeugt und den Organismus in einen Zustand von Konzentration und Handlungsbereitschaft versetzt. Damit hat Dopamin die Funktion einer physischen und psychischen Antriebs- und Motivationsdroge.
2. Es werden endogene Opioide freigesetzt, deren Wirkung derjenigen von Opiaten entspricht. Damit haben sie positive Effekte auf das Ich-Gefühl, auf die emotionale Gestimmtheit und die Lebensfreude. Unabhängig davon vermindern sie die Schmerzempfindlichkeit und stärken das Immunsystem.
3. Der dritte Wohlfühl-Botenstoff ist Oxytoxin, das sowohl Ursache als auch Wirkung von Bindungserfahrungen ist. D.h. Oxytozin wird erzeugt, wenn es zu einer Vertrauen stiftenden Begegnung kommt, und es kann Bindungen rückwirkend stabilisieren. So konnte nachgewiesen werden, dass Personen als Folge einer geschäftlichen Transaktion, in denen ihnen Vertrauen entgegengebracht wurde, erhöhte Oxytoxin-Werte aufweisen.
Was aktiviert nun die Motivationssysteme des Menschen? Nichts stimuliert Menschen so sehr, wie der Wunsch, von anderen gesehen zu werden, die Aussicht auf soziale Anerkennung, das Erleben positiver Zuwendung und letztlich die Erfahrung von Liebe. Kern aller Motivation ist es also aus neurobiologischer Sicht, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung und Zuwendung zu finden oder zu geben.
Die Einsicht, dass Akzeptanz und Anerkennung, die wir bei anderen finden, der tiefste Grund aller Motivation ist, ergab sich erst in den letzten Jahren, und ist das Ergebnis einer Vielzahl von teilweise überaus aufwendigen Untersuchungen und Forschungen. Entdeckt wurde dabei folgendes: Die Motivationssysteme schalten dann ab, wenn keine Chance auf soziale Zuwendung besteht, und sie springen an, wenn das Gegenteil der Fall ist. Die Tatsache, dass länger dauernde soziale Isolation oder der Verlust wichtiger zwischenmenschlicher Bindungen zu einem Absturz der Motivationssysteme führen können, macht etwas Entscheidendes deutlich: Alle Ziele, die wir im Rahmen unseres normalen Alltags verfolgen, finanzielle Ziele, Anschaffungen, die Ausbildung oder den Beruf betreffend, etc., haben aus der Sicht unseres Gehirns ihren tiefen, uns meist unbewussten Sinn dadurch, dass wir damit letztlich auf zwischenmenschliche Beziehungen zielen, das heißt, diese erwerben oder erhalten wollen. Das Bemühen des Menschen, als Person gesehen zu werden, steht noch über dem, was landläufig als Selbsterhaltungstrieb bezeichnet wird.
Was heißt das für die Arbeitswelt und das Führen von Mitarbeitern im Pflegebereich? Wer bei anderen Menschen nachhaltig für Motivation sorgen will, muss ihnen die Möglichkeit geben, mit anderen zu kooperieren und Beziehung zu gestalten. Gelingende Beziehungen gehen – wie oben ausgeführt – mit der Ausschüttung der Botenstoffe Dopamin, Oxytoxin und Opioide einher und sind damit das unbewusste Ziel allen menschlichen Bemühens. Die Botenstoffe „belohnen“ uns nicht nur mit subjektivem Wohlergehen, sondern auch mit körperlicher und mentaler Gesundheit, daher werden die Motivationssysteme gerne auch als Vitalitätssysteme bezeichnet. Dopamin sorgt für Konzentration und mentale Energie, Oxytoxine und Opioide reduzieren Stress und Angst.
Was passiert nun bei zwischenmenschlichen Konflikten? Diese müssen nicht zwingend zu Beeinträchtigungen führen – vorausgesetzt, der Konflikt wird angesprochen, offen ausgetragen und bereinigt. Dagegen führen schwere Störungen oder Verluste wichtiger Beziehungen zu einer Mobilmachung biologischer Stress-Systeme bis hin zu Burn-out bzw. Depression. Dies macht deutlich, dass der Mensch nicht für eine Umwelt bzw. Arbeitswelt geschaffen ist, die durch Isolation oder ständige Konflikte gekennzeichnet ist.
Zudem konnten verschiedene wissenschaftliche Experimente wie der Trierer Stresstest belegen: Vertrauen schafft Vertrauen. Misstrauen und Ablehnung begünstigen Aggression.
Wesentlichen Voraussetzungen für das Gelingen von Beziehung oder von kooperativen Projekten sind lt. J. Bauer:
1. Sehen und Gesehen werden (z.B. den Mitarbeiter als Person beachten),
2. gemeinsame Aufmerksamkeit gegenüber etwas Drittem (z.B. gegenüber einer Idee des Mitarbeiters),
3. emotionale Resonanz (z.B. echtes Mitgefühl bei Negativerlebnissen),
4. gemeinsames Handeln (z.B. Mitanpacken oder gemeinsame Unternehmungen) und
5. das wechselseitige Verstehen von Motiven und Absichten (z.B. die Motive der Mitarbeiter erkennen und dadurch Potenziale zu entfalten).
Keine dieser Voraussetzungen ist als banal zu bezeichnen, da bei dauerhaftem Ausfall nur einer dieser Komponenten Beziehungen – ob am Arbeitsplatz oder privat – scheitern können.
Ein weiterer wichtiger Aspekt von Beziehungen ist Wechselseitigkeit bzw. Komplementarität. Das heißt als Führungskraft im Pflegebereich, dass ich den Mitarbeiter wirklich sehe, wahrnehme und mich auf ihn einlasse. Gleichzeitig sollte man als Leitung darauf achten, dass man gesehen, geachtet und verstanden wird. Dazu muss man einen aktiven Beitrag leisten: Signalisieren, was man will, und welche Vorstellungen und Absichten man hat. Damit repräsentiert bildlich gesprochen die Gegenspur das Verstehen, die eigene Fahrspur bedeutet Man-selbst-sein und zu seinen Überzeugungen stehen. Viele Menschen stecken in dem Dilemma, dass sie im (Arbeits-)Alltag nur einspurig unterwegs sind. „Dauer-Versteher“ sind ganz mit dem Gegenüber beschäftigt, dass sie nur noch Rücksicht nehmen. „Selbst-Spezialisten“ dagegen sind unfähig, die Spur des Gegenübers zu sehen und andere zu verstehen. Einspurige Beziehungsarrangements müssen- ob im Beruf oder im Privatleben- auf lange Sicht scheitern.
Für gute Führung gilt folgende Verfahrensweise als Empfehlung: Einerseits kommt es darauf an, Mitarbeiter und Kollegen wahrzunehmen, zu verstehen, ihre Leistungen anzuerkennen und sie fair zu behandeln. Andererseits gilt es, für die eigene Position zu stehen, Mitarbeiter und Kollegen nicht aus ihrer Mitverantwortung für die Gestaltung guter Beziehungen zu entlassen, Konflikte zu erkennen, aufzugreifen und Führung zu zeigen.
Überall dort, wo Menschen als Führungskräfte Verantwortung für andere tragen, sollte die Fähigkeit, Beziehungen zu gestalten, zu einer Art Meisterschaft entwickelt sein.
Der deutsche Neurobiologe und Hirnforscher G. Hüther hat in einem transkribierten Vortrag im Buch von Renate Daimler (Basics der Systemischen Strukturaufstellungen, S.63ff – „Führen als erfolgreiche Navigation im Dickicht eigener und fremder Synapsen“ (Pflege-)Führungskräften aus neurobiologischer Sicht folgende Empfehlungen gegeben:
• Wir sollten darauf achten, was in unseren Mitarbeiter/innen vorgeht und den Verbindungsaspekt fördern und an den inneren Einstellungen arbeiten. Mitarbeiter/innen, die sich verbunden fühlen, sind eine kost¬bare, positive Ressource. Ein Mangel an Verbindung fördert Missgunst, Frust, Intrigen – und damit wird der gemeinsamen Aufgabe Energie entzogen.
• Verbessern Sie Ihr Betriebsklima, nehmen Sie die Angst aus dem System. Angst blockiert das Gehirn und verschwindet in dem Maß, in dem das Vertrauen steigt.
• Lernen passiert am besten durch Begeisterung, Neugier und Erfahrungen, die als angenehm gespeichert werden können. Das stärkt das Selbstwertgefühl.
• Besondere Fähigkeiten kann man erlernen. In Wirklichkeit geht es aber darum, sie zu »entdecken« (sie nicht im klassischen Sinn des Lernens zu lernen). Lassen Sie Ihre Mitarbeiter/innen Dinge »entdecken«, das heißt auf allen Ebenen spüren.
• Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter/innen, ihre eigenen Fähigkeiten einzusetzen, und pflegen Sie eine fehlerfreundliche Unternehmenskultur.
• Geben Sie Ihnen Aufgaben, an denen sie wachsen können, und fördern Sie Weiterbildung.
• Geben Sie Ihnen die Gelegenheit zu merken, dass es toll ist, in einem Team zu arbeiten, und dass vieles leichter gelingt, wenn man es gemeinsam schafft. Geben Sie Ihnen die Chance, wieder an das heranzukommen, was sie schon aus ihrer pränatalen Entwicklung kennen (Verbindung).
• Abwertung ist pures Gift für Effizienz und Kreativität. Bringen Sie Ihren Mitarbeiter/innen Achtung und Wertschätzung entgegen. Unsere bildgebenden Verfahren zeigen uns minutiös, was im Gehirn passiert, wenn es auf diese Weise »behandelt« wird. Ein Gehirn, das Angst hat, blockiert – da ist überall zu viel Strom drauf, das löst negative Gefühle aus. Nach nur einem Monat Abwertung, z.B. durch den Chef, reicht es schon, wenn die Person nur an den Chef denkt (ohne ihn zu sehen), dass negative Gefühle ausgelöst werden! Und damit wird auch jede Kreativität blockiert. Es ist ein Kreislauf, aus dem Mitarbeiter/innen, wenn sie da erst einmal drin sind, von selbst meist nicht wieder heraus¬kommen. Das sind vergeudete Potenziale.
• Und erinnern Sie sich daran: Einstellungen verändern sich nicht, indem Sie mit den Leuten reden oder sie dauernd umarmen, wenn die innere Haltung dahinter nicht stimmt – wenn die Authentizität fehlt, macht das wenig Sinn.
Motivation und Burnout – Entfremdung von der Arbeit
Es gibt viele Definitionen für Burnout, da es bis heute ein schwer abgrenzbares und unscharfes Phänomen sowohl in der Medizin als auch in der Psychologie ist. Der Begriff Burnout oder Burnoutsyndrom (vom engl. burn out: ausbrennen) bezeichnet einen besonderen Fall berufsbezogener chronischer Erschöpfung und wurde nach ersten bekannten Forschungen zu diesem Thema von Kurt Lewin im Jahre 1974 von den klinischen Psychologen Herbert Freudenberger und Christina Maslach in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt.
Studienergebnisse zur Burnout-Entstehung im Berufsfeld
In den vergangenen 20 bis 30 Jahren hat sich die Situation am Arbeitsmarkt stark verändert. Der Leistungsdruck sorgt dafür, dass immer mehr Menschen am sog. Burnout-Syndrom leiden. Während zahlreiche Studien die Erkrankung als Folge von Arbeitsstress beschreiben, hat die Wirtschaftswissenschaftlerin Lisbeth Jerich, Institut für Organisations- und Personalmanagement der Universität Graz sowie Psychotherapiewissenschaftlerin an der Sigmund Freud PrivatUniversität in Wien, andere Erklärungen:
Lediglich bzw. gerade der Stress, der vom Entfremdungsaspekt ausgeht, führt zum Burnout.
Dabei spiele die Beziehung der Menschen zu ihrer Arbeit eine große Rolle. Waren es vor rund 30 Jahren noch in erster Linie idealistische Bestrebungen, die für die Hinwendung zu einer bestimmten Arbeit verantwortlich waren, sind es heute eher eigennützige Motive, wie das Streben nach Geld, Macht und Prestige. Die Suche nach der Selbstverwirklichung bleibt zunehmend auf der Strecke. Das führt zu einem verstärkten Wertekonflikt und daraus resultierend zu einer inneren Gleichgültigkeit, eine Sinnleere und bloßem Materialismus. Die Folge davon sind Entfremdungsgefühle gegenüber der Arbeit und den Kollegen. Der Verlust dieser Ideale ist für Jerich die gesellschaftliche Hauptursache von Burnouts.
Burnout-Fälle in Organisationen sollten ein deutliches Warnsignal für das oberste Management/die kollegiale Führung sein, sich über die Unternehmenskultur Gedanken zu machen, meint L. Jerich. Viele Mitarbeiter könnten ihre Arbeit nicht mehr lieben, weil die Selbstentfaltung zu kurz kommt.
Zudem habe der Wandel der Wirtschaft seine Spuren auch im zwischenmenschlichen Bereich hinterlassen. So sei das Arbeitsklima in so genannten „modernen Unternehmen“ oft durch systematische Schikanen gekennzeichnet. Konkurrenzorientiertes Klima – mit hohem Leistungsdruck, drohendem Arbeitsplatzabbau oder Reorganisationsmaßnahmen kommen noch hinzu.
Zwar gibt es Menschen, die durch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale eher zu Burnouts neigen als andere. Allerdings können diese Merkmale nicht als Auslöser angesehen werden. Gesellschaftliche, institutionelle und interpersonelle Faktoren spielen immer eine entscheidende Rolle, fasst L. Jerich zusammen.
Literatur
Bauer, J.: Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. Hamburg: Hoffmann und Campe, September 2008, aktualisierte Ausgabe.
Bauer, J.: Arbeit: Warum unser Glück von ihr abhängt und wie sie uns krank macht. Karl Blessing Verlag, April 2013.
Hüther, G.: Wozu brauchen Berater/innen Wissen über Hirnforschung, in Daimler, R.: Basics der Systemischen Strukturaufstellungen. München: Kösel, 2008.
Hüther, G.: Führen mit Hirn. Campus Verlag, Frankfurt a.M., 2015.
Jerich, L.: Burn out – Ausdruck der Entfremdung. Graz: Grazer Universitätsverlag, 2008.
Kirchler, E..: Arbeits- und Organisationspsychologie: Wien: UTB, 2011, 3.Aufl.
König, O./Schattenhofer, K.: Einführung in die Gruppendynamik. Heidelberg: Carl Auer Verlag, 2014, 7.Aufl.
Leuzinger A./Luterbacher, Th.: Mitarbeiterführung im Krankenhaus. Bern: Huber, 2000, 3. Aufl.
Möller, S.: Einfach ein gutes Team. Teambildung und -führung in Gesundheitsberufen. München: Springer-Verlag, 2010.
Schlick (Autorenteam):Führung leicht gemacht. Berlin: Ueberreuter, 2003.
Sprenger, R. K.: Mythos Motivation. Campus Verlag, Frankfurt a.M., 2014, 20.Aufl.
Stahl, H. K.: Leistungsmotivation in Organisationen: Ein interdisziplinärer Leitfaden für die Führungspraxis. Berlin: Erich Schmidt Verlag GmbH & Co, 2012.