Provokativ zu arbeiten ist für manche Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie viele andere Akteurinnen und Akteuren in psychosozialen Arbeitsfeldern eine Zumutung. Sie sehen es nicht als eine Chance an, über die Hürden der Provokation zu springen. Was sie gleichzeitig dabei vergessen: Seelische Nöte sind mindestens in gleichem Maße eine Zumutung für Menschen. Oder anders gesagt: ungewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Handlungsansätze.
Mit dem „Provokativen Ansatz“, für den die Psychotherapeutin Noni Höfner und die Coachin Charlotte Cordes stehen, gibt es die Möglichkeit, ungewohnte Wege zu gehen. Durch gezielte Provokationen werde der Klient herausgefordert, „seine emotionalen Energien produktiver zu nutzen und sein Leben wieder selbstbestimmt in die Hand zu nehmen“ (S. 17). Mit diesem Ansatz geben die Vordenkerinnen des provokativen Stils nicht nur die Selbstmächtigkeit an betroffene Menschen zurück. Sie erteilen gleichzeitig einer Haltung eine Absage, die in der Stagnation verharrt.
In therapeutischen Beziehungen wird allzu häufig über die Asymmetrie des Miteinanders räsoniert. Dass sich Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten als Begleiterinnen und Begleiter von Menschen verstehen, dies erscheint in Zeiten evidenz-basierten Arbeitens allzu banal. Umso erfrischender wirkt es, dass Cordes und Höfner ausdrücklich betonen, der provokative Humor sei frei von Bosheit und habe nichts mit Auslachen zu tun (S. 19). Denn: „Der provokative Berater lacht nicht über den Klienten, sondern macht sich zusammen mit ihm lustig, und zwar nur über die Bereiche, in denen der Klient feststeckt“ (S. 19).
Während der Lektüre des Buchs „Einführung in den Provokativen Ansatz“ gewinnt die Leserin und der Leser den Eindruck, dass Cordes und Höfner einen sehr aktiven und konstruktiven Ansatz in die therapeutische Begleitung von Menschen, deren Seelen aus der Balance geraten sind, vertreten. Die offensive Ansprache bei der provokativen Arbeit erscheint als Kontergewicht zum Liegen auf der Couch, das auf das freie Assoziieren setzt.
Cordes und Höfner gestehen zu, dass der provokative Ansatz nur schwerlich einer wissenschaftlichen Objektivierung standhält. Es sei ein grundsätzliches Problem bei der Überprüfung von Psychotherapieergebnissen, dass es für subjektive Befindlichkeiten im naturwissenschaftlichen Instrumentarium keine adäquaten Messmethoden gebe (S. 33). Für den psychotherapeutischen bzw. psychiatrischen Praktiker ist dies sicher weniger bedeutend. Schließlich geht es im Miteinander mit Menschen, die an der eigenen Seele leiden, um die Effizienz der Problemlösung. Betroffene Menschen bestätigen umso häufiger den Erfolg.
Wer sich in der psychotherapeutischen Arbeit auf den provokativen Ansatz einlassen will, der hat mit dem Buch „Einführung in den Provokativen Ansatz“ einen ausgezeichneten Startblock. Die Grundlagen werden übersichtlich und verständlich vorgestellt. Das provokative Arbeiten wird mit einfachen Praxisbeispielen nachvollziehbar. Das Buch lebt von den vielfältigen Erfahrungen der provokativen Praktikerinnen Cordes und Höfner.
Das Buch profitiert davon, dass Höfner Erfahrungen als Kabarettistin und Cordes als Improvisationsschauspielerin hat. Denn über den Blick in das Improvisationstheater unterstreichen sie, dass es nicht um den guten Gag geht. Vielmehr geht es um die Impulse und Anregungen, um aus der eigenen Erstarrung zu kommen.
Noni Höfner / Charlotte Cordes: Einführung in den Provokativen Ansatz, Carl Auer Verlag, Heidelberg 2018, ISBN 978-3-8497-0246-5, 125 Seiten, 14.95 Euro.