„Eine möglichst gute Versorgung bekommen – quantitativ wie qualitativ“

23. Februar 2020 | Christophs Pflege-Café | 0 Kommentare

„Je älter ich werde, umso schwerer fallen mir die Nachtdienste“, „In jeder Nachtschicht habe ich fixe Punkte, zu denen ich mit der Müdigkeit kämpfe; mir fallen dann die Augen einfach nur zu“, „Nachtdienste sind nichts für mich“ – dies sind Sätze, die immer wieder von Pflegenden zu hören sind. Genauso geläufig wird jeder Pflegenden und jedem Pflegenden sein, dass es Aussagen gibt, die konträr dazu stehen. Manchmal sind Nachtschichten geradezu Konfliktherde zwischen Kolleginnen und Kollegen.

Wer sich mit der zeitgenössischen Schlafforschung beschäftigt, den werden Konflikte um Nachtdienste nicht wundern. Menschen sind ganz unterschiedlich in ihren Schlafgewohnheiten und Schlafbedürfnissen. So sind auch die Gewohnheiten ganz verschieden, wenn es um die besten Zeiten am Tage geht, was die Leistungsfähigkeit betrifft.

Umso wichtiger erscheint es, dass sich Forschungsarbeiten mit den Menschen im Nachtdienst beschäftigen. Was das „Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherungen“ (IPA) vor kurzem festgestellt hat, dies muss Konsequenzen für die pflegerische Praxis haben. Ihre Forschungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass die mangelnde Aufmerksamkeit und Konzentration in den nächtlichen Stunden zu Versorgungsdefiziten in den unterschiedlichen Settings führen.

Welche Folgen hat dies? Es gibt sicher kaum eine Pflegende und kaum einen Pflegenden, der die Hypothese von den Versorgungsdefiziten leugnen würde. In den frühen Morgenstunden schaffen wir es einfach nicht mehr, uns zu fokussieren. Die Kraft lässt nach, die Neigung, den schweren Augenlidern nachzugeben steigt. Selbst die tapfersten Nachtarbeiter können von entsprechenden Erfahrungen berichten.

Jetzt kommen IPA-Forschende zu dem Schluss, dass Nachtarbeiterinnen und Nachtarbeitern zugestanden werden sollte, während der Schicht einen Kurzschlaf zu machen. Dies wird bei vielen Leitungspersonen für Hitzewallungen sorgen. Sie werden davor warnen, dass damit die Versorgung von pflegebedürftigen Menschen in den Nachtstunden grundsätzlich zur Disposition steht. Ich kann mir vorstellen, dass Mahnungen zu hören sind der Art: „Wenn Du den kleinen Finger gibst, dann wird die ganze Hand genommen. Es kann kein Geld im Schlaf verdient werden.“ Die Forscherinnen und Forscher aus dem Ruhrgebiet scheinen sicher, „dass unregelmäßige oder schnell wechselnde Schichtpläne vermieden werden sollten“.

Diese Studienergebnisse bestärken den Eindruck, dass sowohl den Gepflegten wie den Pflegenden mit Humanität begegnet werden muss. Hilfebedürftige Menschen haben es verdient, dass sie eine möglichst gute Versorgung bekommen – quantitativ wie qualitativ. Professionell Pflegenden sollte bei der Gestaltung von Dienstplänen die Achtung entgegengebracht werden, die sie verdient haben. Dies würde sicher auch bedeuten, dass in den Nachtstunden mehr Pflegende präsent sind. Zwei Pflegende in einem Pflegeheim mit 80 Bewohnerinnen und Bewohnern sowie eine Pflegende auf einer operativen Station mit 30 bis 40 Betten sind keine Parameter, die Sicherheit und Würde garantieren. Es muss etwas passieren, gerade im Jahr der Pflegenden, das die Weltgesundheitsorganisation ausgerufen hat.

 

https://www.ipa-dguv.de/ipa/presse/presse-details_370578.jsp

Autor:in

  • Christoph Mueller

    Christoph Müller, psychiatrisch Pflegender, Fachautor, Mitglied Team "Pflege Professionell", Redakteur "Psychiatrische Pflege" (Hogrefe-Verlag) cmueller@pflege-professionell.at