Die Aufregung steigt, um Punkt 14:00h beginnt die Generalprobe im Theater Alte Feuerwache in Berlin für den dritten CareSlam am Abend. Die Pflegekräfte sind im Raum und bekommen eine kurze Erläuterung über das Verhalten auf der Bühne: Das Licht wird Euch blenden, wenn ihr nach oben schaut. An das Mikrophon müsst ihr ganz nah mit den Mund und der Überzug über das Mikro nennt sich Poppschutz. Poppschutz klingt lustig und befreit das Lachen. Lachen ist gut, so macht es doch locker.
Die Technikerin Cordula gibt ein Zeichen und sagt: „Wir können anfangen und bitte schreib mir einen Ablaufplan.“ Yvonne Falckner ruft zurück: „Ich habe noch keinen Ablaufplan. Ich muss erst alle hören, um einteilen zu können.“
Marika Lazar durchforstet den Rechner, ob eine mitgebrachte PowerPoint Präsentation, den Slam Beitrag am Abend unterstützen soll.
Alle sind etwas aufgeregt, sind doch die meisten die Bühne nicht gewöhnt, sondern ihre Bühne nennt sich Krankenzimmer oder die Orte, wo sich Kranke aufhalten.
Beim CareSlam kommen Pflegekräfte auf die Bühne, um von den wahren Berufstugenden zu berichten, um für und ihre Profession einzutreten. Jahrelang waren Pflegekräfte stumme Menschen, über die in der Regel gesprochen wurde. Beim CareSlam möchten sie aus diesem Schatten treten und sich zeigen. Die giftige Schweigepflicht ablegen, die sie jahrelang inhaliert haben. Sie dürfen sprechen, denn Pflegekräfte sind dazu verpflichtet den Beruf weiter voranzubringen. Die Schweigepflicht bezieht auf die Patienten und den Arbeitgeber. Und genau hierum geht es nicht beim CareSlam, sondern viel mehr um die Beobachtungen und gesellschaftlichen Ideen, die Pflegekräfte aufgrund ihrer Expertise erlangen. Pflegekräfte begleiten Menschen in den schönsten und schwierigsten Situationen des Lebens. Sie sind auf unterschiedlichen Ebenen geschult und ausgebildet und mit diesem Wissen gehen sie auf die Bühne.
Sabrina, eine Auszubildende in der Altenpflege geht auf die Bühne. Schnell wird klar. Hier spricht ein Naturtalent. Die Sätze sitzen: Eine hohe Sprachbegabung gepaart mit dem Können Emotionen zu transportieren, ist ihre besondere Stärke. Die Auszubildende spricht über ein Altenpflegeheim über tote Wände, obwohl diese doch bunt sind.
Die nächste Kandidatin Monja Schünemann geht auf die Bühne. Sie ist Intensivpflegefachkraft und hat zusätzlich Geschichte und Kunstgeschichte studiert und verknüpft diese beiden Berufe in der Forschung. Der Text ist sehr wissenschaftlich aufgebaut. Yvonne Falckner ermuntert zu einer radikalen Kürzung. Anfänglich entsteht Angst, dann durch das Loslassen Sicherheit. Der Vortrag wird plötzlich brillant.
So geht es weiter. Als alle auf der Bühne waren entsteht der Ablaufplan.
Gegen 18:00h erscheint Andreas Westerfellhaus, Präsident Deutscher Pflegerat e.V. im Theater.
Jetzt steigt die Spannung bei Yvonne Falckner , Andreas Westerfellhaus hat man nicht jeden Tag als Gast, umso glücklicher ist Yvonne, dass er sich auf das Neue einlassen möchte.
Langsam muss sie in den Moderationsmodus wechseln. Das Team ist klein, aber leidenschaftlich. Sie glauben daran, von der Basis etwas bewirken zu können. Das Theater als Labor für Sensibilisierungs- und Bildungsprozesse.
Sören Karger, der Filmemacher ruft zum Close up. Von den Pflegekräften erschallt die Frage: „Was ist ein Close up?“ Die Antwort kommt prompt: „Eine Großaufnahme. Ihr müsst gesehen werden!“
Der Fotograf Thorsten Strasas kommt dazu. Schnell erobert er den Raum und die Beteiligten mit der Kamera.
Langsam füllt sich der Saal. Die Zuschauer trudeln ein. Uwe, der Mann von der Bar, lockt mit Schmalzstullen und Co.
Noch 15 Minuten bis zum Auftritt, treffen sich alle in der Garderobe, um an den CareSlam Kreis teilzunehmen. Der Kreis beinhaltet das gute Gelingen für alle Protagonisten. Theater geht nicht alleine und Pflege auch nicht.
3-2-1 es geht los! Yvonne Falckner eröffnet den dritten CareSlam und begrüßt das Publikum. Eine kleine Abweichung gibt es heute. Die Mitgründerin des CareSlams Mona Löffler- Jahraus wird verabschiedet, da sie sich gesundheitlichen Gründen zurückziehen muss. Mona richtet das Wort an das Publikum und sagt: „Ich habe euch jetzt sehr nah kennengelernt durch meine Krankheit als ich im Krankenhaus lag. Ihr seid wichtig und bitte macht weiter“.
Der Saal ist still.
Yvonne Falckner verspürt Aufregung. Sie kündigt Andreas Westerfellhaus an. Er kommt auf die Bühne. Sie sitzen Rücken an Rücken. Eine andere Form der Interviewtechnik. Jeder für sich und doch ganz nah. Es werden Fragen gestellt: Name? Alter? Essen sie gerne Bananen? Welche Pflegepersönlichkeit hat sie geprägt?
Mit einer großen Offenheit beantwortet Andreas Westerfellhaus die Fragen. Ein Mann, der die große Bühne kennt, hat Freude daran auch die kleinen Fragen zu beantworten. Die letzte Frage lautet: „Pflege ist…“
Er wird gebeten aufzustehen und für 10 Minute das Wort an die Zuschauer zu richten und jetzt wird er ganz Profi und mit großem Elan erzählt er, dass er sich wünscht, dass sich die Pflegekräfte einmischen, sichtbar machen sollen. Für eine starke Selbstverwaltung einstehen sollen. Als letztes plädiert er für eine Pflege ohne Rassismus. Hier hakt Yvonne Falckner ein und lädt zu einer Reise mit Schiff aus Papier ein. Auf der Bühne steht ein Zelt. Sie fahren zum Zelt. Sie sagt, dass in der Phantasie alles möglich wäre und sie zwar nicht mit einem Schiff an diesen Ort kämen, aber trotzdem nun in Idomenie in einem Flüchtlingscamp wären. Sie bittet Andreas Westerfellhaus darum, dass Zelt gemeinsam abzubauen. Als Zeichen für eine Pflege ohne Rassismus und ohne Stacheldraht. Zeitgleich wird die von Andreas Westerfellhaus gehaltene Rede vom Deutschen Pflegetag „Flüchtlinge in der Pflege“ eingespielt. Der Saal ist ruhig.
Es geht weiter nach und nach kommen die CareSlamer auf die Bühne. Sabrina Maar, die Auszubildende erobert mit dem Slam „Frühschicht“ das Publikum. Sie ist sogar noch besser, als in der Probe.
Monja Schünemann holt sich mit einer sympathischen Frechheit die Bühne und erklärt im Slam: „„Die letzten Heiligen“ eine historische Reise der Krankenpflege durch die emotionale Ausbeutung!“, dass sich Pflegekräfte nicht eine Arschkarte für einen Heiligenschein vormachen lassen sollen.
Kerstin Vietze eine Altepflegerin und Slam- Wiederholugstäterin kommt auf die Bühne. Im Text „Resilienzien, jetzt“! kommt die starke Beobachtungsfähigkeit von Kerstin zum Tragen. Mit einer ruhigen und stillen Stimme trägt sie vor, woran sie die schwindende Widerstandsfähigkeit in der Gesellschaft erkennen kann.
Kurz vor der Pause kommt der Rolli- Breakdancer Christian Mulzhof auf die Bühne und verzückt mit seinem Können das Publikum. Die eingebaute Stunteinlage war nicht geplant, verletzt hat er sich aber zum Glück nicht.
Nach der Pause erscheint die Notaufnahmeschwester Inge Wollschläger mit dem Slam „Wo kann ich mich beschweren?“ auf der Bühne. Nach einem misslungenen Beschwerdemanagement, schreibt Inge eine Beschwerde über Pat. XY, XY, XY direkt an Gott. Die Lacher sind auf ihrer Seite.
Eva Maria- Endruweit., die als Pflegelehrerin und Pflegemanagerin tätig ist, erscheint mit einem Einhorn auf der Bühne, welches sie direkt vor dem BMG einfangen konnte. Sie beklagt sich im Slam: „Pflegeplanung 6-! Durchgefallen, Herr Gröhe!“ über die noch nicht ausreichend umgesetzte Planung zur generalistischen Ausbildung.
Anja Herzog setzt sich im Slam: „Über die Notwendigkeit der Kommunikation in der Grundpflege“ mit herausforderndem Verhalten auseinander. In Anja wird bei Herausforderung die Fachkraft hervorgekitzelt und nichts ist schöner, als über spezielle Kommunikationstechniken einen Menschen dort abzuholen, wo er sich gerade befindet.
Der letzte Auftritt erfolgt.
Auf der Bühne steht die Narkoseschwester Mathias Düring. Mit einer fröhlichen Lockerheit führt er uns „Durch den Tag einer Narkoseschwester“. Er gewinnt indem er erklären kann, dass der Weg zu einer guten Narkose von Hindernissen begleitet wird. Seine Art und Weise ist ansteckend und so bekommt das Publikum, ein Herz für die Krankheit: Morbus Maskulinum. Männer, die schon beim Legen eines Zugangs liegen. Doch Mathias wäre nicht Narkoseschwester, wenn er nicht alles mit Fassung tragen würde.
Es erfolgen der Applaus und die Verneigung. Alle sind glücklich. Einige gehen sofort nach Hause, andere wiederum verbleiben noch eine Weile im Theater. Für Yvonne Falckner beginnt der Abbau. Wohlwissend, dass sie vor dem nächsten CareSlam am 23.07.2016 in Berlin wieder für 5 Tage im Dauerstress leben wird, aber das Thema Pflege ist es ihr wert.
Youtube:
Schiffsfahrt zum Zelt – (C) Thorsten Strasas
Andreas Westerfellhaus beim dritten CareSlam am 02.04.2016 in Berlin – (C) Thorsten Strasas
CareSlam- Entdeckung Sabrina Maar, Auszubildende im ersten Lehrjahr zur Altenpflegerin – (C) Thorsten Strasas