Ein Bauch lustwandelt durch Wien

20. Januar 2021 | Rezensionen | 0 Kommentare

Haben Sie eine Idee, wie Sie einem Ort, den Sie mögen, die Liebe erklären kann? Es gibt Menschen, die Musik in und zu diesem Ort komponieren. Es gibt Menschen, die beeindruckende Fotografien und Malereien in und zu diesem Ort schaffen. Und es gibt diejenigen, die ein Buch schreiben, das die ganz ureigene Beziehung zu diesem Ort abbildet. Der Sterne-Koch Vincent Klinik hat auf mehr als 380 Seiten seine Liebe zur österreichischen Hauptstadt Wien erklärt. So lässt er teilhaben an seiner emotionalen Zuneigung zu der Kaiserstadt an der Donau. Und er macht es auf seine wirklich eigene Weise.

Vincent Klink nimmt die Leserinnen und Leser auf seine Spaziergänge durch Wien mit. Dabei erscheinen die Straßen und Gebäude nicht nur bildlich den Leserinnen und Lesern vor den eigenen Augen. Er fängt Stimmungen auf, lässt daran teilhaben. Sein Interesse an Geschichte wird deutlich, wenn er zu vielen Orten Wiens detailliert und engagiert zugleich Historisches erzählt. Wie könnte es für einen Menschen, der seine Leidenschaft für das Essen und das Trinken zu seinem Beruf gemacht hat, anders sein? Klink nimmt die Leserinnen und Leser in die Kaffeehäuser, die Restaurants und die Hotels der Stadt mit. So ist das Buch „Ein Bauch lustwandelt durch Wien“ nicht nur ein Reiseführer, sondern vor allem ein Gourmet-Führer.

Wer mit Klink durch Wien unterwegs ist, dem werden Durst und Hunger fremd sein. Viele gemütliche Ecken kennt der Sterne-Koch. Es sind nicht nur diejenigen Orte, zu denen ein prallgefülltes Portemonnaie mitgenommen werden muss. Es sind diejenigen Gasthäuser und Treffpunkte, wo das Herz Wiens authentisch schlägt, die Seele der österreichischen Hauptstadt wahrhaftig spürbar wird.

Schön ist es zu lesen: „Die Wiener gelten von ferne betrachtet als träge, und sie lieben gedehnte Gemütlichkeit. Letztlich ist dies aber eine Art von Heimtücke, denn in Wahrheit sind sie nachdenklich, meiden Turbulenzen und erzielen mit ihrem Ritardando oft bessere Ergebnisse als wir deutschen Hektiker“ (S. 9). Das Laissez-Faire wohne auf angenehme Weise dem Volk inne. Man frage sich, wo die Wiener die Zeit her nähmen, „um sich außerhalb der Arbeit und der Wohnung ebenso behaust zu fühlen“ (S. 11).

Mit dem Buch „Ein Bauch lustwandelt durch Wien“ im Rucksack fühlt man sich gut begleitet durch Wien. Klink geht mit interessierten Menschen durch die signifikanten Straßen und Gassen Wiens, weiß oft zu Gebäuden Geschichten zu erzählen, die mal mehr, mal weniger interessant sind. Er begleitet in die Silberkammer der Hofburg und in den Stephansdom, über die Ringstraße und auf den Heldenplatz. Über das Hotel Sacher weiß er genauso launig zu plaudern wie über das rote Wien. Aus bald jedem Wort drängt sich der Charme Wiens auf.
In der heimatlichen Ferne können die Wien-Begeisterten, die Klinks Buch in die Hand nehmen, zahlreiche Rezepte nachkochen. So wird Reiselust natürlich lebendig, doch kann es vielleicht darüber hinweghelfen, die Sehnsucht nach der Donau-Stadt etwas in den Griff zu bekommen. Vieles an dem Buch wirkt unaufdringlich, so auch die vielen Fotografien, die Klink irgendwo in Wien zeigen. Wenn es um die Zubereitung eines echten Wiener Schnitzels oder eines Wiener Gulaschs geht, dann hört man das Herz Klinks und der Stadt schlagen. Klink schreibt ganz liebevoll: „Die Wiener sind zwar schnell im Kopf, begehen jedoch den Alltag in vernünftigem Adagio, also grad so, dass man nicht merkt, wie langsam sie sind. Gut Ding will eben Weile haben. Ich finde ja ohnehin, die Liebe zu stundenlang siedendem Fleisch und damit auch zu vor sich hin schmorendem Gulasch ist Teil des sehr vernünftigen Lebensstils der Ösis. So gesehen ist auch das Gulasch ein Triumph der Langsamkeit“ (S. 177). Dem ist wirklich nichts mehr hinzuzufügen.

Autor

  • Christoph Mueller

    Christoph Müller, psychiatrisch Pflegender, Fachautor, Mitglied Team "Pflege Professionell", Redakteur "Psychiatrische Pflege" (Hogrefe-Verlag) cmueller@pflege-professionell.at