Gewöhnlich gelten die Adventszeit und die Weihnachtsfeiertage als die stillen Tage im Jahr. Zumindest bei denjenigen Menschen, die sich von der Hektik und dem Stress um sich herum nicht anstecken lassen. Im Krankenhaus oder im Pflegeheim stellt sich in dieser Zeit auch die Frage, wie die Akustik zur klinischen Atmosphäre beiträgt. Die Pflegewissenschaftlerin Charlotte Uzarewicz schreibt in diesen Tagen, pflegerische Arbeit sei soziale Interaktion und leibliche Kommunikation gleichzeitig. Wörtlich: „Pflegende und zu Pflegende sehen sich, sprechen miteinander und berühren sich. Die Atmosphäre, der Blick, die Stimme, der Händedruck sind dabei Medien für Mitteilungen auf leiblicher Ebene … Der Ton macht die Musik“ (S. 317/318).
Wieder einmal wird offensichtlich, dass es die kleinen Szenen des Alltags sind, die offene Wunden oder die Authentizität pflegerischen Handelns zeigen. Der Alltag auf einer Station hat selten etwas von den stillen Tagen im Dezember oder zwischen den Jahren. Geschäftigkeit und Trubel nehmen allen Beteiligten oft die Luft, die nötig ist, um im Alltag zu überleben. Zu unbedacht erledigen wir die tägliche Arbeit, können uns gar nicht vorstellen, dass das laute Einräumen von Tabletts oder das Rufen einer Kollegin zur Atmosphäre beiträgt. Und natürlich auf die Menschen wirkt, die zur Versorgung im Krankenhaus sind.
Es lohnt sich, so glaube ich, einmal das eigene Kommunikationsverhalten im pflegerischen Alltag unter die Lupe zu nehmen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es einen Unterschied macht, wie ich einen psychiatrisch veränderten Menschen zur Medikamenteneinnahme auffordere. Welchen Eindruck macht es auf einen Menschen, wenn ich quer über den Stationsflur rufe, dass sie oder er noch Medikamente einzunehmen habe und doch zügig den Weg zum Dienstzimmer suchen soll? Gibt es da einen Unterschied zu einem freundlichen Zugehen, das darin gipfelt, dass sie oder er zu einem Gang Richtung Medikamentendispenser ermuntert wird?
Eine Antwort kann sich jede, jeder selbst geben. Dies hat nichts Moralisches, sondern soll die eigenen Sinne schärfen und die Sensibilität dafür erhöhen, wie gerade zu Pflegende den Alltag in einer Klinik oder in einem Wohnheim erleben. Im Nachspüren nach der Akustik auf einer Station oder in einem Wohnbereich geben sich auch Pflegende die Chance, dem eigenen Empfinden nachzuspüren. Natürlich sind Menschen unterschiedlich und haben ebenso vielfältige Bedürfnisse. Doch tut es Menschen nicht gut, wenn sie sich ständig in einem Umfeld bewegen, das von Unruhe bestimmt wird.
Wenn ich mir vorstelle, dass ich den ganzen Tag in einem Bett liegen muss, dann fühle ich mich nicht nur aufgrund des Gefesseltseins an die Matratze unwohl. Vielmehr kann ich mir vorstellen, dass ich viele Geräusche, die ich außerhalb des Zimmers wahrnehme, in dem ich liege, ganz anders wahrnehme. Eine solche Situation bietet die Gelegenheit, die Dinge um mich herum viel sensitiver wahrzunehmen und in der Wirkung viel stärker aufzunehmen.
Da bekommt das Messer, das beim Aufräumen auf der Station auf den Boden fällt, eine ganz andere Wirkung. Das Aufprallen auf dem Boden wird vielleicht lauter und sicher schärfer und einprägender gehört. Wenn dabei noch geflucht wird, wird aus einer Lappalie möglicherweise ein im besten Sinne einschneidendes Ereignis.
So will ich ermutigen, die Akustik etwas mehr im Blick zu haben. Zum eigenen Wohl und zum Wohl derer, die uns anvertraut sind.
Literatur
Charlotte Uzarewicz: Hörbare Pflege? Der Beitrag der Akustik zur klinischen Atmosphäre (S. 305-326). In B. Wolf & C. Julmi (Hrsg.) (2020): Die Macht der Atmosphären. Freiburg im Breisgau: Karl Alber.