„Der Clown als Hofnarr“
Auf den ersten Blick wirkt es für einige Menschen albern. Es scheint situativ unangemessen, sich als Geriatrie-Clown in einem Pflegeheim zu engagieren. Jemand, der angetreten ist, den Gegenbeweis zu liefern, ist der Altenpfleger und Geriatrie-Clown Dieter Löffler. Mit dem Buch „Der Clown und das Pflegeheim“ gewährt er nicht nur Einblicke in das eigene Tun. Es dokumentiert auch eine Studie, die Löffler im Rahmen eines weiterbildenden Studiums durchgeführt hat. Dabei geht es Löffler nicht bloß darum, die Sinnhaftigkeit des eigenen Handelns zu unterstreichen. Differenziert setzt er sich mit den ethischen Aspekten des Clownspiels auseinander.
Die Corona-Pandemie hat während der Zeit der Löfflerschen Forschungen eine wesentliche Rolle gespielt. Es erweckt den Eindruck, dass durch diese Gegebenheit manche wesentlichen Botschaften des Clownspiels in besonderer Weise zu Tage getreten sind. Auch bei Begrenzungen von Kontakten haben Geriatrie-Clowns ihre Arbeit in dem Pflegeheim getan, das Löffler für die Studienarbeit genutzt hat. Statt über die Wohnbereiche zu gehen, haben die Clowns auf Balkonen und im Garten gespielt. Löffler betont in diesem Zusammenhang: „Der Clown kann hier metaphorisch im Sinne eines Hofnarren gesehen werden, der eine gesellschaftliche Ordnung und Verordnung nicht fraglos hinnehmen möchte“ (S. 130).
Mit dem Blick auf seine forschende Arbeit zeigt Löffler auf, was die Arbeit von Clowns von der Pflegearbeit unterscheidet. Dabei orientiert er sich an den Phänomenen der Qualität der Begegnung und der Berührung im Clownspiel. Sie beeinflussten maßgeblich die Art und Weise, „wie ein pflegebedürftiger und möglicherweise dementiell erkrankter Bewohner interagieren und sich dabei selbst bestätigen kann“ (S. 130). In der Pflege wie im Clownspiel zeige sich, „dass jede einzelne Berührung … eine bestimmte Qualität von Achtung mit sich bringt“ (S. 131).
Es beeindruckt schon, dass Löffler großen Wert auf den Begriff der Achtung legt. Die Achtung eines pflegebedürftigen Menschen stehe mit der respektvollen Behandlung in Verbindung. In Anlehnung an den jüdischen Philosophen Martin Buber postuliert Löffler eine dialogische Ethik, die besage, „dass eine Ich-Identität erst durch die Erfahrung mit der Mitwelt, mit dem Du entsteht“ (S. 39). Wenn Löffler in dieser Weise argumentiert, dann zeigt sich, dass das Clownspiel, aber auch die Pflege-Arbeit immer auch mit einer inneren Haltung und einer Arbeit an einer inneren Haltung zum Menschen und zum Tun verbunden ist.
Löffler warnt unter anderem vor einem Missverständnis. Clown sei nicht gleich Clown. Wenn es nur darum gehe, „im Altenpflegeheim lustig auf die Nase zu fliegen“ (S. 45), könne dies gegen die Achtung des pflegebedürftigen Menschen verstoßen. Sicher hätte Löffler dies noch auf einer anderen Ebene reflektieren können. Einen Clown-Charakter zu entwickeln, bedeutet eine mühevolle und lang dauernde Arbeit, bis sich eine Persönlichkeit zeigt. Als professionell Tätige sind Pflegende sicher auch aufgefordert, ein ureigenes Pflegeverständnis zu entwickeln.
Das Buch „Der Clown und das Pflegeheim“ zeigt, dass sowohl die Arbeit als Geriatrie-Clown als auch als professionell Pflegender grundsätzlich auf Wechselseitigkeit zwischen Menschen angelegt ist. Es gibt unverzichtbare Hinweise, dass es nicht um den Klamauk geht, sondern um ein tieferes Verständnis der eigenen Persönlichkeit und des eigenen professionellen Tuns. Ein wertvoller Beitrag zu einem weiteren Diskurs.
Dieter Löffler: Der Clown und das Pflegeheim – Wie passt denn das zusammen?, HCD-Verlag, Tuttlingen 2021, ISBN 978-3-938089-39-2, 159 Seiten, 15.80 Euro.