Dementiell veränderten Menschen zu begegnen ist für Angehörige wie professionell Helfende eine Aufgabe. Den Betroffenen gelingt es kaum mehr, situationsangemessen mit der sozialen Umgebung in Kontakt zu treten. Deshalb ist es wichtig, dass Angehörigen wie professionell Helfenden die Gelegenheit gegeben wird, Sensibilität für den alltäglichen Umgang mit dementiell veränderten Menschen zu entwickeln. Der „beziehungsorientierte Ansatz“ ist ein Versuch, sich diesem Ziel anzunähern. Schnell wird klar, dass der Pflege-Experte Sebastian Kraus nicht nur eine Methode entwickelt. Der „beziehungsorientierte Ansatz“ stellt sich auch als Ausdruck einer Grundhaltung dar, mit der begleitende und helfende Menschen denjenigen begegnen, die die Bodenhaftung durch Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit verloren haben.
Kraus macht schon früh deutlich, was er will: „Ein begegnungsorientierter Ansatz wird die Antworten auf bestimmte situative Reaktionen und Begegnungsangebote unseres Gegenübers vielmehr in der Interaktion und Begegnung mit dem Anderen suchen. Es geht womöglich weit weniger … darum, einzelne Verhaltensregeln im Umgang mit Menschen mit Demenz zu erlernen und uns selbst in der Interaktion an bestimmten Techniken und Methoden zu orientieren. Viel entscheidender ist vielleicht, die Bedürfnisse und Mitteilungen unseres Gegenübers in der Begegnung wahrzunehmen und im gleichen Zug in den eigenen Handlungen und Begegnungsangeboten authentisch und dabei für den Anderen lesbar zu sein“ (S. 9).
Wenn jemand den beziehungsorientierten Ansatz sympathisch für die eigene pflegerische Praxis empfindet, so muss derjenigen oder demjenigen bewusst sein, dass eine Spurensuche beginnt. Jene Spurensuche verlangt von häuslich oder auch professionell Helfenden eine große Aufmerksamkeit und viel Empathie für ein dementiell verändertes Gegenüber. Kraus` Buch lässt den Atem einer langen pflegerischen Praxis spüren, wenn er ermuntert, situativen Ursachen und Erscheinungsformen von herausforderndem Verhalten auf den Grund zu gehen, um dem Einsatz von Psychopharmaka zur Verhaltensmodifikation und Aggressionen entgegenzuwirken.
Der Optimismus seiner Worte steckt an. Kraus schreibt über das Lernen in Begegnungen. Sein Ziel sei es, „eine Haltung zu finden, die es uns erlaubt, die Begegnungsangebote des Anderen und die darin zum Ausdruck kommenden Bedürfnisse zu lesen und im Gegenzug selbst für unser Gegenüber lesbar zu sein“ (S. 23).
Vieles, das Kraus schreibt, klingt so banal. Letztendlich sind die Einsichten, die er vermittelt, auch keine großen neuen Erkenntnisse. Ihm gelingt es in dem Buch, die Handlungsoptionen von begleitenden Menschen auf das Wesentliche hin zu definieren und von einer Funktionalität wegzuführen.
Das Buch „Der beziehungsorientierte Ansatz bei Menschen mit Demenz“ dekliniert die Begegnungen von dementiell veränderten Menschen mit ihrer sozialen Umgebung bis auf den Kern. Was der Pflege-Experte Kraus auf den Punkt bringt, sollte vielen Pflegenden und auch häuslich begleitenden Menschen eine Aufforderung sein, die Beziehungsarbeit als den eigentlichen Auftrag zu erkennen. Gut so …
Sebastian Kraus: Der begegnungsorientierte Ansatz bei Menschen mit Demenz – Wahrnehmen, erkennen, begegnen, Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-17-036977-1, 197 Seiten, 29 Euro.