Depression

26. Juni 2021 | Rezensionen | 0 Kommentare

Mit einer Depression haben viele Menschen zu kämpfen. Die Schriftstellerin Zoe Beck gehört auch zu ihnen. In dem Buch „Depression“ berichtet sie von diesem Leiden – ganz subjektiv. Und ganz objektiv klärt sie über diese Störung der eigenen Affekte auf. Es gelingt ihr, die Balance zu halten zwischen dem Mitteilen persönlicher Erfahrungen und dem sachlichen Report über eine seelische Erkrankung, die viel Leid in das Leben Einzelner und ihres sozialen Umfelds bringt.

„Wie und wann alles anfing, ist schwer zu sagen“, schreibt Beck. Dabei beschreibt sie das Aufkommen und Entstehen der Depression nicht als schleichenden Prozess, sondern als etwas, das irgendwie lange Zeit schon da war. Nicht anders ist zu erklären, dass sie schon in der Kindheit und Jugend ein Gefühl der Nicht-Zugehörigkeit empfunden hat. Konkret schreibt Beck: „Gleichaltrigen gegenüber fühlte ich mich fehl am Platz, Mannschaftssport löste Beklemmungen aus, aber auch der Ort, an dem ich aufwuchs – irgendwie passten wir nicht zueinander. Alles wirkt falsch und fremd, nicht einmal in der Familie fand ich meinen Platz und kam mir wie ein störender Fremdkörper vor“ (S. 5).

Viele Menschen, die die Erfahrung einer Depression machen oder gemacht haben, werden die Gefühle kennen, die Beck in dem Buch beschreibt. Das Angenehme ist, dass sie die Erfahrung einer fehlenden seelischen Balance nicht zu einem Spektakel macht. Die Depression kommt in dem Buch als etwas Alltägliches daher – auf das jede Betroffene und jeder Betroffener natürlich gerne verzichten kann.

Auch Angehörige psychisch erkrankter Menschen werden mit diesem Buch einen Zugang zum depressiven Erleben finden. Denn Beck schafft es, durch die unterschiedlichen Phasen ihres Lebens hindurch die eigenen Empfindungen eindrücklich nachzuerzählen. Was Mediziner_innen und Psychotherapeut_innen gerne in Klassifikationssysteme einordnen, lässt Beck „erlebbar“ machen. Es stimmt nachdenklich, wenn sie schreibt: „Ich kannte es nicht anders. Ich wusste nicht, wie sich andere Menschen fühlen. Es gab keine Referenz in meinem eigenen Empfinden, kein „Aber irgendwann habe ich mich richtig gut gefühlt“ (S. 6)“.

So wie sich Beck von der einen in die andere Phase des persönlichen Lebens vorarbeitet, so legt sie in aller Sachlichkeit und Deutlichkeit dar, was eine Depression eigentlich ist. Sie beginnt mit der „Annäherung an eine Krankheit“, nennt die Angst „die beste Freundin der Depression“. Sie schreibt über die Diagnose und die Therapie einer depressiven Erkrankung. Dabei verschweigt sie nicht, dass die Erkrankung von einer Todessehnsucht begleitet wird. Und sie setzt ein deutliches Signal in die zeitgenössische Gesellschaft. Während manche Menschen den Eindruck vermitteln, eine Depression habe etwas mit dem Life-Style zu tun und gehöre zum guten Ton, Beck betont, dass eine Depression eine lebensgefährliche Erkrankung ist.

Dass Beck das Buch mit einem Kapitel abschließt, in dem es vor allem darum geht, wie man mit einer Depression leben kann, zeigt, dass es auch Perspektiven trotz dunkler Erfahrungen gibt. Beck bringt es eindrucksvoll auf den Punkt: „Zu lernen, dass die eigenen Gedanken und Empfindungen während dieser Zeit schlichtweg lügen und betrügen, dass man sich auf sich selbst nicht verlassen darf, ist schwierig und dauert“ (S. 89).

Becks Buch gehört unbedingt in die Hände derjenigen, die an einer Depression leiden. Sie finden sich wieder. Und es ist eine große Hilfe für diejenigen, die um Betroffene herum leben.

 

Zoe Beck: Depression, Reclam-Verlag, Ditzingen 2021, ISBN 978-3-15-020575-4, 102 Seiten, 10 Euro.

Autor:in

  • Christoph Mueller

    Christoph Müller, psychiatrisch Pflegender, Fachautor, Mitglied Team "Pflege Professionell", Redakteur "Psychiatrische Pflege" (Hogrefe-Verlag) cmueller@pflege-professionell.at