Im Zuge der Koalitionsverhandlungen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sollen die Fortsetzung beziehungsweise die Errichtung der beruflichen Selbstverwaltung von Pflegenden zur Disposition gestanden haben. Während in Schleswig-Holstein der eingeschlagene Weg einer vollständigen Selbstverwaltung in Form einer Landespflegekammer nunmehr weiter beschritten wird, einigten sich die neuen Koalitionäre in Nordrhein-Westfalen darauf, eine Interessensvertretung der Pflegenden zu errichten. Wie genau diese ausgestaltet sein wird, bleibt zunächst offen.
„Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Pflegenden in Schleswig Holstein auch weiterhin auf eine starke und institutionalisierte Interessenvertretung bauen können. Die Koalition in Kiel setzt den Aufbau der dortigen Landespflegekammer fort und beweist, dass die Notwendigkeit einer beruflichen Selbstverwaltung in der Pflege über Parteigrenzen hinweg erkannt werde. Damit setzt die neue Landesregierung das richtige Signal“, betont Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz.
Auch in Nordrhein-Westfalen ist die Etablierung einer Interessenvertretung für die Pflegenden im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden. Analog zum Aufbau der rheinland-pfälzischen Pflegekammer wird zuerst eine Befragung unter den Pflegenden durchgeführt.
„Es ist gut, dass die Idee einer Interessenvertretung für die Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde. Es besteht jedoch ein großer Unterschied zwischen einer Schmallspurvertretung wie in Bayern praktiziert und einer echten Selbstverwaltung“, kommentiert Mai den Ausgang der Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf und ergänzt: „Wir setzen darauf, dass auch in NRW eine echte Pflegekammer aufgebaut wird, um den Pflegenden volle Gestaltungsmöglichkeiten zu garantieren. Eine finanziell unselbstständige Lösung, wie die „Vereinigung der bayerischen Pflege“, ist immer anfällig für den Einfluss von pflegefremden Interessen. So kann keine umfassende Interessenvertretung der Pflegenden sichergestellt werden“.
Das Konstrukt einer „Vereinigung der bayerischen Pflege“ widerspricht der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der Pflegeberufe – anders als in Rheinland-Pfalz, wo der Gesetzgeber genau das Gegenteil auf den Weg gebracht hat. Mit der rechtlichen Verankerung der Landespflegekammer in das rheinland-pfälzische Heilberufsgesetz ist die Pflege, politisch wie juristisch, deutlich sichtbar als Heilberuf gesetzt und im Gesundheitswesen gleichberechtigt neben anderen Akteuren.
Eine Mitgliedschaft, oder auch nur ein Mitwirken der bayerischen Pflegevereinigung in einer Bundespflegekammer ist mit dem derzeit vorgestellten Aufbau und dem Einfluss von Arbeitgeberseite nicht denkbar. Damit wäre eine bayerische Vertretung in einer Bundespflegekammer nicht gegeben.
„Es wäre schade, wenn mit Nordrhein-Westfalen das einwohnerstärkste Bundesland bei einer Bundespflegekammer nicht mitwirken könnte, weil es nicht über eine umfassende und absolut unabhängige berufliche Selbstverwaltung verfügt“, weist Mai auf die Problematik hin. „Das bayerische Modell ist ein Irrweg und der Versuch der Politik, der Pflege ein Trostpflaster ohne Wirkung zu verpassen“, so Mai. Insbesondere die bundespolitischen Entwicklungen zur Pflegeausbildung und zur Mindestpersonalvorgaben zeigen die dringende Notwendigkeit einer starken Vertretung beruflicher Pflege auf Bundesebene.
„Gemeinsam mit Vertretern des Deutschen Pflegerates und Vertretern der sich im Aufbau befindlichen anderen Landespflegekammern sowie weiterer Gruppen, soll daher noch im Spätsommer die erste Sitzung der Gründungskonferenz stattfinden. Die Kolleginnen und Kollegen in ganz Deutschland verdienen eine starke Stimme, dafür braucht es echte Kammern“, so Mai.
Mai steht für Fragen zur Bundespflegekammer und der Bewertung der unterschiedlichen Ideen zur Kammerbildung neben Kolleginnen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein am 21. Juni von 9:00 – 10:30 Uhr auf dem Hauptstadtkongress bei der Veranstaltung „Pflegekammer in drei Bundesländern – (wann) kommt die Bundespflegekammer?“ gerne persönlich zur Verfügung.
Hintergrund: Mit der einstimmigen Verabschiedung des Heilberufsgesetzes durch den rheinland-pfälzischen Landtag im Dezember 2014 ist die Landespflegekammer errichtet worden. Seit dem 01. Januar 2016 haben die Pflegenden im Land damit eine kraftvolle Interessenvertretung erhalten. Die Landespflegekammer mit ihren gewählten Vertreterinnen und Vertretern nimmt die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der Mitglieder wahr.
Die Vertreterversammlung hat in der Sitzung vom 02. März 2016 den Vorstand der Landespflegekammer gewählt. Präsident der Kammer ist Dr. Markus Mai. Zur Vizepräsidentin wurde Frau Sandra Postel gewählt. Die weiteren Mitglieder des Vorstandes sind Andrea Bergsträßer, Hans-Josef Börsch, Angelika Broda, Karim Elkhawaga, Esther Ehrenstein, Renate Herzer und Christa Wollstädter.