DE: Pflegende Angehörige sind überlastet

8. Juli 2020 | Covid19, Demenz, News Deutschland, Pflegende Angehörige | 0 Kommentare

Die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 und von COVID-19 haben auch erhebliche Folgen für die Versorgung pflegebedürftiger Menschen. In Deutschland werden drei Viertel der über drei Millionen pflegebedürftigen Menschen zu Hause versorgt, viele von ihnen durch ihre Angehörigen. Ohne ihren Einsatz wäre die Versorgung nicht zu bewältigen. Insgesamt pflegen etwa 4,7 Millionen Menschen in Deutschland einen Angehörigen.

Bereits vor der Corona-Pandemie waren pflegende Angehörige physisch und vor allem psychisch teilweise stark belastet. Die oft sehr aufwendige häusliche Pflege kann viel Kraft kosten und mitunter zu Konflikten führen – gerade auch bei der Betreuung von Menschen mit Demenz. Eine ZQP-Befragung von pflegenden Angehörigen zeigt nun, dass viele Angehörige in der Pandemie mit belastenden Gefühlen und Konflikten kämpfen. Außerdem stehen viele Angehörige vor der zusätzlich erschwerten Aufgabe, Beruf und Pflege miteinander zu vereinbaren.

Die Corona-Pandemie fordert pflegenden Angehörigen nun zusätzlich immens viel ab. Um sie zukünftig besser unterstützen zu können, sind Erkenntnisse zu Herausforderungen und Belastungen, die sie im Zuge der aktuellen Situation erleben, äußerst wichtig. Das ZQP hat dazu zum einen das Angebot Krisenerfahrung teilen initiiert. Um zu untersuchen, welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf pflegende Angehörige und die häusliche Pflegesituation hat, haben das ZQP und die Charité – Universitätsmedizin Berlin im Frühjahr 2020 eine quantitative Untersuchung durchgeführt.

Befragung pflegender Angehöriger

Das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) hat gemeinsam mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin in einer Studie untersucht, welchen Einfluss die SARS-CoV-2-Pandemie bisher auf pflegende Angehörige und die häusliche Pflegesituation hat. Dafür wurden bundesweit 1.000 pflegende Angehörige zwischen 40 und 85 Jahren in Deutschland befragt, die seit mindestens sechs Monaten regelmäßig eine pflegebedürftige Person über 60 Jahre versorgen.

Herausforderungen in der COVID-19-Pandemie

Die Pandemie stellt pflegende Angehörige vor große Herausforderungen. Rund ein Drittel der pflegenden Angehörigen erlebt eine Verschlechterung der Pflegesituation. 24 Prozent sind besorgt, die Pflege in der aktuellen Lage nicht mehr zu schaffen. Besonders belastend ist die Situation für Angehörige von Menschen mit Demenz. Und auch die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege gestaltet sich teilweise schwieriger.

Zentrale Ergebnisse

Einige wichtige Ergebnisse der Studie sind:

Psychosoziale Belastungen pflegender Angehöriger

  • 32 Prozent der Befragten berichten, dass sich ihre Pflegesituation angesichts der Pandemie verschlechtert hat.
  • 24 Prozent sind besorgt, die häusliche Pflege nicht mehr zu schaffen.
  • Ein Viertel gibt an, dass sie diese Situation mehr oder weniger überfordert.
  • Bei 29 Prozent der Angehörigen haben Gefühle der Hilflosigkeit, bei 22 Prozent Verzweiflungsgefühle und bei 20 Prozent Gefühle von Wut und Ärger in der Pflegesituation zugenommen.
  • Eine Steigerung belastender Konflikte mit der pflegebedürftigen Person geben 24 Prozent an.

Pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz berichten sogar noch häufiger von einer Zunahme belastender Gefühle als die übrigen Befragten.

  • Der Wert für Gefühle der Verzweiflung liegt beispielsweise 14 Prozentpunkte, der Wert für Gefühle der Hilflosigkeit 13 Prozentpunkte höher.
  • In Bezug auf Wut und Ärger in der Pflegesituation liegt die Differenz zwischen beiden Gruppen bei 10 Prozentpunkten.
  • 35 Prozent dieser Angehörigen sind in Sorge, die häusliche Pflege in Folge der Entwicklungen durch das neue Corona-Virus nicht mehr zu schaffen.

Pflege- und Unterstützungssituation während der Corona-Pandemie

  • 40 Prozent der pflegenden Angehörigen sehen sich Mehrbelastungen ausgesetzt, da Dienstleistungen und Hilfestrukturen im nahen Wohnumfeld wegfallen.
  • Tagespflegeeinrichtungen konnten in 81 Prozent der Fälle nicht mehr genutzt werden.
  • Rund zwei Drittel geben an, dass die Unterstützung durch Dienstleister, etwa die Fußpflege, abgenommen oder aufgehört hat.
  • Auch die die Unterstützung durch Nachbarn (43 Prozent), Freunde und Familienmitglieder (32 Prozent) oder den Hausarzt (30 Prozent) hat in vielen Fällen abgenommen oder aufgehört.
  • Ein Fünftel gibt an, dass ein ambulanter Pflegedienst seltener oder gar nicht mehr genutzt worden ist.

Vereinbarkeit von Beruf und Pflege

  • 45 Prozent der erwerbstätiger pflegenden Angehörigen geben an, dass die Pandemie-Situation die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege für sie noch schwieriger gemacht hat.
  • Bei den Erwerbstätigen, die einen Angehörigen mit Demenz versorgen, sagen dies sogar 56 Prozent.
  • 28 Prozent der Befragten arbeiteten zum Befragungszeitpunkt mehr als sonst oder ausschließlich im Home-Office.
  • 13 Prozent sagen, dass sie wegen der Corona-Situation stark oder sehr starke Sorge um ihre berufliche Zukunft haben.
  • In der Einkommensgruppe mit einem monatlichen Bruttoeinkommen unter 2.000 Euro sagen dies sogar 20 Prozent.

Umsetzung von Maßnahmen zur Infektionsprävention

  • 96 Prozent der Befragten gelingt es nach eigener Einschätzung gut oder sehr gut auf Händehygiene zu achten.
  • Beim Vermeiden von herzlichem Körperkontakt mit der pflegebedürftigen Person – etwa Umarmungen oder Küsse – gelingt dies weniger Befragten gut oder sehr gut (73 Prozent).
  • Deutlich über ein Drittel der Befragten gibt an, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zum Beispiel bei der Körperpflege könnten sie eher oder gar nicht gut umsetzen.
  • 44 Prozent haben Probleme damit, sich selbst nicht ins Gesicht zu fassen.

Autor:in

  • Markus Golla

    Studiengangsleiter "GuK" IMC FH Krems, Institutsleiter Institut "Pflegewissenschaft", Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall)