Neue Ausbildungs- und Prüfungsverordnung durch Arbeitgeberinteressen verwässert – Altenpflege wird so endgültig zum Pflegeberuf zweiter Klasse
Die am 13. Juni 2018 vom Bundeskabinett verabschiedete Ausbildungs- und Prüfungsverordnung wird von Kammerpräsident Dr. Markus Mai als vertane Chance bezeichnet. „Wir sehen die verabschiedeten Regelungen mit Sorge. Insbesondere die Anforderungen in der Altenpflegeausbildung richten sich nicht nach den Maßgaben einer qualitativ hochwertigen Pflege für Pflegebedürftige, sondern nach dem Verlangen der Arbeitgeberseite nach billigen Arbeitskräften in der Altenpflege“, quittierte Mai Teile der Verordnung.
Die nun verabschiedete Ausbildungs- und Prüfungsverordnung ist ein wesentlicher Teil der Pflegeberufereform, die eine gemeinsame Ausbildung der drei Pflegeberufe in den ersten beiden Ausbildungsjahren vorsieht. Dieses Kernelement stellt bereits einen Kompromiss zwischen Arbeitgebervertretern und Pflegefachverbänden sowie der Pflegekammer Rheinland-Pfalz dar. Letztere fordern eine vollständig generalistische Ausbildung in der Pflege, um den deutschen Sonderweg einer Dreiteilung des Pflegeberufes endlich zu beenden. Nur so könne die deutsche Pflegeausbildung international Anschlussfähig und die strukturelle Benachteiligung der Altenpflege aufgebrochen werden.
„Wir haben aufgrund des demographischen Wandels und des medizinischen Fortschritts die Situation, dass wir auf der einen Seite mit einer steigenden Anzahl an Pflegefällen konfrontiert sind. Auf der anderen Seite werden die einzelnen Fälle auch immer komplexer. Damit wächst auch der Anspruch an eine professionelle Pflege. Wenn der Bundesverband privater Anbieter besorgt ist, dass es viele Hauptschüler zukünftig nur noch bis zur Zwischenprüfung schaffen können, wenn die Ausbildung an den Anforderungen der modernen, professionellen Pflege orientiert wäre, dann muss ich Ihnen sagen: Ja, und das wäre richtig so. Denn der Pflegeberuf ist hochkomplex und anspruchsvoll. Eine zukunftsfähige Ausbildung muss diesen Ansprüchen genügen“, kommentiert Mai Äußerungen des bpa-Präsidenten Bernd Meurer.
Die Landespflegekammer sieht im Kabinettsentwurf der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung, insbesondere im Bereich der Spezialisierung auf die Altenpflege, gravierende Abweichungen zum ursprünglichen Entwurf. So wurde etwa der Passus, dass Absolventen „das Pflegehandeln kontinuierlich auf der Basis von vielfältigen oder spezifischen pflegewissenschaftlichen und bezugswissenschaftlichen evidenzbasierten Studienergebnissen, Theorien, Konzepten und Modellen“ begründen und reflektieren können müssen, ersatzlos gestrichen.
„Solange die Entscheidungsträger in Berlin die elementaren Bestandteile einer an Versorgungsqualität ausgerichteten Pflegeausbildung den wirtschaftlichen Interessen von Arbeitgeberverbänden preisgeben, kann eine zukunftsfähige Pflegeausbildung nicht gewährleistet werden. Wir werden die Beratungen der Vorlage in Bundestag und Bundesrat kritisch begleiten und stehen für alle Fraktionen als Partner in der Pflegepolitik bereit“, so Mai abschließend.
Hintergrund: Mit der einstimmigen Verabschiedung des Heilberufsgesetzes durch den rheinland-pfälzischen Landtag im Dezember 2014 ist die Landespflegekammer errichtet worden. Seit dem 01. Januar 2016 haben die Pflegenden im Land damit eine kraftvolle Interessenvertretung erhalten. Die Landespflegekammer mit ihren gewählten Vertreterinnen und Vertretern nimmt die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der Mitglieder wahr.
Die Vertreterversammlung hat in der Sitzung vom 2. März 2016 erstmals den Vorstand der Landespflegekammer gewählt. Präsident der Kammer ist Dr. Markus Mai. Zur Vizepräsidentin wurde Sandra Postel gewählt. Die weiteren Mitglieder des Vorstandes sind aktuell Prof. Dr. Anderl-Doliwa, Andrea Bergsträßer, Hans-Josef Börsch, Esther Ehrenstein, Renate Herzer, Oliver Weidig und Christa Wollstädter.