DE: Häusliche Pflege unter Corona: Empfehlungen aus der Wissenschaft

5. Februar 2021 | Covid19, News Deutschland, Pflegende Angehörige | 0 Kommentare

Prof. Dr. Annett Horn vom Fachbereich Gesundheit arbeitete an einer Leitlinie zur häuslichen Versorgung von Menschen mit Pflegebedürftigkeit in der Pandemie mit. Welche Empfehlungen daraus erwachsen, erklärt sie im Interview. 

Was ist das Ziel der Leitlinie zur häuslichen Pflege?
Der genaue Titel heißt „Häusliche Versorgung, soziale Teilhabe und Lebensqualität bei Menschen mit Pflegebedürftigkeit im Kontext ambulanter Pflege unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie“. Um es auf den Punkt zu bringen: Es geht um mehr Handlungssicherheit und Versorgungsqualität für die Einrichtungen der ambulanten Pflege.

In die ambulante und häusliche Pflege sind doch aber oft auch pflegende Angehörige eingebunden.
Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Deshalb sollten Pflegefachkräfte darauf hinwirken, dass auch Familienangehörige die Masken tragen und die strengen Hygieneregeln einhalten – am besten auch alle, die die zu Pflegenden besuchen. Das heißt für die Pflegekraftkräfte in diesen Zeiten: noch mehr Gewicht auf Information, Beratung und Schulung zu legen.

Ist das denn für die Pflegekräfte im eng getakteten Alltag zu schaffen?
Ich bin gelernte Pflegefachkraft und weiß, wie schwierig das ist. Ehrenamtliche Besuchsdienste beispielsweise könnten professionelle Pflegekräfte entlasten, doch sie stehen noch nicht wieder im gewohnten Umfang zur Verfügung. Die konsequente Umsetzung von Hygienemaßnahmen hängt zum großen Teil von den pflegebedürftigen Personen selbst, den Angehörigen und anderen Betreuungskräften ab. Sie können sich oftmals nicht so schnell informieren und umstellen wie ambulante Pflegedienste, bei denen es zum Berufsbild gehört, sich immer wieder an neue Rahmenbedingungen anzupassen. Die Sicherheit der Beschäftigten in der ambulanten Pflege geht vor, sie müssen jederzeit Vorkehrungen zum Eigenschutz treffen, was nicht immer auf Verständnis seitens der Betroffenen stößt. Und wenn es dann zu Konflikten kommt, ist es Aufgabe von Leitungskräften, eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Leiden nicht auch viele Angehörige unter der Doppelbelastung von Beruf und Familie plus Pflege?
Ja, die hat sich unter der Pandemie deutlich verschärft. Deshalb sollten sich ambulante Pflegedienste darauf vorbereiten, bei Bedarf psychosoziale Unterstützung zu leisten oder über entsprechende Angebote wie beispielsweise regionale Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen zu informieren. Hier allerdings ist noch sehr viel zu tun, der Bedarf an Anleitung, Beratung, Begleitung und Koordination ist sehr viel höher als die vorhandenen Ressourcen der ambulanten Pflegedienste. Das ganze System der ambulanten Versorgung müssen wir weiterentwickeln, um besser auf die Krisen wie diese reagieren zu können.

Was wäre denn beispielsweise ein Lösungsansatz?
Wenn wichtige Bezugspersonen wegfallen, entsteht eine große Versorgungslücke. Um diese zu vermeiden, empfehlen wir Pflegefachkräften, gemeinsam mit den pflegebedürftigen Personen und den pflegenden Angehörigen einen Notfallplan zu erstellen, der den individuellen Bedürfnissen gerecht wird. In ihm sollten alternative Betreuungsoptionen im persönlichen Umfeld genannt sein, der Notfallplan müsste dann auch in den Geschäftsräumen des Pflegedienstes hinterlegt werden. Die Praxis wird zeigen, wie gut dies gelingt, gerade überarbeiten wir die Leitlinie erneut.

Autor

  • Markus Golla

    Studiengangsleiter "GuK" IMC FH Krems, Institutsleiter Institut "Pflegewissenschaft", Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall)