„Nutzen Sie die Zielgerade der Legislaturperiode und schaffen Sie mit der Verabschiedung des Pflegeberufereformgesetzes die Voraussetzung für eine generalistische Pflegeausbildung und damit für mehr Gerechtigkeit in der Pflege!“ Mit diesem Apell wendet sich der Präsident der rheinland-pfälzischen Landespflegekammer zwei Tage vor der Sitzung des Koalitionsausschusses an die Spitzen der großen Koalition in Berlin. Im Rahmen des Deutschen Pflegetags, der größten Fachveranstaltung der Pflege vom 23. Bis 25. März in Berlin, hatten sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und der Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, erneut vehement für die Generalistik ausgesprochen.
„Das Signal, das der Deutsche Pflegetag in Berlin ausgesendet hat, kann eindeutiger nicht sein: Die Pflege will und die Pflege braucht die generalistische Ausbildung. Für diese, so entscheidende Weiterentwicklung unseres Berufsbildes müssen jetzt die Weichen gestellt werden“, betont Mai. „Die von interessierter Seite, insbesondere von der Interessenvertretung der privaten Arbeitgeber, initiierte Blockadehaltung, die wir in erster Linie bei den Unionsfraktionen beobachten, muss endlich überwunden werden.“
Markus Mai und Kammervorstandsmitglied Hans-Josef Börsch geben dem Gesundheitsminister Recht, der es in einem Fernsehinterviev im Vorfeld des Pflegetags „überraschend“ nannte, dass die Gewerkschaft ver.di sich „leider“ gegen die Generalistik ausgesprochen hat. „Eine Gewerkschaft muss die Interessen ihrer Mitglieder im Blick haben, um zu guten Rahmenbedingungen beitragen zu können. Daher sind wir von dieser negativen Haltung von ver.di gegenüber einer notwendigen Weiterentwicklung für die Pflegenden genau so überrascht wie der Minister.“
Die Landespflegekammer spricht sich seit längerer Zeit dafür aus, die Berufsbilder der Gesundheits- und Krankenpflege, der Altenpflege sowie der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einem Pflegeheilberuf mit einem gemeinsamen Ausbildungsabschluss zusammen zu führen. Die parlamentarische Debatte über den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf für eine entsprechende Reform der Pflegeausbildung stagniert derzeit allerdings.
„Die generalistische Pflegeausbildung soll auf einen Einsatz in allen Arbeitsfeldern der Pflege vorbereiten und einen Wechsel zwischen den Pflegebereichen erleichtern. Diese Chance zur Attraktivitätssteigerung muss unseres Erachtens unbedingt genutzt werden. Ein Scheitern der Reform würde eine irreparable Schädigung der Entwicklung unserer Berufsgruppe und vor allem eine gravierende Verschlechterung insbesondere im Bereich der Versorgung in der Altenpflege bedeuten“, so Mai.
„Bei den aktuellen Rahmenbedingungen sind die Kolleginnen und Kollegen in der Altenpflege im Hinblick auf den Berufsstatus, die Beschäftigungssituation und die Vergütung extrem gegenüber den beiden anderen Pflegeberufen benachteiligt. Die Generalistik ist damit auch ein Gebot der Gerechtigkeit und der Vernunft, gerade um auch den Bereich der Altenpflege attraktiver zu gestalten“, argumentiert der Kammerpräsident.
Drei weitere grundlegende Gründe sprechen aus Sicht der Pflegekammer für eine zeitnahe Gesetzesverabschiedung und eine schnelle praktische Umsetzung der Reform:
- Adäquate Antwort auf steigende pflegerische Bedarfe in der Gesellschaft
Unsere Gesellschaft befindet sich in einem fulminanten demografischen Wandel. Dies führt in allen Sektoren des Gesundheitswesens zu steigenden Nachfragen nach professionellen Gesundheits- und Pflegedienstleistungen. Die Zahl an Patienten wie auch an Pflegebedürftigen wird zukünftig noch deutlich zunehmen. Dadurch erhöhen sich auch die Anforderungen an die pflegerische Fachkompetenz zur Versorgung von Menschen aller Altersgruppen. Die im Gesetzentwurf verankerte Regelung von vorbehaltenen Tätigkeiten zur Planung, Steuerung und Qualitätssicherung von Pflegeprozessen wird entscheidend zur besseren Versorgung der Menschen mit Pflegebedarf beitragen. Dies beinhaltet auch eine größere Verantwortung jeder einzelnen Pflegefachperson. Deshalb ist die Herausbildung von zukunftsorientierten personalen, fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen in einer neuen Pflegeausbildung erforderlich. Pflegefachpersonen können nur so die Bedürfnislagen von Pflegeempfängern aller Altersgruppen mit individuell abgestimmtem, professionellem Handeln auch zukünftig angemessen bearbeiten und damit eine qualitativ hochwertige pflegerische Versorgung leisten. - Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufs zur Fachkräftesicherung für morgen
Um den pflegerischen Bedarfen der Gesellschaft adäquat zu begegnen, werden hinreichend qualifizierte Pflegefachpersonen benötigt. Die konsequente Zusammenführung der bisher getrennten Pflegeausbildungen und die Schaffung eines neuen, umfassenden Pflegeberufs erhöht zweifelsohne die Attraktivität der Ausbildung und des Berufsbildes in der Öffentlichkeit. Die berufsfeldbreit angelegte Pflegeausbildung ermöglicht eine neue horizontale Durchlässigkeit und Flexibilität, die gleichermaßen den Pflegefachpersonen, Arbeitgebern, aber auch Patienten und Pflegebedürftigen zu Gute kommen wird. Für die Einrichtungen im Gesundheits- und Pflegewesen stellt der Reformprozess somit eine große Chance zur Investition in die Zukunftssicherung dar. Darüber hinaus eröffnet die Einführung von primärqualifizierenden Pflegestudiengängen zusätzliche Entwicklungsoptionen. Sie steigert die Attraktivität des Pflegeberufs auch für Abiturienten. Der damit verbundene wissenschaftlich fundierte, pflegerische Fortschritt sowie Zuwächse in der Fach- und Methodenkompetenz werden zu erheblichen Steigerungen in der Versorgungsqualität führen. - Internationale Anschlussfähigkeit
Kein anderes europäisches Land leistet sich eine dreigeteilte Pflegeausbildung. Zudem ist die deutsche Altenpflegeausbildung international nicht als Fachausbildung anerkannt. Darüber hinaus wird in keinem Land Europas ein Heilberuf schon in der Primärqualifikation auf unterschiedliche Altersgruppen hin spezialisiert. Eine Spezialisierung erfolgt immer und überall erst durch Fort- und Weiterbildung. Mit dem Pflegeberufereformgesetz werden wichtige Schritte zur Anschlussfähigkeit der deutschen Pflegeausbildungen an diese und weitere internationale Standards vollzogen. Zugleich werden zukünftig auch diejenigen Pflegefachpersonen, die insbesondere alte Menschen in der Langzeitpflege versorgen, auch international als Fachkräfte anerkannt.
Natürlich engagiert sich die Landespflegekammer auch für inhaltliche Modifizierung bei der Umsetzung einer generalistischen Pflegeausbildung. Wir brauchen im Zuge der generalistischen Ausbildung eine entsprechend fundierte Praxisanleitung und eine qualitative praktische Begleitung. Auch die Schaffung adäquater Angebote zur Fort- und Weiterbildung wird eine zentrale Rolle spielen und das lebenslange Lernen damit zu einem Erfolgsfaktor der Ausbildungsreform. Darüber hinaus bedarf es einer modernen und bedarfsorientierten Assistenzausbildung, die den Anforderungen an die Berufsgruppe gerecht wird.
Eine gemeinsame Grundlage mit der zwingend notwendigen Vertiefung und Spezialisierung der einzelnen Fachrichtungen wird helfen, das Berufsbild weiterzuentwickeln. Dabei muss aber insbesondere auch der praktische Anteil die gebührende Beachtung finden. Eine längere Ausbildungsdauer oder eine nach der Ausbildung angeschlossene Praxiszeit sind relevante Ergänzungen zum bisher vorliegenden Konzept der Bundesregierung.
Hintergrund: Mit der einstimmigen Verabschiedung des Heilberufsgesetzes durch den rheinland-pfälzischen Landtag im Dezember 2014 ist die Landespflegekammer errichtet worden. Seit dem 01. Januar 2016 haben die Pflegenden im Land damit eine kraftvolle Interessenvertretung erhalten. Die Landespflegekammer mit ihren gewählten Vertreterinnen und Vertretern nimmt die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der Mitglieder wahr.
Die Vertreterversammlung hat in der Sitzung vom 02. März 2016 den Vorstand der Landespflegekammer gewählt. Präsident der Kammer ist Dr. Markus Mai. Zur Vizepräsidentin wurde Frau Sandra Postel gewählt. Die weiteren Mitglieder des Vorstandes sind Andrea Bergsträßer, Hans-Josef Börsch, Angelika Broda, Karim Elkhawaga, Esther Ehrenstein, Renate Herzer und Christa Wollstädter.