DE: Bloß keine falsche Scham!

14. Oktober 2019 | News Deutschland | 0 Kommentare

Kaum eine dermatologische Erkrankung ist für die Betroffenen derart belastend wie die Acne inversa. Beschwerden durch wiederkehrende schwere Entzündungen und Eiteransammlungen unter den Achseln oder in der Angogenitalregion lassen sich – ist das Leiden erst einmal beim Namen genannt – heute gut lindern. Doch für eine Genesung bleibt die radikale Resektion das Mittel der Wahl.

Nürnberg. Die Einführung des TNF-α-Blockers Adalimumab als systemisches Therapeutikum bei Acne inversa hat, so könnte man sagen, zweierlei Nutzen für die Patienten gebracht: Einerseits hat sich der humane monoklonale Antikörper in Studien als wirksames Mittel zur Verbesserung der Acne-inversa-Symptomatik erwiesen und es letztlich zur Aufnahme in die entsprechende Leitlinie gebracht. „Durch die Hemmung des Tumornekrose-Faktors kommt es zu einer weniger ausgeprägten Entzündungsreaktion“, sagt Oberarzt Dr. Andreas Haußler, Klinik für Dermatologie am Klinikum Nürnberg. Was der Wirkstoff, der auch bei chronisch entzündlichen Erkrankungen etwa des Darms oder der Gelenke eingesetzt wird – oder besser: seine Pharma-Marketingstrategen – indes noch erreicht haben, ist ein hilfreiches Maß an Aufmerksamkeit für eine Erkrankung, die bis vor wenigen Jahren noch allzu lang unerkannt den Betroffenen massive körperliche und seelische Pein brachte. Inzwischen, sagt Andreas Haußler, sei die Kenntnis der Acne inversa als eigener Entität in der Bevölkerung, vor allem aber bei den meisten Ärzten, angekommen.

Trotzdem dauert es bis zur richtigen Diagnose auch heute noch mehrere Jahre. Die ersten Anzeichen werden meist als harmlose Pickel oder als eingewachsenes Haar verkannt. Kleinere, einzelne Abszesse, die auch wieder verschwinden. Die immer wieder kommen, und wieder gehen. An Acne inversa mögen die Betroffenen in diesem frühen Stadium noch nicht denken. Doch spätestens, wenn die entzündlichen, schmerzhaften Knoten in der Haut immer öfter auftreten und immer länger anhaltende Beschwerden verursachen, sollten Betroffene reagieren und einen Arzt aufsuchen. So ließe sich ein womöglich langer Leidensweg ersparen.

Etwa ein Prozent der hiesigen Bevölkerung trifft die chronisch entzündliche, schubweise verlaufende Acne inversa. Ihren Anfang nimmt sie meist in der Pubertät. Die Läsionen entstehen typischerweise in Zonen, die reich an Terminalfollikeln sind und in Hautumschlagfalten liegen: unter den Achseln, in den Leisten sowie in der Genital- (häufiger bei Frauen) oder Analregion (häufiger bei Männern). Dass viele Betroffene den Gang zum Arzt aus Schamgefühl scheuen, verzögert die Diagnosestellung und kostet wertvolle Zeit. Je nach Stadium können die Beschwerden zumindest vermindert werden. Anfangs lassen sich Symptome durch antiseptische Salben und Antibiotika zurückdrängen. Bei mittelschweren und schweren Ausprägungen kommen auch systemische Therapien zum Einsatz – beispielsweise mit Adalimumab, falls Antibiotika nicht ausreichend wirken oder nicht vertragen werden. „Letztlich aber lässt sich eine Acne inversa medikamentös lediglich verwalten“, sagt Andreas Haußler. „Die operative Entfernung ist der einzige Weg, eine dauerhafte Heilung zu erreichen. Darum bieten wir sie immer noch als Mittel der Wahl an.“

Sozialer Rückzug und eine deutlich erhöhte Disposition für Depressionen 

Je früher die Betroffenen den Weg zum Spezialisten finden, umso besser. Nach der möglichst radikalen Resektion eines Acne-inversa-Areals stehen die Chancen für den Patienten, rezidivfrei zu bleiben, gut. Je weiter fortgeschritten die Erkrankung ist, umso größer der Eingriff, umso ausgedehnter das Exzisionsareal. Patienten mit unerklärlichen, wiederkehrenden Abszessen an den typischen Körperstellen rät Andreas Haußler darum, zügig einen Fachmann aufzusuchen; Hausärzten wiederum, frühzeitig an die Möglichkeit einer bestehenden Acne inversa zu denken und gegebenenfalls die Überleitung zum Facharzt oder an ein spezialisiertes Zentrum zu veranlassen. „Die Versorgungssituation ist inzwischen gut, sodass sich zumindest in jeder größeren Stadt eine Praxis oder Klinik findet, in der man sich mit der Erkrankung bereits eingehend befasst hat.“

Falsch oder unbehandelt mehren sich die eitrigen Abszesse mit der Zeit, bilden übelriechendes Sekret absondernde Fisteln und Fistelgänge sowie Narbenplatten. Schließlich entsteht so das typische Erscheinungsbild der ausgeprägten Acne inversa mit großflächigen Arealen, in denen sich ältere, narbige neben frischen Abszessen und Fisteln finden. „Spätestens jetzt muss es jedem sofort klar sein“ sagt Andreas Haußler. Die Betroffenen leiden dann längst erheblich unter den körperlichen und seelischen Belastungen – kaum eine dermatologische Erkrankung hat so gravierende Auswirkungen auf die Lebensqualität wie die Acne inversa. Sozialer Rückzug und eine deutlich erhöhte Disposition für Depressionen gehören zu den häufigen Folgen. Die ganz schlimmen Fälle, so der Dermatologe, Patienten, die sich seit Jahrzehnten mit der Erkrankung quälen, „sehen wir inzwischen glücklicherweise selten.“

Über die Ursachen wird derweil noch immer geforscht. Genetische Einflüsse spielen offenbar ebenso eine Rolle wie Störungen des Immunsystems und bestimmte Risikofaktoren. Vor allem die Zahl der stark Übergewichtigen und der Raucher, sagt Andreas Haußler, ist unter den Betroffenen signifikant erhöht.

Einen aktuellen Überblick über die Erkrankung, typische Lokalisationen, Risikofaktoren und stadiengerechte Therapiemöglichkeiten bietet Andreas Haußler beim 02. Nürnberger Wundkongress im Rahmen der Hauptsitzung „Modernes Management der Acne inversa“. Weitere Beiträge zur Session kommen von Sophia Zimmer (Mainz), die das Innovationsfond-Projekt „EsmAiL“ zur verbesserten ambulanten Versorgung von Menschen mit Akne inversa vorstellt, sowie Uwe Kirschner (Mainz) mit den Ergebnissen einer Befragung zur Krankheitslast von Acne inversa.

Autor:in

  • Markus Golla

    Studiengangsleiter "GuK" IMC FH Krems, Institutsleiter Institut "Pflegewissenschaft", Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft BScN (Umit/Wien), Pflegewissenschaft MScN (Umit/Hall)