…in Deutschland aber nicht immer gewährleistet. Dieses Fazit anlässlich des Internationalen Tags der Pflegenden am 12. Mai 2018 zieht der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) mit Blick auf die aktuelle Lage im deutschen Gesundheitssystem. In Anbetracht der aufgewendeten Ressourcen – der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt betrug 2014 in Deutschland immerhin 11,3% mit steigender Tendenz und liegt damit weit oben im Ranking aller Industrieländer (Angaben der Weltbank 2017) – sollten die Outcomes der deutschen Gesundheitsversorgung erheblich besser sein als sie es sind. Allerdings ist das deutsche Pflegesystem im europäischen Vergleich unterfinanziert[1]. „Unserem Gesundheitssystem fehlt es an der systematischen Orientierung an individuellen Bedarfen der Menschen, an Nutzerorientierung, Nachhaltigkeit und Augenmaß. ‚Patients first‘ – die Orientierung an der Person, die Hilfe braucht, muss die Richtung vorgeben“, fordert DBfK-Präsidentin Prof. Christel Bienstein. „Kranke und Pflegebedürftige brauchen vor allem Menschen, die ihnen Aufmerksamkeit schenken, zuhören, sich Zeit nehmen, eine therapeutische Beziehung herstellen, Vertrauen aufbauen, Fragen beantworten und auf informierte partizipative Therapieentscheidungen hinarbeiten. Die mit alters- und krankheitsbedingten Einschränkungen sensibel umgehen und durch ihre Fachkompetenz für angemessene Lebensqualität trotz Krankheit, für größtmögliche Selbständigkeit, Würde und eine Perspektive der Hoffnung sorgen. All das macht gute professionelle Pflege aus, ein Potenzial, das in Deutschland seit langem sträflich vernachlässigt und in seiner Bedeutung für das Wohl und die Gesundheit der Bevölkerung auch weit unterschätzt wird. ‚Patients first‘ – das deutsche Gesundheitssystem braucht nicht weniger als einen vollständigen Paradigmenwechsel“, erklärt Bienstein.
An der bestehenden Über-, Unter- und Fehlversorgung in weiten Teilen des deutschen Gesundheitswesens hat sich dank ökonomischer Anreize seit Jahren wenig verändert. Eine qualitativ gute, kompetente und aktivierende pflegerische Versorgung ist offenbar nicht gewollt. Anders sind die Pflegepolitik der vergangenen Jahre und das Reduzieren von Pflege auf „satt und sauber“ sowie die ausgedehnte implizite Rationierung pflegerischer Leistungen nicht zu erklären. Erforderliche und zukunftsorientierte Reformschritte werden durch Interessengruppen blockiert, die vom Status Quo profitieren. Ein innovatives Konzept und tragfähige Strategien für angemessene und verlässliche Pflege sucht man auch im Regierungsprogramm der neuen Bundesregierung leider bisher vergeblich.
Das Motto des diesjährigen Internationalen Tags der Pflegenden lautet: Gesundheit ist ein Menschenrecht. In seinem Handbuch dazu weist der Weltverband der Pflegeberufe (ICN) darauf hin, dass eine gute Gesundheitsversorgung der Bevölkerung untrennbar verknüpft ist mit dem Recht beruflich Pflegender auf umfassende Gesundheit. Das beinhaltet gute Arbeitsbedingungen, eine sichere Arbeitsumgebung, angemessene Entlohnung, Verfügbarkeit der nötigen Ressourcen sowie Qualifikation. Und – gerade im deutschen Gesundheitssystem von besonderer Brisanz – das Recht gehört zu werden und Beteiligung und Stimmrecht zu haben, wenn es um gesundheits- und pflegepolitische Strategien und Entscheidungen geht. Das deutsche System befindet sich auch deshalb in seiner ungesunden Schieflage, weil die Stimme, das Wissen und die Impulse der größten Berufsgruppe darin konsequent ignoriert werden. Einer Berufsgruppe, die seit Jahren hemmungslos verschlissen, ausgebeutet und so aus dem Gesundheitssystem vertrieben wird. Heute beklagen alle den Pflegefachpersonenmangel – und viele haben seiner allmählichen Entwicklung jahrelang ungerührt zugesehen.
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe hat Teile des ICN-Handbuchs zum Tag der Pflegenden 2018 ins Deutsche übersetzt, der Text steht unter www.dbfk.de/de/presse/allgemeine-presseinformationen/Gesundheit-ist-ein-Menschenrecht_web.pdf als Download zur Verfügung.